Nokia Siemens Networks skizziert „TV 2.0“-Zukunft

Innovations-Managerin Lydia Aldejohann stellt Personalisierung des Angebots, neue Werbemechanismen, neue Nutzungsformen in Aussicht

Das Fernsehen der Zukunft wird jeden einzelnen Zuschauer kennen und ein personalisiertes Programm anbieten: Diese Prognose ist Teil der TV-2.0-Vision von Nokia Siemens Networks (NSN). Deren Head of Business Innovation, Lydia Aldejohann, stellte im Rahmen der forward2business-Zukunftsuniversität in Braunschweig ihre Fernseh-Vision für das Jahr 2020 vor.

Die Vorstellung der Fernsehzukunft besteht aus vier Elementen: So werde Angebote, die per Internet auf den Wohnzimmerfernseher übertragen werden, werde TV2.0 auf das individuelle Profil seines Zuschauers reagieren und personalisierte Programme anbieten. Dabei werde TV 2.0 durch intelligente Software seinen Nutzer analysieren und dessen Bedürfnisse immer besser kennen lernen. Entsprechende Technologien befänden sich bei NSN unter dem Namen „IVON“ bereits in der Erprobung, erklärte Aldejohann.

Ein weiteres Merkmal des TV 2.0 soll „Transaction Media“ werden. Demnach dient der Wohnzimmermonitor nicht als nur als Fernseher, sondern gleichzeitig als Monitor für Internetanwendungen, Virtuelle Welten wie Second Life oder Live-Übertragungen von Events aus aller Welt. „From Media to Space“ nennt Aldejohann den Trend, der die Nutzer ihre Träume in den Medien ausleben lässt. Der Ort dafür sei früher das Tagebuch gewesen, heute ist es das Internet – künftig werde es auch der Fernseher sein, folgerte Aldejohann.

Nicht zuletzt werde sich TV 2.0 vom heutigen Fernsehen durch „Self Publishing“ unterscheiden. In zwei bis drei Jahren werde es für Jedermann einfach sein, seinen eigenen Fernsehkanal aus der Fülle der Angebote bei YouTube & Co. zusammenzustellen. Dieses „Self Channeling“ werde zu einer „Menge verrückter Kanäle führen“, prognostizierte Aldejohann. Sie richtete einen Appell an alle Content-Inhaber, die bereits heute existierenden technologischen Möglichkeiten stärker zu nutzen: „Wenn ich das Münchner Opernhaus wäre, dann würde ich heute schon selbst Fernsehen machen oder die neuen Möglichkeiten nutzen und meine hochkarätigen Events für eine Event-Gebühr von zum Beispiel 2 Euro in alle Welt senden“, sagte Nokia Siemens‘ Chef-Innovatorin.

Letztendlich werde per „Mobile TV“ das Fernsehen das Wohnzimmer verlassen. Es werde möglich sein, an jedem Ort auf jedem denkbaren Empfangsgerät und über alle Netze TV zu schauen. Beispielsweise sei es dann möglich die amerikanische Baseball-Liga zu abonnieren und an jedem beliebigen Ort zu schauen. Gleichzeitig werde TV 2.0 auch das Telefon integrieren. Künftig werde man über das Fernsehen seine Freunde anrufen oder mit ihnen den gleichen Film an getrennten Orten schauen und gleichzeitig via Fernseher darüber diskutieren. Auch eine solche Plattform erprobt NSN derzeit unter dem Arbeitstitel „CoSe“. Später so die Prognose werde dies zur Frage: ‚Wer schaut das gleiche und wohnt um die Ecke?“ und neuen Communities führen. Hier sei auch eine große Chance für lokale Anbieter und Händler.

Gleichzeitig betonte Aldejohann, dass das TV 2.0 „mit einer Hand bedienbar“ sein werde. Im Ausland sei dieses Szenario bereits teilweise Standard, während Deutschland in der Nutzung des Fernsehens über Internet noch hinterherhinke. So gäbe es in Belgien bereits mehr als 150.000 IPTV-Kunden.

Den Medien- und Markenunternehmen empfahl die NSN-Business-Innovationschefin, bereits heute ihre Strategie für die TV-2.0-Welt zu entwickeln. So würden sich in Kürze etwa die Werbemechanismen durch die Einführung eigener IPTV-Kanäle von Markenunternehmen grundlegend ändern. Der Trend heiße „targeted advertising“ und biete durch Profilanalysen der Nutzer eine personengenaue Ausspielung von Werbung oder Medieninhalten. Eine weitere Zukunftsvision sind M2M Kommunikation via RFID Chips: hier ist es denkbar, dass der Fernseher über RFID-Chips auch mit den anderen Gegenständen im Raum kommunizieren kann. „Welche Marketingmöglichkeiten eröffnet es etwa, wenn der Fernseher erkennt, dass ich eine Cola-Dose in der Hand habe?“, fragte Aldejohann.

Technologisch sei es natürlich heute schon möglich, über interaktive Realtime 3D Software, die Realtime Rendering ermöglicht, individuelle Zeitlupen oder Events aus jeder beliebigen Perspektive anzusehen. Damit biete sich etwa bei Fußball-Übertragungen die Möglichkeit Szenen nachzuspielen oder sogar im Gaming-Stil virtuell in das Spiel einzugreifen.

Einen nachdenklichen Blick richtete Aldejohann auf den gemeinsamen Wissensvorrat der Gesellschaft. Früher hat sich ganz Deutschland am Montag über „Wetten dass …?“ vom Samstagabend unterhalten. Worüber und mit wem werden die Menschen sprechen, wenn jeder sein individuelles Fernsehprogramm sieht? Als wahrscheinliche Prognose nannte Aldejohann die Community-Funktionen des TV 2.0. Zwar werde man nicht mehr mit dem Nachbar oder Arbeitskollegen über die eigenen Fernseherlebnisse sprechen, wohl aber direkt während der Sendung mit den anderen Zuschauern der gleichen Sendung. Hier entstünden neue Communities und neue Chancen für existierende Communities.

Mit der TV-2.0-Vision ist die diesjährige forward2business-Zukunftsuniversität in Braunschweig zu Ende gegangen. Die Zukunftsuniversität war „ein herausragendes Event, das auch in der Gesamtbilanz des Jahresprogramms ‚Stadt der Wissenschaft 2007’ ein Highlight sein werde“, so die Präsidentin der gastgebenden Hochschule der Bildenden Künste Barbara Straka in Ihrem Grußwort. Die Zukunftsuniversität habe jene Fragen gestellt, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, „wenn wir unsere Zivilisation in eine zukunftsfähige Gesellschaft überführen wollen“, so die Hochschul-Präsidentin.

Initiiert durch die Modekette New Yorker, einen Partner des forward2business-ThinkTanks, hatten in den vergangenen drei Monaten acht Visionäre der Zukunftsgesellschaft ihre Prognosen mit den Studenten und Bürgern der „Stadt der Wissenschaft“ debattiert, darunter der mp3-Erfinder Prof. Dr. Karlheinz Brandenburg, Ex-Viva-MTV-Chef Prof. Dieter Gorny sowie die Shootingstars der Web2.0-Unternehmen FON und Spreadshirt.

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