Eine Glühbirne auf Reisen

Unsere neue DP-Ausgabe mit dem Fokus "Karriere" erscheint am 4. April. Als Vorgeschmack präsentieren wir Ihnen hier ein Making-of der Georg-Simon-Ohm-Hochschule.

So viel sei verraten: Eine der Ausbildungsstätte, die es in die Auswahl der besten VFX- und Animationsschulen in der DP-Ausgabe 03/14 geschafft hat, ist die Hochschule Georg Simon Ohm in Nürnberg. Dieses Making-of zu dem Projekt "Durchgebrannt" schrieb uns Kathrin Hawelka von der Ohm-Hochschule. Das "Durchgebrannt"-Team bestand aus Michael Haas, Thomas Schienagel, Simon Scharf, Stefan J. Wühr und Sebastian Franz.

Vermissen wir sie nicht alle ein wenig, die klassische Glühbirne? Zwei Studenten von der Georg-Simon-Ohm Hochschule in Nürnberg beschäftigte der Wandel in der Leuchtmittelindustrie so sehr, dass sie der Glühbirne eine entscheidende Rolle in ihrem Animationskurzfilm gaben. In dem Studentenprojekt „Durchgebrannt“ machen sich die Glühbirne Kevin und sein Freund, die Motte Frank, auf den Weg, um Kevins lang ersehnten Traum auf einem Jahrmarkt zu verwirklichen. Den Kurzfilm „Durchgebrannt” haben die beiden Film- und Animationsstudenten Thomas Schienagel und Michael Haas im Rahmen einer Semesterarbeit an der Georg- Simon-Ohm Hochschule produziert. Der Kurzfilm war 2011 schon auf mehreren Festivals zu sehen, wobei er mehrfach ausgezeichnet wurde. Bei dem Projekt haben die beiden Studenten für den 3D-Workflow Maya in Verbindung mit Mental Ray und unterstützend Softimage eingesetzt. Für die 2D-Arbeiten kam After Effects zum Einsatz.

Die Idee

Die EG-Verordnung Nr. 244/2009 brachte die Idee zum Kurzfilm „Durchgebrannt“. Vor nicht allzu langer Zeit ist das Handelsverbot für die klassische Glühbirne in der EU eingeführt worden, das gute alte Leuchtmittel wird nun zum Auslaufmodell. Inspiriert durch dieses aktuelle Thema entwickelten die beiden Studenten die Idee zu ihrem Kurzfilm um eine animierte Glühbirne und ihren großen Traum.

Story

Der voll animierte Kurzfi lm erzählt eine 9:30 Minuten lange Geschichte von einer Glüh birne namens Kevin, die von einer Zimmerdecke herabhängt und ab und zu von seinem Freund, der alten Motte Frank, besucht wird. Eines Tages beschließt der Besitzer des Hauses alle seine Glühbirnen durch Energiesparlampen zu ersetzen. Daraufhin machen sich die beiden auf, Kevins lang ersehnten Traum zu verwirklichen: Einmal eine der bunten Glühbirnen zu sein, die den nahe gelegenen Jahrmarkt in ihrem Licht hell erstrahlen lassen. Kevin windet sich also mühevoll aus seinem gewohnten Platz an der Zimmerdecke und bezahlt dieses postwendend mit dem Verlust seiner Leuchtkraft. Doch trotz des erloschenen Lichtes folgt die treue Seele Frank seinem Freund und steht ihm während der ganzen Zeit zur Seite. Auf der Flucht durch den menschlichen Haushalt stellen sich die beiden den unterschiedlichsten Gefahren und die zwei Gefährten erleben das Abenteuer ihres Lebens. Eine warmherzige und gleichzeitig spannende Geschichte über eine Freundschaft, die tiefer geht als nur die oberfl ächliche Leuchtkraft.

Character-Design

Nachdem die Grundzüge der Handlung feststanden, entwickelte das Team alle mitwirkenden Charaktere. Angefangen von einem passenden Namen und dem äußeren Erscheinungsbild, bis hin zu Merkmalen und besonderen Eigenschaften, wurde für jeden Charakter eine eigene Lebensgeschichte entwickelt. Dabei gingen die entwickelten Beschreibungen weit darüber hinaus, was letztlich im Film zu sehen ist. Dieser Vorgang war dennoch ein notwendiger Schritt, denn es stellte sich sehr schnell heraus, dass je genauer die Eigenschaften des Charakters ausgearbeitet waren, sich die beiden Studenten desto besser in die Rolle der Figur hineinversetzen und sie umsetzen konnten. Das ausgiebige Kreieren von komplett durchdachten Filmfi guren nahm zwar viel Zeit in Anspruch, machte aber dennoch großen Spaß. Kevin die Glühbirne stellte dabei eine große Herausforderung dar: Wie kann man einem technischen, starren Gegenstand Leben einhauchen und ihm eine Persönlichkeit verleihen? Liebenswürdig und naiv wird Kevin dargestellt, etwas unerfahren, aber trotzdem neugierig, und so macht er sich mutig auf die Flucht vor dem Besitzer des Hauses. Zunächst war angedacht, den Eigentümer des Hauses nicht im Film zu zeigen, da es den beiden Studenten sehr wichtig war, die Geschichte der Glühbirne mit seinem fl atternden Freund von der realen menschlichen Welt zu trennen. Später wurde ihm jedoch eine sehr zurückhaltende Nebenrolle zugeteilt, um das Verständnis der Handlung zu unterstützen.

Sets

Parallel zur Entwicklung der Charaktere entwarfen Thomas und Michael eine Vielzahl an Sets, in denen jeweils Close-up-Aufnahmen mit sehr vielen Details sowie Super-Totale- Einstellungen möglich sein mussten. In dem jeweiligen Set wurde mit vielen gewöhnlichen und sehr zeitgemäßen Alltagsgegenständen und Haushaltsgeräten gespielt, so dass diese aus der Sicht der kleinen Charaktere eine besondere Wirkung erhielten. Die Spielorte innerhalb des Hauses greifen das Thema Umbruch auf, es wird gezeigt, wie im Rahmen einer Renovierung Altes gegen Neues ausgetauscht wird. Bei der Set-Gestaltung musste darauf geachtet werden, dass die Anzahl der Polygone im performanten Bereich bleibt, was unter anderem durch den Einsatz von Proxy- Objekten gewährleistet werden konnte. Die Anwendung von referenzierten Elementen stellte sich als sehr praktikabel heraus. Auf der einen Seite konnten beide Studenten parallel an den Sets arbeiten und auf der anderen Seite wurden alle Änderungen in sämtlichen Szenen automatisch aktualisiert.

Preproduction

Als die Sets soweit feststanden, integrierte das Team alle Charaktere und erstellte ein erstes 3D-Animatic, das einem Testpublikum vorgeführt wurde. Als Ergebnis des Screenings mussten noch einige Passagen überarbeitet werden, da diese noch nicht ganz verständlich waren. Zum Abschluss der Pre-Visualisierungsphase wurde noch eine genaue Einteilung der Shots in Akte und Szenen erstellt, um bei der Vielzahl an Einstellungen während der Produktion mit Hilfe eines Projektplanes den Überblick zu behalten. Ab diesem Zeitpunkt konnte direkt mit der Umsetzung begonnen werden. Ein Großteil der 3D-Produktion fertigte das Team in Maya an, Softimage kam unterstützend zum Einsatz.

Rigging und Animation

Während der Ausarbeitung stellte sich heraus, dass Kevin nicht nur in der Entwurfphase eine Besonderheit war, sondern auch das Riggen der Glühbirne sich als eine ganz spezielle Herausforderung entpuppte. Dank seiner Anatomie musste er die spannende Kombination von sowohl technischen als auch organischen Eigenschaften in der Animation erhalten. Das Hair-System von Maya fand hierbei einen ungewöhnlichen Einsatz im Kabel der Glühbirne, welches eine natürliche Bewegung simulierte und ein manuelles Eingreifen jederzeit ermöglichte. Im Prozess des Animierens arbeiteten die beiden Studenten an einigen Stellen vorab mit dynamischen Simulationen, um diese als Referenz für die folgende Animationsarbeit zu verwenden. Dass Kevin am Schluss so leichtfertig und realistisch die Treppe hinunterpurzelt, hat er somit seinem Simulations-Dummy zu verdanken. Im weiteren Produktionsverlauf sind an vielen Stellen Expressions eingesetzt worden, um die Vorgänge beim Animieren zu vereinfachen, so wurde zum Beispiel der Flügelschlag der Motte über eine Sinusfunktion definiert.

Look und Shading

Genau wie bei der Entwicklung der Charaktere, steckte das Team auch sehr viel Liebe in den Entwurf und die Umsetzung des Looks. Die Sets wurden mit unzähligen kleinen Feinheiten versehen. Logos an den Geräten sowie kleine Notizzettel sollen der ganzen Umgebung einen hohen Detailgrad verleihen. Da sich die Filmwohnung in der Renovierungsphase befi ndet, musste das Shading der einzelnen Gegenstände darauf abgestimmt werden. Schmutz und Gebrauchsspuren waren essenziell, um ein glaubwürdiges Szenario zu kreieren. Häufig wurde die Materialität eines Gegenstandes über prozedurale Shader gelöst. Dies war sehr praktisch, denn somit blieb den Studenten das oftmals aufwendige Abwickeln eines Gegenstandes für ein korrektes UV-Layout erspart.

Licht

 Als Lichtquelle kam als natürliche Beleuchtung nur Tageslicht in Frage. Abgesehen von den story-relevanten Lichtquellen, wie Kevin und dem Jahrmarkt, hätte jedes weitere künstliche Licht unnötige Fragen aufgeworfen. So musste auf andere Lampen oder Lichter innerhalb des Haushaltes komplett verzichtet werden. Als Renderer wurde Mental Ray mit seinem integrierten Physical Sun&Sky-System verwendet, welches in Kombination mit Final Gathering (FG) die indirekte Beleuchtung erzeugte. Um die Renderzeit hierbei im Rahmen zu halten und dem typischen FG-Flickern vorzubeugen, wurden in problematischen Einstellungen jeweils FG-Maps für die Hintergründe erstellt. Zusätzlich setzten die Studenten durchgehend Raytraced Shadows ein, welche ein deutlich realistischeres Ergebnis erzeugten. Außerdem waren sie nötig, um Schattenwürfe an kritischen Stellen, wie durch das Glühbirnenglas hindurch, überhaupt möglich zu machen. Damit Kevin am Ende des Filmes in seinem Riesenrad hell erstrahlen kann, spielt die Geschichte zeitlich gegen Abend. Die dämmerige Umgebung bildet den optimalen Kontrast zu den leuchtenden Glühbirnen. Als großes Problem bei der Beleuchtung zeigten sich die giftgrün leuchtenden LEDs. Basierend darauf, dass die Animation der zahlreichen LEDs auf einem modifi zierten Partikel-System beruhte, stellte sich schnell heraus, dass es keine Möglichkeit gab, Lichtquellen in Maya zu instanzieren. Erste Versuche, dies über die Fähigkeiten von Final Gathering zu lösen, also indirektes Licht von Materialien emittieren zu lassen, scheiterten anhand von starkem FGFlickern in der Animation. Erst mit Hilfe eigener Skripte konnte das Particle-System von Maya dann so erweitert werden, dass Lichter und LEDs in der Crowd- Simulation einsetzbar waren.

Rendering

Der wohl kräftezehrendste Teil für die Studenten während der Umsetzung war das Rendering. Es mussten über 14.000 Frames für 9:30 Minuten Film gerendert werden, wobei die Renderzeiten auf einem 8-Core-Rechner zwischen 3 und 20 Minuten pro Frame variierten. Um diese Menge in einer angemessenen Zeit bewältigen zu können, wurde die gesamte Rechenpower der Fakultät Design in Nürnberg mobilisiert. Damit uneingeschränkt die komplette Rechenleistung genutzt werden konnte, verlagerten die beiden Studenten ihre Arbeitszeiten in die Nacht.

Compositing

 Parallel zum Rendering wurden die fertig gerenderten Bildsequenzen direkt in After Effects eingespeist und weiterverarbeitet. Dies hatte den Vorteil, dass sogleich Fehlerquellen und Problematiken gesichtet und behoben werden konnten. Im Workfl ow stellte sich hierbei OpenEXR als das fl exibelste Dateiformat heraus. Die Möglichkeit 16 bit an Farbinformationen zu nutzen, konnte nachträglich zur Beeinfl ussung der Belichtung genutzt werden. Darüber hinaus war es möglich, eine große Anzahl an Passes innerhalb einer Datei zu speichern. Die Brechung und Spiegelung des Glühbirnenglases ist ein gutes Beispiel dafür. Hier mussten noch zusätzliche Passes gerendert werden, um einerseits den gewünschten Look zu erzielen und andererseits technische Probleme in den Griff zu bekommen. Gestaltungsmittel wie Motion Blur und Tiefenschärfe wurden ebenfalls in die Postproduktion ausgelagert, was sich als die praktikabelste und fl exibelste Arbeitsmethode herausstellte. Volumetrische Effekte, wie zum Beispiel Staub und Dunst, wurden aus dem gleichen Grund ebenfalls in After Effects erstellt und per Kamera-Export aus Maya im Raum positioniert. Lichter wurden verstärkt und ergänzt, um die gewünschte Atmosphäre gezielt und fein abzustimmen. Nur Kevin verlangte auch hier wieder eine kleine Sonderbehandlung. Eine leuchtende Glühbirne als Charakter zu „filmen“, ohne dass helle Stellen ausbrechen beziehungsweise die Mimik unkenntlich wird, ist keine leichte Aufgabe.

Das Team

Für das Titeldesign, die Musik und die vielen Sounds und Geräusche des Films holten sich Michael Haas und Thomas Schienagel Unterstützung von Sebastian Franz (Titeldesign), Simon Scharf (Musik) und Stefan J. Wühr (Sound-Design). Die Filmmusik wurde von Simon Scharf genretypisch für ein großes Sinfonie orchester komponiert. Letzteres musste mangels Verfügbarkeit natürlich aus dem Rechner kommen. Im Tonstudio der Musikhochschule Nürnberg stehen hierfür Cubase und mehrere Sample-Libraries zur Verfügung. Die Filmmusik arbeitet mit mehreren Leitmotiven für die verschiedenen Charaktere und Szenarien. Eine Besonderheit war dabei sicherlich die Aufgabe, anhand von Midi-Klängen und Samples einen authentischen und professionellen Orchesterklang zu generieren. Real aufgenommen wurden lediglich eine Flötistin und sechs Blechbläser. Für diesen Part haben sich Simon Scharfs Kommilitonen von der Musikhochschule Nürnberg zur Verfügung gestellt.

Sound

Das Sounddesign von Stefan J. Wühr barg auch einige Herausforderungen. Schwierig war, die Stimmen für die beiden Hauptcharaktere zu fi nden. Motte Frank musste hektisch fl attern und sprechen können, da er die treibende Kraft der beiden verkörpert und Kevin immer wieder auf die Sprünge hilft. Als Flattergeräusch diente ein geschütteltes Bettlaken als Foley-Grundlage. Gepitched und mit Equalizer versehen wurde es zum fi nalen Geräusch getrimmt. Das insektenartige Zirpen ist tatsächlich ein gepitchter exotischer Vo gel. Kevin sollte eher zurückhaltend und vorsichtig klingen. Hier wurde das Foley-Geräusch einer in die Fassung gedrehten Glühbirne verwendet. Durch das Rein- und Rausdrehen entstand so ein niedliches Quietschen. Für die Welt unterhalb des Schreibtisches wurden zahlreiche elektronische Sound- Atmos verwendet. wie Rechnersurren, Modemsignal et cetera, um so einen vermeintlich elektronischen, unheimlich anmutenden Dschungel hörbar zu machen. Die Heerschar unzähliger spinnenhafter LEDs musste gewaltig und bedrohlich klingen. Hier wurden die einzelnen Schritte der LEDs gedoppelt und zusätzlich an den dramatischen Szenen mit Stampede (Kuhherdengetrampel) ergänzt. Das Sounddesign zu „Durchgebrannt” war aufwendiger als anfangs gedacht, denn der komplette Mix musste mit seiner Vielzahl an Geräuschen und Stimmen über die gesamte Länge hinweg eine Konstanz aufweisen.

Ausblick

Derzeit arbeiten beide Studenten an ihren Diplomarbeiten, die sie im Juli 2012 abschließen werden. Mit dem Animationsfi lm „Durchgebrannt“ haben sie schon ordentlich vorgelegt, man darf also auf ihre Abschlusswerke sehr gespannt sein. Mit „Durchgebrannt“ hat das Team aktuell einen großen Erfolg erzielt. Ihr Werk wurde von einer hochkarätigen Jury in Berlin in die Auswahl des Kurzfi lmprogramms „Next Generation Short Tiger 2012“ aufgenommen (www.german-fi lms.de). Somit wurde die kleine Glühbirne aus 77 Filmen von 22 Hochschulen und 51 weiteren Einreichungen ausgewählt. Am 20. Mai wird das Programm seine Premiere in Cannes feiern, danach auch unter anderem in Madrid, Paris, New York und Wiesbaden zu sehen sein.

Hier geht es zur Webseite des Studiengangs "Film & Animation" an der Hochschule Georg Simon Ohm.

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