Making-of: Das Ink-Flow-Projekt

Wir wurden 2O16 mit der Umsetzung der „Ink-Flow Kampagne“ von der Agentur Publicis Life Brand Resolute (kurz: PLBR) beauftragt. PLBR ist eine Kreativ­agentur mit einem Fokus auf Health Care. Ziel der Kampagne ist es, Aufmerksamkeit für die neuen Behandlungsmethoden von Parkinsonpatienten zu schaffen, die zu mehr Lebensqualität für die Betroffenen führen.
Das Ink-Flow-Projekt
Das Ink-Flow-Projekt

Die Kampagne sollte sowohl in Bewegtbild als auch in einer Printversion umgesetzt werden. So wurden klassische Fotografie und Film in Verbindung mit CGI, Animation und VFX eingesetzt und daraus choreographische Animationen abgeleitet. Dabei verfolgten wir einen ästhetischen Anspruch, der sich in der technischen Umsetzung widerspiegelte. Das Projekt wurde in einem Zeitraum von acht Wochen umgesetzt, was für ein Projekt dieser Größenordnung, in dem sowohl mit einem High-Speed-Dreh als auch mit render-intensiven CGI und VFX gearbeitet wurde, unserer Erfahrung nach ein angemessener Zeitrahmen ist.
Die Leitung für die Projektumsetzung hatte unser Executive Creative Director Brendan Haley von unserem Londoner Produktionsteam. Darüber hinaus arbeiteten wir mit dem Fotografen Tristan Thompson, der für die Standaufnahmen verantwortlich war. Insgesamt waren acht unserer Artists mit an Board, die in Kooperation mit der Auftraggeberagentur PLBR und den Andy Knight Studios arbeiteten.

Story

Der Clip selbst zeigt verschiedenfarbige Tintenschlieren, die sich zu Beginn anscheinend willkürlich im Wasser bewegen. Nach und nach entwickeln sich daraus die Konturen zweier Menschen, die der Zuschauer dabei beobachtet, wie sie tanzen, in einen Zug einsteigen oder einkaufen gehen. Alles scheint sich im Fluss zu befinden und dennoch entsteht am Ende immer eine konkrete, menschliche Form, die für den Betrachter sofort zu erkennen ist.
Die Idee des Clips ist stark mit dem Hintergrund der Kampagne verknüpft, die die neuen Behandlungsmöglichkeiten für Parkinsonpatienten zeigt. Hierbei soll der Fluss der Tinte verbildlichen, wie die Medikation verabreicht wird: Während der Behandlung müssen die Patienten kontinuierlich eine Infusionspumpe tragen. Durch diese kann dann das Medikament nonstop in den Körper fließen. Genau das wird durch den Fluss der Tinte im Wasser dargestellt. Außerdem soll die neu gewonnene Lebensqualität, die durch diese Behandlungsmethode erreicht wird, hervorgehoben werden. So zeigt der Clip alltägliche Aktivitäten im Leben der Patienten, die sie neu genießen können, wie eben tanzen oder einkaufen.
Bei der Umsetzung der Idee wurde mit Tintenfarben gearbeitet, die sich an der Farb-Palette der Brand-CI orientierten. So wurden in Absprache mit dem Kunden die Farben blau, orange und magenta ausgewählt. Da für die Print-Anzeigen eine möglichst hohe Auflösung des Contents wichtig war, hatten wir uns entschieden, das notwendige Material mithilfe von Fotografie zu gewinnen. Doch vor dem eigentlichen Shooting sind wir in eine intensive Test- und Explorationsphase gegangen.

Test- und Explorationsphase

In dieser Phase haben wir eng mit den Andy Knight Studios zusammengearbeitet. Unser Ziel war es, den technischen und kreativen Anforderungen für den Live-Shoot gerecht zu werden.

Durch die Komplexität der Tintenbewegung im Wasser mussten wir bereits im Vorfeld die Parameter für Tintenkonsistenz und Tintenfluss definieren. Wir mussten also die richtige Tintenrezeptur finden. Wir haben beispielsweise wasserfeste und wasserlösliche Tinte oder Creme ausprobiert.
Bei jedem Versuch kamen unterschiedliche Effekte zum Vorschein, und wir konnten eine Vielfalt von Flüssen, die von fadenförmig über weich und wolkig bis zu auffallend gefärbt reichten, beobachten. Einige Tinten haben sich schnell zerstreut, während andere einfach auf den Boden des Tanks gesunken sind. Diese Vielfalt an Variationen zu erreichen und zu definieren war für den weiteren Verlauf des Projekts sehr wichtig. Denn nur so konnten wir einen möglichst großen Spielraum für unser Retusche-Team kreieren, das im Anschluss an das eigentliche Shooting die Animationen und die Print-Motive entwickeln sollte.

Für die Umsetzung des Projekts mussten wir außerdem die richtigen Requisiten zur Verfügung haben. Dazu gehörten Wassertanks, die maßgeschneidert wurden, sowie nach unseren Vorgaben angefertigte Spritzen und Tüllen für die Tinten. Erst durch die verschiedenen Spritzen und Tüllen war es uns möglich, die Tinte auf verschiedene Arten in das Wasser zu geben. Mal injizierten wir sie in das Wasser, ein anderes Mal gaben wir sie direkt auf das Wasser und dann wiederum haben wir die Tinte durch das Wasser gezogen oder mit Strudeln gearbeitet. Dieser Teil der Produktion hat sich über insgesamt fünf Tage erstreckt.

Shooting & Retusche

Nach einer intensiven Phase der Vorbereitung konnten wir schließlich mit dem Shooting beginnen. Nach der Testphase hatten wir uns für den Dreh mit zwei verschieden großen, maßgeschneiderten Tanks entschieden. Das hatte vornehmlich zwei Gründe: Zum einen mussten die Tanks während des Drehs nach jeder Einstellung geleert und ausgewaschen werden, da das Wasser durch die Tinte trüb geworden war.
Zwei Tanks ermöglichten für den Dreh also einen effizienteren Prozess in einem knappen Zeitrahmen. Aber auch die verschiedenen Größen der Tanks waren entscheidend. Neben der Effizienz boten sie uns die kreativen Möglichkeiten während des Drehs.
Das Timing war beim Dreh mit den Tanks ein entscheidender Faktor: Tinte verteilt sich schnell und der visuell interessante Teil sind hierbei die ersten 5-10 Zentimeter ab der Oberfläche, bevor die Tinte anfängt sich zu zerstreuen, und das Wasser trübt. Es war also entscheidend, die Tintenbewegungen innerhalb dieses Zeitfensters optimal einzufangen.
Gleichzeitig war auch unser Retusche-Team von Anfang an am Set. Bereits während des Shootings hat das Team visualisiert, wie die Falten und Formen der Tinte in die verschiedenen Silhouetten und Posen der Charaktere passen. Hierfür wurden die Farben und Texturen vorsichtig so bearbeitet, manipuliert und erstellt, dass letztendlich aus den Tintenflüssen die Geschichte zum Leben erweckt werden konnte.
Durch den High-Speed-Dreh haben wir das Bildmaterial gewonnen, auf dessen Grundlage wir die Figuren im CGI gebaut und anschließend animiert haben. Deshalb war es uns während des Drehs, der zwei Tage dauerte, ganz besonders wichtig, eine möglichst große Sammlung von Aufnahmen für die Nachbearbeitung für das CGI-Team zu sammeln. Gleichzeitig konnten wir auf diesem Weg auch eine Referenzsammlung für die spätere Replikation der Tintenbewegung anlegen.

Referenzsammlung und CGI

Die Referenzsammlung in Form von Videos erlaubte es unseren Artists, die Geschwindigkeit und Bewegung der Tinte zu analysieren, um diese im CGI Prozess anschließend rekonstruieren zu können. Schließlich haben wir das Setup, das wir praktisch für den Shoot genutzt hatten, digital eins zu eins kopiert und somit das real-life Setup digital repliziert. Im CG-Prozess wurde mit bestimmten Kräften in Bezug auf Dichte, Schwerkraft sowie verschiedenen mathematischen Werten gespielt und physikalische Wirkkräfte animiert, um die Eigenschaften der Tinte spielerisch zu übertreiben. Ein Beispiel dafür ist etwa ein nachbearbeiteter Tintenfluss, der quer über den Bildschirm verläuft, sich in Wirklichkeit aber nach wenigen Augenblicken einfach aufgelöst hätte.
Durch die Übertragung in CGI konnten wir die entscheidende kreative Kontrolle über das Projekt erlangen. Hierbei war unser anfängliches Print-Image unsere Vorlage, um die wir dann im Folgenden eine 3D-Geometrie bauten, um so die Silhouetten der Charaktere zu erstellen. Darauf aufbauend haben wir die physikalischen Parameter angewendet, die wir in der Forschungs- und Explorationsphase erarbeitet hatten. Das Filmmaterial wurde schließlich rückwärts in den Screen eingespielt.

Retusche mit Fume FX

Im Retusche-Prozess hat unser Team mit dem Tool Fume FX, Version 3, in 3ds Max gearbeitet. Fume FX ist ein Simulations-Plug-in-System, um komplexe, organische Zustände zu generieren. Darunter fallen beispielsweise Gase, Wolken, Strudel, Explosionen oder Feuer – also alle Zustände, die nur schwer zu visualisieren sind. Es handelt sich hierbei um ein verfahrensorientiertes System.
Das heißt, wir können bestimmte Regeln und Werte, von denen wir wollen, dass die Simulation sie abbildet, wie Farbe, Geschwindigkeit und Viskosität, bedienen. Fume FX benutzt Real-World-Physik, um finale Ergebnisse zu generieren. Dadurch ist es uns möglich, schneller, größere Simulationen zu erstellen, die eine beliebige Anzahl an komplexen Interaktionen mit anderen 3D-Geometrien eingehen können. Genau weil dieses Tool so viel Flexibilität und Schnelligkeit bietet, arbeiten wir damit oft an Projekten, bei denen eine realistische Darstellung gebraucht wird, wie hier bei dem Ink-Flow-Projekt.

Nach den R&D-Aktivitäten und dem Studium realer Filmmaterialen von Tinte wurden einige grundlegende Szenenskalen- und Fume-FX-Einstellungen vorgenommen, wie z.B. Advanced Advection (Felder und Gele) für pyroklastische Wolken. Auf Grundlage der R&D-Ergebnisse kamen wir zu dem Schluss, dass drei Methoden nötig waren, um die Sequenzen aus diesem Projekt zu erzeugen.
Eine davon waren die ersten abstrakten Farbspiralen der realistischen Tinte in Wasser – einfach ausgedrückt, Fume FX simulierte 3 bis 4 Emitter mit jeweils den Markenfarben. Viele Iterationen wurden mit leicht unterschiedlichen Einstellungen simuliert, um die Konsistenz und Bewegung richtig einzustellen und uns das gewünschte Aussehen zu geben. Nachdem wir mit den Simulationen zufrieden waren, konnten wir eine Kamera nehmen und sie dort platzieren, wo wir dachten, dass die Simulation cool aussehen würde – ein sehr kreativer Teil innerhalb dieses Prozesses. Nachdem die hochauflösenden Sims zur Simulation geschickt wurden, exportierten wir die folgenden Kanäle: Rauch, Farbe, Schnelligkeit, Detailgenauigkeit, wissend, dass wir die Extrapässe zur Nachbearbeitung brauchen würden.

Die zweite Methode haben wir „Formation“ genannt: Hierfür hatte uns die Retusche-Abteilung das letzte Retuschierbild dieses Projekts zur Verfügung gestellt. Dieses Bild zeigte uns, wie die Simulation am Ende aussehen sollte. Von unserer R&D-Abteilung wussten wir jedoch, dass sich Tinte im wirklichen Leben immer auf natürliche Weise auflöst und sich nie wirklich zu etwas formen würde, und Fume FX arbeitet ähnlich wie unter realen Lebensbedingungen. Wir ließen also die Simulation aus dem 2D-Bild des Druckbildes starten, indem wir einige Dämonen wie Gravit und Wind verwendeten, um die Verteilung zu kontrollieren. Die Idee war letztlich, die Simulation rückgängig zu machen. Eine einfache Technik, die uns kreative Möglichkeiten gab, war, die Sequenz zu verlangsamen oder zu beschleunigen. Wenn wir mehr Tinte in bestimmten Bereichen wollten, konnten wir sie einfach „einmalen“ und neu simulieren.
Tatsächlich war es so, dass wir, nachdem wir die erste der Formationssequenzen abgeschlossen hatten, die anderen Formationen nur eine Sache des Ersetzens des Emitter-Bildes durch ein anderes und Re-Simulation waren.
Die dritte Methode war im Wesentlichen identisch mit der Formationsfolge. Hier mussten wir nur die Richtung der Strömung ändern, da wir sie nicht umkehren wollten. Wir mussten die Dissipationskraft und Diffusion animieren, schließlich wurden diese mit der gleichen Kamera gerendert und zusammengesetzt, um einen nahtlosen Fluss zu erzeugen, wo die Tinte von der linken Seite des Bildschirms fließt, sie sich formt und dann nach rechts ableitet. Technisch gesehen sollte ich hinzufügen, dass Wavelet Turbulence verwendet wurde, um zusätzliche Details hinzuzufügen.

Hürden und Herausforderungen

Unseren größten Herausforderungen mussten wir uns noch vor dem eigentlichen Dreh stellen. Denn das richtige Rezept für die Tinte zu finden, hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Auf der Suche nach der richtigen Rezeptur haben wir dann letztendlich nicht nur mit Tinte, sondern auch mit Lebensmittelfarbe, Creme und auch Kombinationen aus den verschiedenen Flüssigkeiten gearbeitet. Eine weitere Hürde war das Einfügen der Tinte in den Tank.
Auch hier haben wir eine lange Testphase durchlaufen und verschiedenste Möglichkeiten durchgespielt, ob linear, vertikal oder wirbelförmig. Das war sehr wichtig, um unser Ziel zu erreichen, so viele Variationen wie möglich zur Auswahl zu haben, um so dem Retusche-Team eine größtmögliche Sammlung an Assets bereitzustellen.
Auch bei dem Versuch, die richtige Zähflüssigkeit der Tinte zu finden und zu testen, wie die Farben miteinander reagieren, wurde ein ganzes Toolkit an Tinte kreiert. Zu guter Letzt haben wir eine Kombination verschiedener Dinge genutzt, um die finalen Bilder und Animationen zu gestalten. Aus diesem Toolkit wurden auch einige Elemente verwendet, um später die Körper der Charaktere zu erstellen. Aus einigen der eher fein geformten Elementen wurden außerdem die Wolken kreiert und trübe Tanks wurden verwendet, um den Hintergrund der Bilder zu gestalten. Die Kombination verschiedener Elemente war hier der Schlüssel zum finalen Werk.
Weitere kritische Meilensteine in der Test- und Explorationsphase beinhalteten für uns auf jeden Fall die Definition der richtigen Tankgröße, das Testen der Materialen, die Requisiten, die Dicke der Einspritzdüsen und der Durchmesser der Spritzen.
Eine weitere Herausforderung war es, den Content für Print zu kreieren und gleichzeitig eine umfangreiche Sammlung für das CG-Team anzulegen, aus dem dann später die einzigartigen Formen und Geschichten der Animation entwickelt werden konnten. Ganz wichtig war hier sicherzustellen, dass alles, was digital erstellt wurde, in perfektem Einklang mit dem Material war, das in den Tanks kreiert wurde. Besonders das Erfassen der Referenzvideos war ein heikler und gleichzeitig entscheidender Schritt für uns, gerade weil diese die Basis für den weiteren Prozess bildeten. Konsistenz war letztlich der Schlüssel für das Gelingen dieser Produktion.

Fazit

Wie die oben beschriebenen Hürden im Ink-Flow-Projekt zeigen, ist die Analysephase und der Live-Shoot-Prozess, also die Simulationsphase wesentlich für die perfekte Übertragung in CGI.
Diese Vorarbeit wird häufig unterschätzt und ihr wird zu wenig Bedeutung beigemessen. Für einen erfolgreichen Workflow ist es allerdings immens wichtig, dass alle Parameter bekannt sind, die den Verlauf beeinflussen können. Dazu muss eine große Menge an Daten generiert werden, die dann alle Informationen, die benötigt werden, enthält. Wir haben deshalb ein extra Speichersystem geschaffen, das nur Simulationsdaten gewidmet ist.
Diese zeitintensive Vorarbeit zahlt sich im Umsetzungsprozess doppelt und dreifach durch Zeiteinsparung und hohe Effizienz im Workflow aus. Für Projekte dieser Art empfehlen wir, eine so detaillierte Simulation wie möglich im Vorfeld laufen zu lassen. Weiterhin sind für den Erfolg ein klares, technisches Setup und ein konsequenter Prozess entscheidend.

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