Rückblick 07: Weg frei für die zweite Dot-Com-Blase

Die Finanz- und IT-Branche durchlebte 2007 ein Wechselbad der Gefühle. Nachdem die US-Finanzkrise weitaus stärker als angenommen ihre globalen Schatten warf, gingen Anleger und Banken verstärkt in die Defensive.

Gleichzeitig nahmen Investitionen in Internet-Unternehmen utopische Dimensionen an, die Analysten an die geplatzte Dot-Com-Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends erinnerten. Aber auch das Geschäft regenerativer Energien boomte ungebrochen. Mega-Deals aus dem Wind-, Solar- und Bioenergie-Sektor beflügelten die Aktienkurse und ließen die Auftragsbücher dicker werden. Die IT-Branche hingegen wartete in diesem Jahr mit Produkthighlights wie dem Microsoft Betriebssystem Windows Vista und Apples Lifestyle-Handy iPhone auf.

Die US-Subprime-Hypothekenkrise löste im Sommer dieses Jahres eine Eruption an den Finanzmärkten aus. Nachdem die US-Preise für Immobilien stagnierten und rund 60.000 Kreditnehmer mit geringer Bonität ihre Raten nicht mehr bedienen konnten, kollabierte das Subsegment mit globalen Folgen. Weil Subprime-Kredite am Kapitalmarkt refinanziert und als Wertpapiere verbrieft sowie an sämtliche Finanzdienstleister verkauft wurden, stockte auch die Liquidität. Daraufhin pumpten die Zentralbanken dreistellige Milliardenbeträge in den Markt, um konjunkturelle Folgen abzuwenden. Zudem dämmte die Krise nicht nur Übernahmen und Fusionen ein, sondern führte auch zu einem generellen Vorbehalt der Banken hinsichtlich ihrer Kreditvergabe. Die Schweizer Großbank UBS als jüngstes Opfer der Krise musste somit Beträge im hohen einstelligen Milliardenbereich abschreiben. So droht das Finanzdilemma zu einer ernsthaften Kreditkrise zu werden, die 2007 noch längst nicht ihr Ende gefunden hat, sind sich Analysten einig.

Den Anspruch, zum multimedialen Unterhaltungszentrum zu werden, strebte Microsoft 2007 mit der Markteinführung des Betriebssystems Windows Vista samt eines neuen Office-Pakets an. Obwohl der bis dato größte Produkt-Launch in der Geschichte Microsofts mehr Sicherheit, einfachere Bedienbarkeit und nicht zuletzt einen höheren Unterhaltungsfaktor mit „Wow-Effekt“ versprach, gestaltete sich der Verkauf gegenüber der Vorgänger-Version Windows XP moderat. Der Absatz bei Stand-Alone-Produkten stagnierte, was die Euphorie eintrübte und kundenseitig den Ruf auf die Verlässlichkeit XPs lauter werden ließ. Zusammen mit Microsoft kamen PC-Hersteller dem Wunsch vieler Kunden nach einem Windows-XP-Downgrading nach. Obwohl sich Office 2007 als Verkaufsschlager behauptete und Vista viele Privatkunden erreichte, blieb der große Wurf im B2B-Segment aus. So gab Dirk Thomaere, Toshiba Europe General Manager Computersysteme D-A-CH, zu, die Situation anfangs falsch eingeschätzt zu haben.

Doch nicht nur Microsoft wartete 2007 mit einem neuen Produkt-Highlight auf. Apple führte sein vielfach angepriesenes Lifestyle-Handy iPhone gegen Mitte des Jahres in den USA ein. Da der Konzern bis Ende 2008 rund ein Prozent des weltweiten Mobiltelefon-Markts anstrebt, folgten gegen Jahresende etappenweise Marktplatzierungen in ganz Europa. Die Meinung, dass sich das iPhone hierzulande nicht so wie in den USA verkaufen lassen würde, blieb vorerst Branchen-Experten vorbehalten. So drohte dem US-Geschäftsprinzip in Form der Exklusivvermarktung des iPhones über T-Mobile in Deutschland kurzzeitig das Aus. Nachdem Mitbewerber Vodafone D2 erfolgreich eine einstweilige Verfügung gegen die Exklusivvermarktung SIM-gelockter iPhones erwirkte, trieb der daraufhin entstehende Markt seltsame Blüten. So nutzte T-Mobile-Rivale Debitel die vorläufige iPhone-Entsperrung aus, um sein eigenes Tarifmodell zu bewerben. Dieses sah vor, Besitzern SIM-lockfreier iPhones, die diese zuvor für 1.000 Euro bei T-Mobile gekauft hatten, bei einem Vertragsabschluss die Differenz zum herkömmlichen Kaufpreis in Höhe von 600 Euro gutzuschreiben. Mittlerweile halten es Analysten jedoch für fraglich, dass das iPhone seinen vorbereiteten Siegeszug in Japan verwirklicht.

Das Business-Jahr 2007 stand auch im Zeichen des Internet-Hypes. So verkauften sich Internet-Firmen mit ausgefallenen Namen, geringen Umsätzen und wenigen Kunden zu hohen Preisen. Zudem schien es kurzzeitig so zu sein, dass die Folgen der geplatzten Dot-Com-Träume vom Anfang des Jahrtausends bei den Investoren in Vergessenheit gerieten. Laut Experten würden die Bewertungen für diese Unternehmen auf ökonomischer Basis oft jeglicher Rationalität entbehren. Der 240 Dollar umfassende Teilverkauf von nur 1,6 Prozent der Social-Networking-Plattform Facebook an Microsoft verdeutlicht die Unverhältnismäßigkeiten. Obwohl Facebook von Investoren mit 15 Mrd. Dollar eingeschätzt wird, legt der Portalbetreiber Yahoo dafür doppelt so viel in die Wagschale. Ähnlich schwer lässt sich die Bewertung des Suchmaschinenriesen Google erklären, dessen Aktie mittlerweile die 600-Dollar-Marke überschritten hat. Damit ist der Internetkonzern höher bewertet als IBM, obwohl dieser einen acht Mal höheren Umsatz besitzt. So scheint für Anleger alleinig der Aktienkurs zu gelten, meinen Insider.

Von diesen Turbulenzen unbeeinflusst zeigte sich der Spielekonsolen-Markt. So rechnet der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien damit, dass allein der deutsche Computerspiele- und Spielekonsolen-Markt 2007 etwa 2,14 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftet – gegenüber 2006 ein Wachstum von 21 Prozent. Trotz dieser positiven Aussichten ist die Konkurrenz zwischen Microsoft (Xbox), Sony (PS3) und Nintendo (Wii) hart wie nie zuvor. Preissenkungen und zusätzliche Features werben um die Gunst der Kunden, die sich längst nicht mehr auf bestimmte Randgruppen reduzieren lassen. Laut Analysten sind jedoch die Verfügbarkeit von Spielen sowie Abwärtskompatibilitäten entscheidende Kriterien. Zudem spielt der Marketing-Aufwand – wie am Beispiel von „Halo 3“ für die Xbox deutlich – eine wichtige Rolle. Aber auch innovative Konsolen-Konzepte wie das der Wii bescherten der Branche hohe Wachstumszahlen. So bleibt fraglich, ob Sonys Strategie einer PS3-Billigversion gegenüber Microsoft und Nintendo ernst zu nehmende Chancen haben wird.

Trotz des Siliziummangels und steigender Spot-Marktpreise über 400 Dollar pro Kilogramm erfreute sich die Solar-Branche überdurchschnittlichen Wachstums. Lieferverflechtungen und der Solaranlagen-Ausbau machten Spanien und Italien zu einem Paradies für Photovoltaik-Hersteller. So verlief das erste Halbjahr für alle Unternehmen der Branche vielversprechend, da durch nur moderate Preissenkungen weiterhin gute Margen erzielt werden konnten. Durch internationale Vertriebsstrategien und dem damit verbundenen Boom im Exportgeschäft baute zum Beispiel Marktführer SolarWorld eine neue Solarfabrik in Sachsen, durch die rund 1.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Aufträge in Milliarden-Höhe bewirkten jedoch auch bei den Biogas- und Windanlagen-Bauern wahre Aktienkurs-Feuerwerke. Während die Beteiligungsholding BioKraftstoff Nord gegen Ende 2007 einen 75 Mio. Euro schweren Großauftrag an Land zog, enttäuschte Schmack Biogas nach einer Kurs-Rally mit einer Umsatzwarnung. Auch der norddeutsche Windanlagenbauer Nordex profitierte 2007 von der großen Nachfrage und trug dazu bei, dass sich Investments in regenerative Energie zum Anlagetrend mauserten.

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