Dynamische Entwicklung animierter 3D-Videomenüs

Die neueste Version der Multimedia-Software Nero Vision bietet auch animierte 3D-Videos zum Gestalten von Videomenüs. Um diese Vorlagen möglichst flexibel anzulegen, mussten die Firmen Zeitwerk und Lumo Graphics tief in die Trickkiste greifen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 01 : 07.

Nero Vision 4 ist eine Applikation, die das Bearbeiten eigener Filme zum Kinderspiel macht. Videos lassen sich direkt von DV-Kameras oder anderen externen Videogeräten übertragen, nachbearbeiten und dann auf DVD brennen. Als besondere Zugabe bietet das Programm eine Auswahl an Menüs mit animierten Seitenübergängen – deren Gestaltung hielt für die an der Entwicklung Beteiligten allerdings ganz unterschiedliche Herausforderungen bereit.

Von der Idee zum Anforderungsprofil

Am Anfang stand der Wunsch von Nero, mit der neuen Version von Nero Vision ein Autorenprogramm zum Bearbeiten von Videofilmen anzubieten, mit dem ambitionierte Videofilmer mit geringem Aufwand und wenig technischem Wissen möglichst professionelle Ergebnisse erzielen können. „Unser Produkt sollte sich von den auf dem Markt befindlichen DVD-Autorenprogrammen unterscheiden, die in der Regel statische Menüs bieten und daher nur harte Schnitte zulassen“, erläutert Nero-Produktmanager Frank Glatt. Dieses Anforderungsprofil bedeutete, mit attraktiven Übergängen Dynamik in die Menüs zu bringen und die Möglichkeit der beschreibenden Texteingabe zu integrieren. Als besonderes Merkmal sollten 3D-Animationen zum Einsatz kommen. Eine feste, unflexible Programmierung der 3D-Grafik, die dann für jedes neue 3D-Menü weiteren Programmieraufwand nötig gemacht hätte, kam nicht in Frage. Um die gewünschte Dynamik der Darstellung zu gewährleisten, entschied man sich für die Entwicklung einer eigenen 3D-Engine, aufbauend auf einem Szenegraph.

Mit den animierten 3D-Videomenüs von Nero Vision 4 kann der Anwender seine selbst gebrannten DVDs professionell gestalten. Dabei stehen verschiedene Templates zur Auswahl. Dieser Fuhrpark von Spielzeuglastern eignet sich beispielsweise als Rahmen für Szenen aus dem Kinderzimmeralltag

Entwicklung einer 3D-Engine

Die von Nero entwickelte 3D-Engine basiert auf einem eigenen Datenformat, das – um einen speziellen Importer ergänzt – 3DS-Files einfügen kann. Daraus ergaben sich für das 3D-Modeling einige technische Besonderheiten: Für den Export ins 3DS-Format sollte der generische 3DS-Export zur Anwendung kommen, um nicht mit eventuellen Inkompatibilitäten unterschiedlicher Exporter kämpfen zu müssen. Damit die richtigen Objekte von der Nero-3D-Engine als Buttons oder Videotexturen erkannt werden, galt es eine bestimmte Namensgebung einzuhalten. „Mit dem Import von 3DS, einem offen dokumentierten File-Format, haben wir unser eigenes Dateiformat ergänzt“, erklärt Dr. Torsten Blank, verantwortlicher Entwickler bei Nero. „Dies ermöglichte den Transfer einer ganzen Reihe von Informationen, auch wenn die Animation einzelner Materialeigenschaften wie der Farbe oder der Sichtbarkeit davon unberührt blieb und uns zu einigen Kunstgriffen zwang.“ Beispielsweise konnte der Importer die Anforderung, Bewegung in die jeweiligen Hintergrundgrafiken zu bringen, nicht erfüllen. Deshalb kodierte das Team im XML-File Animationen, die Auswirkungen auf Objekte aus der importierten 3DS-Szene haben. Mehrere Planes wurden in den Hintergrund modelliert und quasi „von außen“ nacheinander durchsichtig geschaltet. Hintergrundbewegung wiederum war eine Forderung zum Steigern der Attraktivität der Ansichten, denn statische Seiten erzeugen schnell Langeweile. Deshalb legten die Macher der Software viel Wert darauf, dass die Menüs auch nach Ablauf des jeweiligen Intros in Bewegung bleiben.

Eine weitere Regel für das Erstellen der 3D-Animationen war, dass der Anwender aus diesem Loop des Hauptmenüs zu jedem Zeitpunkt ohne Bruch in eine andere Menüebene wechseln kann. Dies galt es vor allem bei der grafischen Konzeption der einzelnen Videomenüs zu berücksichtigen. Hierfür holte sich Nero aus Kapazitätsgründen und weil es nicht zu den eigenen Kernkompetenzen zählt mit Lumo Graphics und Zeitwerk Unterstützung von außen. Zeitwerk, ein Spezialist für cross- und multimediale Lösungen, entwarf Ideen und Konzepte für die grafische Umsetzung der Videomenüs und realisierte sie in enger Abstimmung mit den Karlsruher 3D-Visualisierungsprofis von Lumo Graphics. Die Kooperation war vor allem hinsichtlich Umsetzbarkeit und Datenmenge beziehungsweise Ablaufgeschwindigkeit nötig: Die Modelle mussten nach den Vorgaben von Nero möglichst klein und die Anzahl an Lichtern weitestgehend gering gehalten werden. Allerdings ermöglicht die 3D-Echtzeitengine den Import von Geometriedaten, Materialien, Kameras, Lichtern und Animations- Keyframes.

Die ersten Entwürfe wurden als klassische Scribbles gezeichnet und dann in Photoshop mit verschiedenen Elementen komponiert

Modeling eines 3D-Menüs in 3ds Max: Die weißen Quader werden aufgrund ihres Namens von der Engine als Platzhalter für 3D-Text erkannt, der interaktiv vom Endbenutzer festgelegt wird. Zu erkennen sind die Bewegungspfade der Objekte für den Übergang eines Menüs in ein hierarchisch auf der gleichen Ebene liegendes Menü

Das Regelwerk

Neben den technischen Voraussetzungen resultierten aus der von Nero definierten Menüstruktur und der angestrebten Interaktivität eine Reihe von Regeln, die es bei der Konzeption und Erstellung der 3D-Animationen zu beachten galt. Die Grundstruktur sollte auf maximal zwei hierarchischen Menüebenen basieren. Über ein 3Danimiertes Intro wird der Anwender in den Raum mit dem jeweiligen Hauptmenü geführt, das bewusst auf sechs mögliche Menüpunkte pro Bildschirmansicht begrenzt wurde. Der Benutzer kann bei Bedarf aber auch weitere Menüpunkte generieren. Diese liegen dann neben dem Einstiegsmenü und schieben sich auf Wunsch seitlich über den Bildschirm. Dadurch darf jede Menüebene aus beliebig vielen Menüseiten bestehen, die sich mit speziellen 3DButtons für „rechts“ und „links“ aufrufen lassen – ein so genanntes Multipage-Menü.

Jede dieser Menüseiten kann wiederum bis zu sechs Videotasten mit Textuntertiteln enthalten. Diese Videotasten führen entweder zu einem hinterlegten Video oder – falls man sich auf der oberen Menüebene befindet – zum Untermenü, in dem die 3D-Buttons verschiedene Einsprungmarken in dem jeweiligen Videotitel repräsentieren. Untermenüs dürfen ebenfalls aus beliebig vielen Menüseiten bestehen, jedoch keine weiteren Untermenüs enthalten. Daraus ergibt sich, dass die Hauptmenüs neben den sechs Videotasten zusätzlich eine Rechts- und eine Linkstaste aufweisen, während sich in den Untermenüs eine Rechts-, eine Links- und eine Zurücktaste befinden. Letztere ermöglicht es dem Benutzer, von einem Untermenü wieder in das assoziierte Hauptmenü zu gelangen.

Alle Menüs verfügen außerdem über einen Titel und eine Fußnote aus 3D-Text, die aus Texteingaben des Anwenders generiert werden. Für die Grafik stellte sich die Frage, welche Motive diese Anforderungen am besten erfüllen. Für die abstrakten Versionen war das kein Problem, zu den konkreten Themen wie „Reise und Urlaub“, „Kinder und Familie“, „Feste und Feierlichkeiten“ oder auch „Business“ mussten zunächst überzeugende und glaubhafte Illustrationen gefunden werden. Zudem mussten sich diese aus Sicht der 3D-Modeler auch für die unterschiedlichen Menü-Übergangssequenzen eignen. Für Lumo Graphics lag die besondere Schwierigkeit darin, die 3D-Animationen mit den Ansprüchen der Interaktivität zu kombinieren: „Eine kreative Lösung innerhalb der durch die Echtzeit-Engine vorgegebenen Möglichkeiten zu gestalten, stellte eine der großen Herausforderungen bei der grafischen Umsetzung dar“, bekennt Geschäftsführer Thomas Rühlemann.

Inhaltliche Motivsuche und grafischer Feinschliff

Nachdem die technischen Features weitgehend geklärt waren, galt es den inhaltlichen Rahmen abzustecken. Das Entwickeln geeigneter Konzepte zum Umsetzen der Vorgaben oblag Zeitwerk und gestaltete sich laut Kommunikationsdesignerin Annette Bitterle anfänglich nicht so einfach, da das Regelwerk einige Grenzen setzte. Im ersten Schritt hatte sie sich in die Zielgruppe versetzt, um deren Wünsche für mögliche Videomenüs nachzuvollziehen. Ergebnis waren die Kategorien „Urlaub“, „Kinder“, „Familienfeste“, „Allgemeines“ und „Abstraktes“. Auf dieser Basis entstanden die ersten Grundideen. Als Einstieg entschied sich das Team für abstrakte Varianten, weil diese vielseitig einsetzbar sind und mehr Freiraum in der Gestaltung zuließen. Bestes Beispiel: Der Würfel als geometrische Figur erwies sich als besonders geeignet, weil er sich zu allen Seiten drehen oder kippen lässt. Der Wechsel von einer Ebene zur anderen funktioniert über das Vor- und Zurückkippen des Würfels. Ein Übergang zu einem Videotitel könnte eine der Seiten des Würfels als Videofläche nutzen.

Aus der Grundidee entwickelte Annette Bitterle ein gescribbeltes Storyboard, anhand dessen Lumo Graphics die 3D-Animation umsetzte. „In Photoshop zweidimensional die Ansichten zu entwerfen und dabei 3D im Sinn zu haben, stellte für mich zu Beginn die größte Schwierigkeit dar“, erzählt Annette Bitterle, „aber je tiefer ich eingestiegen bin, desto spannender wurde es und der Blick für machbare Feinheiten wurde geschärft.“ Wie beim Würfel kamen die quadratischen und rechteckigen Formate in der Folge für weitere Motivvarianten zum Einsatz, weil so Szene und ergänzter Text für den Betrachter am besten sichtbar sind. Koffer auf einem Gepäckband weisen auf Reisen und Urlaub hin, Bilderrahmen auf Familienfeste. Pro Motiv gibt es mindestens 15 Sequenzen: eine Hauptmenü-Schleife, in der in die Selektionsphase gezeigt wird, ein Intro, das von einem leeren Bildschirm zum Hauptmenü führt, ein Übergang von einem Menü zu dem auf gleicher Ebene „daneben“ liegenden Menü, sechs Übergänge vom Menü zu einem mit jedem Button assoziierten Untermenü sowie sechs Übergänge vom Menü zum Start eines der sechs Videos.

Mit dem Nero-Testprogramm lässt sich die Konsistenz des 3D-Modells überprüfen. Die Textausgabe im Hauptfenster gibt Hinweise, ob alle für ein Menü benötigten Objekte wie Buttons, Kopf- und Fußzeilen vorhanden sind. Das Renderfenster zeigt das Modell hier mit eingeblendeter Highlightmaske in weiß und der aus den Objekten berechneten aktiven Region für jeden Button. In diesem Modell wurden unsichtbare Objekte verwendet, um die für den Mauszeiger aktive Region festzulegen
Die finalen 3D-Videomenüs erzählen kleine, teilweise angedeutete Geschichten. Diese Animation handelt zum Beispiel von sich auftürmenden Bauklötzen, die schließlich wieder zu einem Haufen zusammenfallen

Die Musik macht die Animation

Nicht zu vernachlässigen ist die Vertonung. So kam manches Motiv erst mit der unterlegten und an die Bilder angepassten Musik richtig zur Geltung. Das Zusammenspiel von dynamischen Bildelementen und Vertonung sorgt beim Betrachten der Videomenüs für Abwechslung und Unterhaltung. Hierbei setzten die Macher auf die Dienste von Andreas Köhler von Comtune, der kleine Stücke auf die Bildfolgen abgestimmt komponierte. Zeitwerk baute den Ton in der Postproduktion synchron zu den Animationssequenzen ein.

Abschließend durchliefen die diversen Videomenüs verschiedene Testläufe in den Nero-Labors, in denen vor allem die Praxistauglichkeit nochmals genau unter die Lupe genommen wurde. Die Größe und Lesbarkeit der 3D-Texte, die von den unterschiedlichsten Fernsehgeräten überzeugend dargestellt werden soll, musste daraufhin bei einigen Menüs nachträglich angepasst werden.

Entstanden ist eine Auswahl aus rund einem Dutzend 3D-animierter Videomenüs, mit denen ambitionierte DVD- und Videofans ohne Programmieraufwand ihre eigenen Filme und Produktionen in einen professionell erscheinenden Kontext stellen können. Weitere interessante 3D-Menüs und Erweiterungen sind für kommende Nero-Versionen geplant. Beispiele für die 3D-Menüs finden sich auf der Heft-DVD und unter www.zeitwerk.de/zeitwerk/www_ root/projectsheets/nero.

3D-Videomenüs für Nero Vision 4

  • Auftraggeber: Nero AG
  • Produktion: Lumo Graphics, Zeitwerk
  • Ton: Andreas Köhler, Comtune
  • Konzeption/Design: Annette Bitterle, Thomas Braunagel Projektleitung: Thomas Rühlemann
  • Modeling und Texturen: Sebastian Witt

Die 1995 gegründete Zeitwerk GmbH hat in den vergangenen Jahren konsequent den Wandel von einer reinen Web-Agentur zum crossmedialen Kommunikationsdienstleister vollzogen. Auf der Kundenliste finden sich renommierte Unternehmen wie Bilfinger+Berger, Campina, Harman/Becker Automotive Systems, Berner, Heidelberger Druckmaschinen und Deka Immobilien Investment.

Lumo Graphics bietet seit 1998 Lösungen zur Visualisierung in der Produktkonfiguration und fotorealistischen Darstellung von Variantenprodukten. Die Kundenliste des Softwareherstellers und 3D-Dienstleisters umfasst unter anderem Mercedes-Benz Omnibusse, ThyssenKrupp Aufzugswerke, Kögel-Fahrzeugwerke, Schöck Bauteile und T-Systems.

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