Chrome-Masterplan: Wie Google Microsoft bedrängt

Suchmaschinen-Riese schwächelt bei Echtzeit-Netz.

Der Browser Chrome ist für die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page das Portal zu einem neuen Internet-Zeitalter. In Zukunft werden die Menschen einen größeren Teil ihrer Arbeit online erledigen, davon sind die beiden überzeugt. Dafür bringen sie immer neue Programme heraus: Google Docs ist ein Büro-Softwarepaket, das nur noch im Netz läuft. Google Wave, eine Kombination aus E-Mail, Chat und gemeinsamer Dokumentenbearbeitung, soll die Kommunikation umkrempeln. Das schlanke Betriebssystem Chrome OS, das für diese Web-Programme optimiert ist, soll ab 2010 sogar Windows überflüssig machen. Und unter dem Label Google Apps verkauft der Konzern seine Internet-Software bereits 1000-fach an Firmenkunden, berichtet die Wirtschaftswoche. Quasi en passant komme Google den Menschen mit den Angeboten so nah, wie es vor kurzem noch undenkbar schien.

Computernutzer setzen allerdings überwiegend noch auf die Programme von Microsoft. Laut Forrester Research nutzen etwa vier Fünftel der Firmenkunden die Bürosoftware Office. Der Wechsel zur Konkurrenz wäre ein großer Schritt. Genau das soll durch Chrome erreicht werden. Damit könnten mehrere Aufgaben gleichzeitig und unabhängig voneinander erledigt werden. Der Internet-Experte Bernhard Steimel, Sprecher der Voice Days plus in Nürnberg, hält Google Wave für die entscheidende Waffe im Kampf gegen Microsoft. „Unter dem Zauberwort ‚Unified Communication‘ sowie ‚Collaboration‘ sollen Kommunikation und Geschäftsprozesse sinnvoll zusammengeführt werden. Hier liegt ein Schlüsselfaktor für erfolgreiches Wirtschaften. Mit der zunehmenden Verbreitung des Kooperationsgedankens haben sich zugleich die Anforderungen an das Management der Zusammenarbeit erhöht“, erklärt Steimel.

In der Mind-Studie „Team Collaboration in der Enterprise 2.0“ gaben knapp 90 Prozent der Befragten zu Protokoll, dass Tools für die so genannte „Team Collaboration“ unverzichtbar seien. „Unternehmen brauchen Werkzeuge, die man schnell aufsetzen, flexibel anpassen und gegebenenfalls auch schnell wieder auflösen kann. Die auf der Developer-Konferenz präsentierte Version von Waves könnte Microsoft und Co schwer in Bedrängnis bringen, weil sie genau das bietet“, glaubt Steimel.

Das Problem der vielen unterschiedlichen Applikationen und der dezentralen Datenhaltung auf Computern und mobilen Endgeräten könne man allerdings ohne eine stringente Strategie nicht lösen, so die Erkenntnis des Nürnberger Netzwerkspezialisten Karl-Heinz Gabler von der Firma Nash Technologies: „Das ist eigentlich das Dilemma des privaten Anwenders. Er hat zuhause einen PC mit im Kaufpreis enthaltenen vorinstallierten Anwendungen, oder aber er setzt Open-Source-Software wie Linux und OpenOffice ein. Sein privates Mobiltelefon kauft er im Zweijahres-Zyklus. Seine private E-Mail läuft über einen Account des DSL-Anbieters. Der PC seines Arbeitgebers entspricht in seiner Ausstattung den Vorgaben einer unternehmensweiten IT-Strategie und das berufliche Mobiltelefon resultiert aus einem Rahmenvertrag, den die Einkaufsabteilung seines Arbeitgebers mit einem Netzbetreiber ausgehandelt hat. Vier Geräte mit vier Anwendungspaketen – alle unabhängig voneinander, sowohl in der Planung als auch in der Beschaffung.“

Hier komme nun der Cloud-Computing Ansatz zum Tragen, wo alles zentral im Netz ist. Nicht nur die Daten, sondern auch die Anwendungen, und die Endgeräte sind „austauschbare“ Terminals. „Klingt theoretisch gut, ist in der Praxis schwierig. Cloud Computing ist für Unternehmen dann interessant, wenn der Dienstleister auch wichtige Systemintegrationsleistungen erbringt und somit dem Kunden auch Unterstützung und maßgeschneiderte Service Level Agreements anbieten kann. Nur mit der Breitband-Internetverbindung zu Rechenzentren ist es nicht getan, so wird Cloud Computing nicht erfolgreich. Es ist ein Fehler, Cloud Computing als Gegensatz und Konkurrent der lokalen installierten Anwendungen zu sehen. Auch hier wird es Konvergenz geben, eine Mischung von Leistungsmerkmalen, die lokal oder zentral generiert werden“, so Gabler.

Einen entscheidenden Google-Schwachpunkt sehen Kritiker beim Kampf um das Echtzeit-Netz. Hier würden die Menschen ein Thema schneller aufnehmen, als es eine Suchmaschine könne. Die meisten würden dann über Social Networks oder Dienste wie Twitter auf die Website verlinken, die Ausgangspunkt der Nachricht war. Gelinge es, diese digitale Kommunikation zu ordnen, entstehe eine neue Form der Suchmaschine, die vor allem bei Nachrichten schneller ist und bessere Ergebnisse liefert als Google und Co. Das musste auch Google-Mitgründer Larry Page auf der Zeitgeist-Konferenz einräumen: „Wir haben Schwächen, wenn es um die sekundenschnelle Erfassung von Informationen geht.“

Nachholbedarf besteht auch bei der computergestützten Verarbeitung von Bedeutungsinhalten. „Ganz langsam erst fangen wir an, uns von der rein textbezogenen Darstellung zu lösen. Es wird im Internet fast alles textbasiert dargestellt. Es gibt zwar erste Online-Applikationen wie mindmeister, die Alternativen zum Fließtext anbieten. Das ist aber nur ein grober Versuch und für mein Empfinden noch recht krude. Niveauvollere Darstellungen von Zusammenhängen, wie mit dem Consideo Modeler möglich, sind bislang nur offline erhältlich“, moniert Stephan Meyer von der Unternehmensberatung denkstelle.

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