Cinema 4D Release 19: Aufbruch an mehreren Fronten

In der neuesten Iteration gewährt uns Cinema 4D einen kleinen Blick in die Zukunft. Vieles tut sich dort eher im Verborgenen, wie z.B. die Arbeit an einem neuen Core, also am Herzstück der Software. An anderer Stelle werden Veränderungen deutlicher sichtbar, wie z.B. bei der Integration eines neuen GPU-basierten Renderers oder der Erweiterung der MoGraph-und OpenGL-Fähigkeiten.
Cinema 4D Release 19: Aufbruch an mehreren Fronten

Für normale Nutzer eher im Verborgenen arbeitet der Core einer Software die Funktionsaufrufe ab. Dies können Modellierfunktionen, Renderalgorithmen oder auch Import- und Exportfunktionalitäten sein. Nun könnte man meinen, wenn diese Funktionen einmal programmiert wurden, können sie bis in alle Ewigkeit so bleiben. Dem ist leider nicht so. Sicherlich erinnern sich einige Nutzer anderer 3D-Pakete noch schmerzlich daran, wie zögerlich teilweise der Übergang zwischen 32 Bit und 64 Bit vollzogen wurde oder wie groß der Frust werden kann, wenn Funktionen nicht in der Lage sind, alle Prozessorkerne auszulasten. Der Core hat jedoch nicht nur großen Einfluss auf die Performance einer Software, sondern auch auf ihr Wachstumspotenzial. Ein flexibel und modern programmierter Core erleichtert die Implementierung neuer Funktionen, die Portierung auf verschiedene Hardwareplattformen sowie allgemein die Pflege der Software. Die Aktualisierung des Cores ist also eine Investition in die Zukunft einer Software.

Ein Schwerpunkt der Neuerungen liegt im Bereich OpenGL. So lassen sich mittlerweile
bereits DOF- und diverse Spiegelungseffekte derart gut simulieren, dass in einigen Fällen
ein Rendering überflüssig werden könnte.
Ein überarbeitetes Polygon-Reduzierungswerkzeug bietet noch schnellere Ergebnisse und
kann dabei auch bereits vorhandene UV-Koordinaten und offene Polygonränder erhalten.

Aufgrund der Komplexität einer über die Jahre gewachsenen Software wie Cinema 4D ist so eine Aufgabe jedoch nicht über Nacht oder mit einem Update zu stemmen. Es wurde daher bereits in vergangenen Updates damit begonnen, Teile des Cores zu ersetzen. Release 19 setzt dies in Bereich des Modeling Cores und vor allem bei den für das Dateihandling zuständigen Programmteilen fort. Dadurch werden nun erstmals Veränderungen sichtbar, die den User betreffen.

Feature-Wegweiser

Wie gleich im Anschluss noch deutlich wird, sind die zahlreichen Neuerungen über die gesamte Software verstreut anzutreffen. Wer anfangs gezielt nach den Neuerungen sucht, um sich möglichst schnell mit ihnen anfreunden zu können, kann sich ab sofort auf ein Highlight Feature verlassen, eine farbige Hervorhebung von Icons, Menüeinträgen und Parameternamen, wo auch immer sich Neues versteckt hat. Wurde eine neue Funktion mindestens fünf Mal aufgerufen verschwindet die Hervorhebung. Über die Programmvoreinstellungen lässt sich dieses Ausblenden jedoch unterbinden sowie auch gänzlich auf Hervorhebungen verzichten. Zur Wahl stehen zudem auch die Neuerungen in Release 18 oder gar Optionen zum Laden eigener Hervorhebungen. Dies könnte z.B. auch für Plug-in-Entwickler nützlich sein, die ihre Kunden auf Neuerungen nach einem Update hinweisen möchten.

Höher, schneller, weiter

Das Bitmap-Dateihandling wurde komplett überarbeitet und bietet dadurch neben dem schnelleren Laden von Bildern, Bildsequenzen oder Videos auch einige neue Formate bzw. erweiterte Optionen bei den bereits bekannten Dateiformaten. So lassen sich .tiff-Bilder z.B. ab sofort auch verlustbehaftet oder verlustfrei komprimiert sichern. Beim Laden werden in Videos integrierte Alphakanäle korrekt erkannt sowie CMYK- und YUV-Profile fortan korrekt interpretiert. Nicht quadratische Pixelseitenverhältnisse können mit Bitmaps gesichert und von dort auch wieder geladen werden. Dies betrifft auch das Speichern von Renderings aus dem Bildmanager heraus. Bereits geladenen Texturen kann auch nachträglich noch ein individuelles Farbprofil zugewiesen werden.
Einige Dateiformate, wie u.a. .tiff, OpenEXR oder .dds unterstützen ab sofort Multi-Pages, ein noch aus dem Fax-Zeitalter stammendes Verfahren, um mehrere Seiten bzw. Bilder innerhalb einer einzelnen Datei ablegen zu können. Externe Hilfetools wie IrfanView (für Windows, www.irfanview.com) oder GraphicConverter (für Mac, www.lemkesoft.de) ermöglichen die Erstellung solcher Dateien z.B. aus mehrseitigen .pdf-Dokumenten. An neuen Formaten stehen ICO (Windows Icon), CUR (Windows Cursor) und MPO zur Verfügung. Das zuvor nur lesbare .dds-Format kann nun auch geschrieben werden.
Kleine aber feine Ergänzungen gibt es auch bei bereits länger verfügbaren 3D-Dateiformaten. So lassen sich vor dem Export in das .fbx-Format Objektselektionen erstellen, um nur bestimmte Teile eines Projekts speichern zu können. Dabei können wahlweise globale Koordinaten statt der lokalen Werte verwendet werden. Sind namensgleiche Objekte in einer .obj-Szene enthalten, lassen sich diese beim Import automatisch zu einer Geometrie verschweißen.

Die Mograph-Voronoi-Bruchstücke lassen sich nun anhand verschiedener Vorgaben zu Gruppen
zusammenfassen, um noch komplexere bzw. natürlicher wirkende Formen zu erzeugen.
Dabei können Noise-Überlagerungen per Displacement für zusätzliche Variationen sorgen.
Beim Mograph-Voronoi-Bruch-Objekt ermöglichen neue Optionen das Füllen der Lücken
zwischen den Bruchstücken mit separater Geometrie. Diese lässt sich wahlweise für das
Volumen des Objekts oder auch nur für dessen Oberfläche aktivieren.
Voronoi-Bruchstücke können entlang einer beliebigen Raumachse verzerrt werden,
was z.B. die Darstellung von splitterndem Holz erleichtert.

Die interessantesten Neuerungen bringt jedoch sicherlich das Alembic-Format mit sich. Sind in einer Datei nur Pakete für jedes Frame enthalten, ermöglicht eine neue Option die Interpolation von Zwischenbildern, um beim Rendern auch Motion Blur korrekt darstellen zu können. Informationen, wie z.B. Geschwindigkeiten, Farben oder andere Vektoren, die aus dem Alembic-File heraus bislang nicht direkt von Cinema 4D interpretiert werden konnten, lassen sich als Vertex Map Tags importieren, um bei der Weitergabe an Drittprogramme nicht verloren zu gehen.
Besonders interessant ist jedoch eine neue Option, um über Morphing animierte Objekte, also Alembic-Animationen, bei denen die Punktanzahl und Punktreihenfolge eines Objekts konstant bleibt, in normale Polygon-Objekte umwandeln zu können, ohne dass die Verbindung zum Alembic-File verloren geht. Die Verbindung wird durch ein neues Alembic-Tag gehalten. Daraus ergeben sich spannende neue Optionen. So lässt sich eine solche Animation z.B. sehr einfach auf beliebige Polygon-Objekte mit gleicher Punktanzahl übertragen. Zudem können gewohnte Polygon-Selektionen oder Vertex Maps angelegt werden, um z.B. die Zuweisung von Materialien, Simulationen oder Deformationen zu erleichtern.

Heiße Abkürzungen

Sogenannte Hotkeys erleichtern die tägliche Arbeit, da sie in der Regel Mauswege oder Mausklicks einsparen. Cinema 4D macht von jeher besonderen Gebrauch von Shift, Alt und Ctrl beim Anlegen von Selektionen, dem Umschalten von Ansichten oder dem Gruppieren von Objekten im Objektmanager. Nun kommen weitere Kombinationen hinzu, die beim Aufruf eines neuen Objekts ausgewertet werden. So führt z.B. das Halten von Shift+Alt dazu, dass allen selektierten Objekten eine Kopie des aufgerufenen Objekts untergeordnet wird – sehr handlich bei der Zuweisung von Deformatoren an mehrere Objekte gleichzeitig. Mit Alt+Ctrl wird das aufgerufene Objekt automatisch oberstes Parent-Objekt einer Gruppe aus den selektierten Objekten. So lassen sich dann z.B. direkt mehrere Splines unter einem neuen Extrude- oder Loft-Objekt eingruppieren. Ctrl bzw. Shift+Ctrl erstellt direkt eine der aktuellen Objekt­selektion angepasste Anzahl an Kopien des neu aufgerufenen Objekts und ordnen diese jeweils über oder unter dem selektierten Objekten ein.

Richtungsweisend

Erste Veränderungen am Modeling-Core werden bereits an der Oberfläche von Release 19 sichtbar, so vor allem bei den Befehlen zum Ausrichten oder Umdrehen der Oberflächennormalen. Bislang taten sich diese Befehle etwas schwer beim Umgang mit N-Gons. So konnte es dabei z.B. zur Neuberechnung der innerhalb der N-Gons verwendeten Polygone kommen oder die Normale auf gekrümmten N-Gons wurde nicht korrekt errechnet. Diese Probleme gehören nun der Vergangenheit an. Ebenso wurden die Funktionen derart erweitert, dass optional auch die in Normalen-Tags gespeicherten Informationen damit aktualisiert werden können. Normalen-Tags entstehen z.B. regelmäßig beim Import von Daten aus CAD-Anwendungen.
Beim Ebenenschnitt-Werkzeug kann zudem jetzt auch eine gleichmäßige Anordnung von Schnitten entlang einer Objekt-, Welt- oder Kameraachse realisiert werden.

Weniger ist oft mehr

Photogrammetrie ist in aller Munde und zieht durch die Hintertür des Motion Trackers auch in Cinema 4D ein, wie wir gleich noch sehen werden. So faszinierend die so entstandenen Geometrien auch sein können, so komplex und oft unnötig dicht sind auch deren Meshes. Immer wenn sich keine Retopologie lohnt, da z.B. keine Deformation benötigt wird, reicht eine maßvolle Reduzierung der Polygondichte aus. Dafür stand bislang ein Deformator zur Verfügung. Dieser wurde in Release 19 durch einen Generator ersetzt, der mehrere Vorteile mit sich bringt. So lassen sich ab sofort auch mehrere Objekte gleichzeitig als Gruppe oder zu einer Geometrie verschmolzen reduzieren. Zudem wurde der Algorithmus derart modifiziert, dass in vielen Fällen nur eine Vorberechnung abgewartet werden muss. Ist diese beendet, kann über einen Stärkeregler oder über konkrete Vorgaben für die Anzahl an Punkten oder Polygonen die Intensität der Reduzierung in Echtzeit gesteuert werden. Wir sehen daher direkt bei der Veränderung dieser Werte ein Resultat, was den Prozess natürlich erheblich sympathischer macht.

Teilweise finden sich neue GUI-
Elemente in Cinema 4D wieder, wie
hier z.B. der komplett überarbeitete Sound-Effektor des Mograph-Moduls.

Ein weiteres Problem bei polygonreduzierten Scans ergibt sich bei der Betrachtung der UV-Koordinaten. Diese sind in der Regel in viele recht kleine Inseln aufgeteilt, je nach Anzahl der für den Scan verwendeten Fotos und Komplexität der Form. UV-Koordinaten lassen sich zwar auch auf die reduzierte Punktanzahl übertragen, dies führt jedoch oft zu verschmierten Texturen an den Rändern der ursprünglichen UV-Polygoninseln. Eine neue Option räumt auch dieses Problem aus dem Weg. Die ursprünglichen Punkte an den Rändern der UV-Inseln bleiben dabei auch nach der Reduzierung erhalten, und nur die innerhalb der UV-Inseln liegenden Bereiche werden gröber aufgeteilt.
Eine weitere Option stellt sicher, dass offene Ränder an Öffnungen oder Grenzkanten der Geometrie in ihrer Form erhalten bleiben. Eine viereckige Ebene behält dann auch nach der Reduzierung diese Außenform.

Rendern? Brauch ich nicht!

Wir alle wissen, wie nervig das Warten auf Bilder und vor allem Animationen während des Renderns sein kann. Jede Beschleunigung dieses Prozesses ist daher höchst willkommen. Dabei dürfen wir die Frage nicht ausblenden, ob Raytracing wirklich immer nötig ist. Sicherlich sind Flächenschatten, Caustics, Transluzenzen, Transparenzen mit Refraktionen und globale Illumination schön anzusehen, aber sie werden nicht bei jedem Projekt benötigt. Gerade wenn es um eher illustrative Darstellungen oder hauptsächlich simple Metall- und Kunststoffoberflächen geht, bietet die OpenGL-Darstellung durchaus Potenzial. Ein neidischer Blick zu aktuellen Game Engines zeigt, wie weit sich die Darstellungsqualität dort mittlerweile optimieren lässt. Der Unterschied zu gerenderten Ergebnissen fällt kaum noch auf, zumal wenn man bedenkt, dass wir es dort mit Echtzeitbildern zu tun haben. Natürlich steckt dahinter eine entsprechende Optimierung und Vorberechnung von Shadern und gebackenen Texturen, aber der Trend zu immer mehr VR, AR und Interaktivität lässt sowieso keine andere Wahl, als sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Der neu integrierte GPU-Renderer Radeon ProRender erlaubt erstmals in Cinema 4D eine
Bildberechnung mithilfe der eingebauten Grafikkarte. Es werden zwar längst noch nicht alle
gewohnten Features der nativen Renderer unterstützt. Für beschleunigte Testrenderings
im Editor reichen die Funktionen jedoch auf jeden Fall bereits aus.

Cinema 4D hat sich seit der letzten Version intensiver mit den Vorzügen einer hochwertigen OpenGL-Darstellung schon im Ansichtsfenster gewidmet und legt auch in Release 19 noch einmal ordentlich nach.Die für die Vorschau von Umgebungsspiegelungen geladenen Texturen lassen sich ab sofort global oder auch pro Material beliebig rotieren, um vor allem bei Standbildern die Lage der Reflexe optimieren zu können.
Besonders interessant wird es jedoch bei einem weiteren neuen Reflexions-Feature. Es lassen sich nun nämlich auch Spiegelungen zwischen Objekten direkt anzeigen. Hier muss jedoch mit einigen Einschränkungen gerechnet werden. Der Effekt beruht nämlich auf dem Screen Space, so wie wir es bereits von der Ambient-Occlusion-Vorschau im Ansichtsfenster kennen. Daher können nur die Oberflächen in Spiegelungen auftauchen, die auch direkt von der Kamera eingesehen werden können. Aus diesem Grund funktioniert der Effekt am besten bei flachem Betrachtungswinkel der spiegelnden Oberflächen. Zumindest für Produkt­shoots, die auf einem spiegelnden Boden präsentiert werden sollen, ist das jedoch kein Problem. Etwas einschränkender ist da schon der Hinweis, dass die Spiegelungen zwischen Objekten nur bei perfekten Oberflächen funktionieren. Rauigkeiten in der Reflektivität werden also nicht unterstützt. Die Verwendung von leichtem Bump kann jedoch helfen, die Perfektion der spiegelnden Oberflächen etwas aufzuweichen. Zusätzlich lässt sich ein Entfernungswert angeben, über den sich die Reflexionen weich auslaufend darstellen lassen.

Nach erfolgreicher Motion-Tracking-Berechnung lässt sich ab sofort auch eine 3D-Rekonstruktion aktivieren, die ähnlich wie bei gängigen Photogrammetrie-Tools Geometrie aus dem Tracking-Footage extrahieren kann.

Gänzlich neu in den Ansichtsfenstern ist die Darstellung von Schärfentiefe, bzw. Depth of Field (DOF). Auch dies verdanken wir den erweiterten OpenGL-Funktionen. Die Berechnung bezieht die Zielentfernung der Kamera ebenso mit ein wie die Blendeneinstellung und die Sensorgröße. Sogar verschiedene Blendenformen lassen sich für die Darstellung von Bokeh nutzen. Dieser Effekt ist zwar nicht physikalisch präzise, wirkt aber sehr natürlich und schafft auf Anhieb eine faszinierende Tiefe besonders bei Makroaufnahmen und effektvolleren Perspektiven.
Damit aus all dem tatsächlich eine Alternative zum normalen Raytracing werden kann, müssen die Ergebnisse natürlich auch gespeichert werden können. Dies funktioniert seit jeher mit dem Hardware-OpenGL-Renderer. Dieser unterstützt ab sofort auch alle neuen Effekte und Verbesserungen aus den Ansichtsfenstern. Zudem bekommt er eine zusätzliche Qualitätseinstellung spendiert, die z.B. Transparenzen und Spiegelungen hochwertig glätten kann. Sie ergänzt das weiterhin verfügbare Antialiasing, das für die Glättung der Objektkanten sorgt. Schließlich lassen sich die OpenGL-Darstellungen von Reflexionen und Tesselierung ab sofort auch per Darstellung-Tag pro Objekt ein- oder ausschalten.

„Seh ich’s nicht, brauch ich’s nicht.“

So ließe sich die aus Computerspielen bekannte Level- oder Detail-Funktion wohl umschreiben. Die Grafikkarte muss, wo es nur geht, von der permanent auf sie einströmenden Polygon- und Texturflut entlastet werden. Dafür bieten sich vor allem die Objekte an, die nur eine kleine Bildschirmfläche einnehmen. In der Regel sind dies weiter vom Betrachter entfernte Objekte oder natürlich Objekte, die aktuell gar nicht mehr von der Kamera gesehen werden. Tatsächlich bietet das neue LOD-Objekt eben diese Funktion an, wobei es nicht nur um das simple Umschalten von Sichtbarkeiten geht. Das LOD-Objekt kann ganze Gruppen von Objekten verwalten und bietet zahlreiche Optionen an, mit welchen Kriterien welche Eigenschaften der Objekte gesteuert werden sollen. So lässt sich z.B. automatisch die Polygonanzahl eines Objekts mit zunehmender Entfernung von der Kamera heruntersetzen oder die Qualitätsstufe der Darstellung im Editor reduzieren. Der sicher gängigste Nutzen wird darin bestehen, verschiedene Versionen eines Objekts zu erstellen und unter dem LOD-Objekt einzuordnen. Zuoberst kommt die detailreichste Version, darunter folgen beliebig viele vereinfachte Varianten. Anschließend muss ein Kriterium gewählt werden, das für das Umschalten verwendet werden soll. Dies kann sowohl manuell erfolgen, also z.B. über Keyframes oder XPresso, als auch automatisch durch Vergleich der Objektgröße mit der Bildschirmfläche oder dem Abstand des Objekts zur Kamera.
Eine weitere Alternative ist das schrittweise Hinzufügen von Objekten zu einem Modell. So können dann bei Annäherung nach und nach neue Bauteile erscheinen, ohne dass es zu einem kompletten Umschalten zwischen verschiedenen Modellen kommt.
Innerhalb der Cinema-4D-Umgebung können LOD-Objekte z.B. als Mograph-Klone oder immer dann, wenn es um die Performance im Ansichtsfenster geht, eingesetzt werden. Auch für das Rendering kann dieser Effekt genutzt werden, dürfte dort jedoch nicht ganz so hilfreich sein, da sich durch die zusätzlichen Objekte in der Szene der Speicherbedarf zusätzlich erhöht, ohne unmittelbar eine bessere Darstellungsqualität zu bringen. Jedoch können die LOD-Objekte und Einstellungen direkt an Game-Engines oder auch andere 3D-Pakete wie Maya übergeben und dort weiter genutzt werden.

Rundumblick

Eine kleine aber feine Erweiterung an der Kamera ermöglicht nun auch das Rendern von Vollsphären, Domen oder Teilsphären. Vollsphärische Abbildungen einer Umgebung lassen sich für das Backen einer Umgebungstextur oder eines HDRIs nutzen. Noch häufiger wird jedoch sicherlich der Einsatz in VR-Anwendungen sein, wobei sowohl Standbilder, Animationen als auch stereoskopische Renderings erstellt werden können. Ein interaktiver Player für derartige Bilder oder Videos steht in Cinema 4D zwar nicht zur Verfügung, aber Videoplattformen wie YouTube oder soziale Netzwerke wie Facebook bieten schon länger kostenfreie Player an, über die sich zumindest das gerenderte Material kontrollieren lässt.

Charakterpflege

Die Character-Animation kann schon eine nervenaufreibende Sache sein, vor allem wenn sich die deformierte Geometrie in den Gelenken nicht natürlich genug verformt. Gerade Hüften und Schultern bereiten beim Wichten häufig Kopfschmerzen. Ein neuer PSD-Modus des Pose-Morph-Tags schafft hier Abhilfe.
Nach Zuweisung des Tags bringen Sie dazu das Rig in eine typische, kritische Stellung, bei der sich z.B. an der Schulter unschöne Verformungen zeigen. Korrigieren Sie diese anschließend z.B. mit dem Pinsel-Werkzeug. Das Pose-Morph-Tag merkt sich dabei nicht nur die Veränderung an den Punktpositionen, sondern auch die Stellung der Joints, die Einfluss auf diese Punkte haben. Nach dem Umschalten des Tags in den Animationsmodus wird das Modell fortan die korrigierte Form zeigen, wann immer sich die Joints in die gemerkte Stellung bewegen – natürlich mit entsprechend weichen Übergängen zur ursprünglichen Form.
Auch bei den bekannten Wichtungswerkzeugen gibt es Neues zu vermelden. Die Trennung zwischen dem Wichtungsmanager einerseits und dem Wichtungs-Tag samt Wichtungswerkzeug andererseits ist noch strikter vollzogen worden. Die Auflistung von gewichteten Joints ist daher aus dem Tag entfernt worden, was sicherlich anfangs ungewohnt erscheint. Durch direkten Rechtsklick mit aktivem Wichtungswerkzeug auf das Mesh öffnet sich nun jedoch ein Submenü, über das sich die zu wichtenden Joints auswählen lassen.
Damit die oft aufwendige Arbeit an den Wichtungen auf das Nötigste beschränkt werden kann, wurde das Spiegelungswerkzeug mit Funktionen aus dem Wichtungsmanager erweitert. Die Erkennung von gespiegelten Jointhierarchien und symmetrischen Punkten für die Zuweisung der Wichtungen wurde dadurch erheblich verbessert.

Kurz und Klein

Sicherlich ein Highlight von Release 19 ist die Erweiterung der Voronoi-Bruch-Funktion, mit der beliebige Objekte in Bruchstücke zerlegt werden können. Neue Modi erlauben so, die Lücken zwischen Fragmenten mit Geometrie zu füllen und dafür die eigentlichen Fragmente auszublenden. Hieraus resultiert eine Netzstruktur, die das Objekt entweder dreidimensional durchziehen oder auch nur dessen Oberfläche bedecken kann. Die Voronoi-Struktur der Oberfläche lässt sich zudem mit einer Extrudierung verdicken.
Ganz neue Bruchstückformen werden dadurch möglich, dass sich die Skalierung der Bruchzellen entlang einer beliebigen Achsenrichtung skalieren lässt. Hierdurch lassen sich z.B. die typischen Splitzer von berstendem Holz darstellen.
Darüber hinaus können die bislang glatten Seiten der Bruchstücke mit diversen Noise-Funktionen derart verformt werden, dass sie natürlichen Materialien entsprechen.
Diese Verformung kann auch auf den Verlauf der Bruchkanten und sogar auf die Oberfläche des berstenden Objekts ausgeweitet werden. Über eine Kurve lässt sich die Intensität dieser Verformung zwischen der Oberfläche und dem Kern des Objekts z.B. weich auslaufend gestalten.
Um die Verteilung und Größe der Bruchstücke weiter beeinflussen zu können, wurden zahlreiche neue Optionen hinzugefügt. So können z.B. Bereiche mit Polygon-Objekten oder Falloff-Objekten markiert werden, in denen Fragmente verschmolzen werden sollen. Alternativ hierzu kann eine fixe Anzahl an Fragmenten vorgegeben werden, oder aber es werden jeweils die Bruchstücke miteinander verklebt, die eine gewisse Nähe zueinander unterschreiten. In jedem Fall resultieren daraus neue Bruchstückformen, die deutlich von der typischen Voronoi-Bruchform abweichen können. Bekanntlich erhalten alle Bruchstücke eine interne Nummerierung, die z.B. über einen Schritt-Effektor ausgewertet werden kann. Diese Sortierung der Fragmente kann nun noch einfacher verändert werden, um z.B. entlang einer Achse zu verlaufen oder gar von der Distanz zu einem Objekt bzw. Spline abhängig zu sein.
Da Mograph-Klone und somit auch Fragmente oft in Verbindung mit Dynamics benutzt werden, sind auch hier Neuerungen am Voronoi-Bruch-Objekt zu finden. Die Bruchstücke lassen sich automatisch mit Konnektoren, Federn oder gar Motoren verknüpfen. Besonders die Kombination mit fixierten Konnektoren ist reizvoll, da sich so individuelle Bruchkräfte vorgeben lassen, ab denen die Bruchstücke ihre Verbindung verlieren. Das Zertrümmern eines Objekts beim Fall auf ein Kollisionsobjekt fällt dadurch noch realistischer aus, da sich vorrangig dort Bruchstücke und Risse zeigen, wo bei der Kollision die größten Kräfte auftreten.

Alles tanzt nach meiner Pfeife

Der Sound-Effektor wurde komplett überarbeitet und bietet neue grafische Benutzeroberflächen für die Verarbeitung und Darstellung von Frequenzen und Lautstärken. Es lassen sich beliebige Abschnitte des Frequenzbands mit Rahmen markieren und auslesen. Klone lassen sich so über Frequenzen einfärben, bewegen oder in ihrer Sichtbarkeit steuern. Vollständig neu ist eine Noise-Falloff-Funktion, die nun allen Effektoren zur Verfügung steht. Der Effekt ist ähnlich der Verwendung eines Zufall-Effektors, nur dass nun eben über den Falloff der Einflussbereich eines Effektors zufälliger gestaltet werden kann. Auch hier hilft ein neues GUI-Element direkt in den Ansichtsfenstern bei der Auswahl und Konfiguration des Noise-Falloffs.

Auf Schritt und Tritt

Der Motion Tracker und der Objekt-Tracker begleiten uns bereits seit einigen Versionen. Release 19 bringt auch in diesem Bereich Verbesserungen bei der Auswertung von Footage, indem sich fortan nicht nur der Helligkeitskontrast, sondern auch ein beliebiger Farbanteil für manuelle Tracks nutzen lässt. Die Form der für die Mustererkennung zuständigen Bereiche kann dabei auch kreisförmig angelegt werden – praktisch, wenn
z.B. Kugeln als Trackingmarkierungen verwendet wurden.
Richtig spannend wird es jedoch nach der Rekonstruktion der Kamerabewegung. Hier kann eine optionale Szenenrekonstruktion angeschlossen werden. Dabei werden die bereits zuvor platzierten Tracker und Kamerapositionen benutzt, um zusätzliche Punkte in den 3D-Raum zu projizieren, durch die die Bereiche zwischen den Trackern aufgefüllt werden. Die Verteilung und Dichte dieser Punktwolke kann fein gesteuert werden und legt den Grundstein für den letzten Berechnungsschritt, bei dem verbindende Polygone zwischen den Punkten erstellt werden. Kleine, losgelöste Punktgruppen lassen sich hierbei automatisch ignorieren, um ein möglichst rauschfreies und zusammenhängendes Modell zu erhalten. Da die generierte Punktwolke über ein Vertex-Farben-Tag die Färbung des Footage übernimmt, kann abschließend ein Vertex Shader verwendet werden, um auch das rekonstruierte Polygon-Objekt einzufärben. Alternativ hierzu kann natürlich auch das original Footage auf die Geometrie projiziert werden.
Die Qualität der rekonstruierten Geometrie hängt stark von der zuvor berechneten Kamerafahrt, sowie generell von der Ausleuchtung der abgebildeten Objekte als auch der Auflösung des Footage ab. Feine Strukturen lassen sich generell weniger gut erfassen. Gröbere Strukturen wie z.B. eine Felswand funktionieren jedoch erstaunlich gut. Die Qualität reicht aktuell noch nicht an die von externen Photogrammetrie-Lösungen heran, sollte jedoch für einfache Aufgaben bei der Rekonstruktion oder um eine aussagekräftige Vorlage für das Nachmodellieren zur Verfügung zu haben, völlig ausreichen.

Neuland und Ausblick

Bereits vor der Veröffentlichung von Release 19 wurde eine Neuerung publik gemacht: Die neue Render Engine ProRender ist in der Lage, auch die GPU zum Rendern zu verwenden. Ein Novum für Cinema 4D-Nutzer, von der Möglichkeit der Verwendung externer GPU-Renderer wie Octane oder Cycles einmal abgesehen.
ProRender befindet sich in fortlaufender Entwicklung durch Radeon, ist also kein durch Maxon selbst programmiertes Tool und ist daher auch für andere 3D-Applikationen verfügbar. Zudem ist dieser Renderer OpenCL-basiert, benötigt also nicht zwingend eine CUDA-fähige Grafikkarte. Klar ist, dass ProRender noch ein sehr junges Produkt ist, dessen Funktionsumfang noch nicht mit länger verfügbaren Renderern gleichziehen kann. Daher muss darauf hingewiesen werden, dass dieser Renderer noch nicht produktionstauglich ist und in der aktuellen Version keinesfalls dazu gedacht ist, die nativen Renderer von Cinema 4D zu ersetzen. Dennoch ist ProRender bereits in der aktuellen Version eine wertvolle Ergänzung, denn wir können ihn z.B. für schnelle Test­renderings im Ansichtsfenster nutzen oder natürlich auch für finale Renderings. Allerdings gibt es aktuell noch eine recht lange Liste an Einschränkungen zu beachten. So werden z.B. kaum native Cinema-4D-Shader unterstützt. Diese müssen daher zuvor gebacken werden, was von vornherein das Aus für Effekte wie SSS oder Dünnfilm bedeutet, die vom Blickwinkel auf die Oberfläche abhängen. Es gibt zudem Einschränkungen bei der Nutzung von Punkt- und Spotlichtquellen sowie bei diversen Posteffekten. Multi-Passes lassen sich ebenso nicht nutzen. Nur ein Alphakanal sowie eine Ambient-Occlusion-Lösung können gerendert werden.
Blenden wir diese Einschränkungen erst einmal aus, überraschen vor allem die sehr übersichtlichen Qualitätseinstellungen, die sich auf die Festlegung der Strahltiefe für die Reflektivitäts- und GI-Berechnung, die Qualität des Antialiasings sowie die Obergrenze der Iterationen beschränkt. Dies ist typisch für physikalisch basierte unbiased Renderer, die keinerlei Vereinfachungen oder Tricks verwenden, um möglichst kurze Renderzeiten zu erzielen. Stattdessen wird jedes Pixel immer mit der gleichen Präzision abgearbeitet (Brute Force). Da sich dieser Prozess rechnerisch sehr gut parallelisieren lässt, eignet sich ein derartiger Renderer besonders gut für die Abarbeitung auf Grafikkarten, die hunderte oder gar tausende von Rechenschritten parallel abarbeiten können. Deren Leistungsfähigkeit verbessert sich viel schneller als die von Prozessoren. Zudem ist es oft viel einfacher und kostengünstiger, die Leistungsfähigkeit des Rechners durch das Hinzufügen oder Austauschen von Grafikkarten zu verbessern. Einschränkend gilt jedoch zu beachten, dass für das Rendering die gesamte Szene in den Speicher der Grafikkarte passen muss. Dies kann z.B. bei komplexen Architekturprojekten noch zu einem Problem werden.
Um das Potenzial von ProRender voll auszureizen sollte darauf geachtet werden, dass der Maßstab der Objekte und der Szene realistisch angelegt wird sowie die Materialien und die Lichter realistische Eigenschaften haben. Release 19 bringt daher bereits ein neues physikalisches Material und eine physikalische Lichtquelle mit, die direkt als Basis dienen können. Bei beiden Elementen handelt es sich zwar nur um passend vordefinierte Standardmaterialien bzw. Flächen-Lichtquellen, aber es fallen dadurch typische Fehlerquellen bei der Texturierung und Ausleuchtung von Szenen weg.

Fazit

Release 19 bringt besonders in den Bereichen OpenGL, Mograph, beim Motion Tracker und der Optimierung von Projekten durch Polygonreduktion oder Level of Detail hilfreiche Erweiterungen. Der neue GPU-Renderer lädt zum Experimentieren ein und macht zukünftig physikalisch basiertes Rendering noch einfacher und mit entsprechender Hardware auch schneller. Einfachere Projekte können sicher bereits jetzt damit umgesetzt werden. Hauptsächlich bietet sich ProRender jedoch aktuell als interaktiver Renderer für schnelle Vorschauen im Ansichtsfenster an.
Ein großer Teil der Neuerungen bleibt jedoch aktuell noch verborgen. Die Arbeiten am neuen Core der Software werden jedoch bald schon Früchte tragen und sorgen für einen optimistischen Blick in die Zukunft von Cinema 4D.

Der Autor ist zertifizierter Maxon Instructor und bietet Coachings und individuelle Schulungen zu Cinema 4D an. Zudem ist er seit über zehn Jahren als Dienstleister für 3D-Visualisierungen und Plug-in-Entwicklungen tätig und hat diverse internationale Fachbücher veröffentlicht.

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