Lenovo Thinkstation P320 Tiny im Test

Mit der Thinkstation P32O Tiny hat Lenovo eine vollwertige Workstation inklusive Grafikkarte in ein Gehäusevolumen von gerade mal einem Liter gepresst. Ist das noch ein Arbeitsgerät oder nur eine nutzlose Machbarkeitsstudie?

Man mag kaum glauben, dass man da eine Workstation in der Hand halten soll. Die Lenovo Thinkstation P320 Tiny ist kaum größer als die CPU-Kühler der High-Performance-Workstations von DAX oder Xi Machines und mit knapp 1,3 Kilogramm auch nicht besonders schwer. Ein Blick auf die Vorder- und Rückseite offenbart ein reichhaltiges Schnittstellenangebot und die typische Lenovo-Thinkcentre-Gehäusefront – nur eben winzig klein. Die P320 Tiny meint es tatsächlich ernst.

Gehäuse

Klein bedeutet normalerweise filigran. Nicht so bei der P320 Tiny. Im dicken Stahlblech des Vesa-Montagerahmens verbaut, vermittelt das kleine, schwere Gehäuse den Eindruck von robuster Militärtechnik – fehlt nur noch das Tarnmuster. Der Power-Schalter und alle Buchsen sind versenkt, keine überstehenden Gegenstände können abbrechen oder beschädigt werden – es sei denn, Sie montieren die W-Lan-Antenne an der Rückseite des Gehäuses. Der Montagerahmen verfügt auf der Rückseite über zahlreiche Löcher, sodass es viele Möglichkeiten gibt, die P320 Tiny mithilfe von ein paar Schrauben sicher auf einer Spanplatte oder an einer Wand zu befestigen. Um die kompakten Abmessungen zu ermöglichen und das Innere des Gehäuses so kühl wie möglich zu halten, hat Lenovo das Netzteil der P320 Tiny ausgelagert.

Das bedeutet zwar weniger Integration, aber auch höhere Flexibilität bei Ausfällen, da extern nur ein Netzteil umgesteckt werden muss. Trotz des ausgelagerten Netzteils beschäftigt einen die Frage, wie CPU, GPU, RAM, SSD und so etwas wie ein Lüfter in dem Gehäuse Platz finden sollen, ohne dabei gemeinsam den Hitzetod zu sterben.

Ausstattung

Denn mit der Intel-i7-7700T-CPU, 16 Gbyte RAM-Speicher, 512 Gbyte im M.2-Slot und einer Nvidia Quadro P600 als Grafikkarte ist tatsächlich Hardware verbaut, der das Attribut Workstation zusteht. Auch die Möglichkeit, insgesamt 6 Displays über vier mini und zwei normale Displayports anzuschließen, klingt absolut nach Workstation. Über insgesamt sechs USB-3.0-Anschlüsse, zwei an der Vorderseite, vier an der Rückseite, können zudem externe Laufwerke, Video- / Audiohardware und spezielle Peripherie von Drittanbietern, etwa Messfühler oder Steuerelektronik, angeschlossen werden.
Leider fehlt der P320 Tiny an der Gehäusevorderseite, an der die Kühlluft angesaugt wird, ein auswaschbarer Staubfilter. Aufgrund des kleinen Gehäuses und der installierten Hardware kann man davon ausgehen, dass die Gehäuselüfter jede Menge Luft zur Kühlung durch das Gehäuse blasen müssen. Bei Montage in staubiger Umgebung ohne Staubfilter kann das Gehäuse bereits nach einiger Zeit mit Staub und Schmutz verdreckt sein, was dazu führt, dass Komponenten überhitzen und ausfallen können.
Aufgrund der exzellenten Möglichkeiten der Netzwerk- und Drahtlosanbindung der P320 Tiny – ab Werk gibt es Gigabit Lan, Bluetooth 4.1 und Intel 8265 Dual Band Wireless – sollte sich die P320 Tiny auch gut als Remote Unit, etwa zur Datenakquise im Freifeld oder an schwer zugänglichen Orten, einsetzen lassen. Besonders im Vesa-Montagerahmen verbaut vermittelt die P320 Tiny einen derart robusten Eindruck, dass man ihr zutraut, auch gröbere mechanische Belastungen zu überstehen.

Leistung

Schön, dass die Thinkstation P320 Tiny so klein ist, schön, dass sie so robust ist. So richtig schön wird eine Workstation aber erst durch Leistung. Und tatsächlich, mit 756 Punkten beim Cinebench 15 Multi-CPU-Test liegt sie 56 Punkte über dem von uns für Workstations völlig willkürlich definierten Schwellenwert von 700 Punkten und schlägt damit sogar noch die etwas betagte Intel Xeon E3 1505v6, die im Wacom Cintique Pro verbaut ist. Mit einer Renderzeit von 2:48 Minuten bewegt sich die P320 Tiny auch beim V-Ray CPU-Rendertest im Workstation-Territorium. Man kann von der Nvidia Quadro P600 keine Wunder erwarten, mit 44,77 Bildern beim OpenGL-Test von Cinebench 15 schlägt sie sich allerdings besser als vermutet. Der GPU-Rendertest von V-Ray kam leider nach wenigen Sekunden zum Stillstand, sodass wir hier keinen Wert ermitteln konnten.

Wie die meisten Workstations im Testfeld setzt auch die Lenovo P320 Tiny auf ein schnelles SSD-Modul im M.2-Slot. Mit einer Schreibrate von 1.431 und einer Leserate von 2.652 Mbyte pro Sekunde beim AJA-Systemtest in 4K-Full-Auflösung liegt sie absolut im Soll und dürfte weder Programme noch Datenübertragung behindern. Auch Windows 10 Professional scheint gut konfiguriert zu sein. Mit Latenzwerten von 139 Mikrosekunden landet sie auf Platz vier der Gesamtwertung. Echtzeitanwendungen im Bereich Audio und Video sollten also unterbrechungsfrei und flüssig laufen.

Wenn da nicht die Wärme wäre. Denn die Größe der Thinkstation P320 Tiny wird unter Last schnell zum thermischen Problem. Bereits beim AJA-Systemtest, der ja eigentlich nur die SSD testet, sprangen die Lüfter sofort und deutlich hörbar an. Bei den CPU-Benchmarks von Cinebench und V-Ray dauerte es nach dem Test einige Zeit, bis sich die Lüfter wieder beruhigt hatten. Unter synthetischer Last der CPU beim Aida-64-Stresstest lief die Lüftung bereits nach wenigen Sekunden auf voller Drehzahl, die Leistung der CPU wurde allerdings nicht gedrosselt. Erst beim kombinierten Stresstest von CPU, GPU, Speicher und SSD wurde die GPU nach etwa 5 Minuten um bis zu 28% gedrosselt. Trotzdem blieben die Temperaturwerte im Gehäuse und an der CPU im Normbereich, betrifft also nur die Grafikkarte und nur, wenn alle dicht im Gehäuse gepackten Komponenten zu 100% ausgelastet werden. In der Praxis kommen diese synthetisch erzeugten Lasten nur selten vor. Die P320 Tiny sollte also gut funktionieren, auch wenn man an heißen Tagen mit Einbußen bei der kombinierten CPU/GPU-Performance rechnen muss. Und man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass aufgrund der Gesetze der Thermodynamik klein, leicht, stabil, schnell und dann noch leise nicht in ein 1-Liter-Gehäuse passen kann. Wegen des Lüftergeräuschs ist die P320 Tiny nicht unbedingt für die Aufstellung in einem stillen Studio geeignet. Sobald aber ein paar Umgebungsgeräusche hinzukommen und sie nicht direkt am Arbeitsplatz aufgestellt ist, kann man damit leben.

Fazit

Mit der P320 Tiny hat Lenovo die Thinkstation-Familie um ein interessantes Mitglied erweitert. Man braucht die Mini-Workstation nur kurz in der Hand zu halten und schon kommen einem Ideen, was man mit ihr alles anfangen könnte. Die Anwendungsbereiche sind so vielfältig, wie die P320 Tiny klein ist. Etwa im Bereich Messe- / Werbetechnik, wo sich eine 6-Display-Wall mithilfe der P320 Tiny im Handumdrehen umsetzen lässt. Und sie verfügt über genügend Speicher und Power, um Medieninhalte selbst zu speichern und skaliert darzustellen. Die Möglichkeit, die P320 Tiny via Bluetooth fernzubedienen und über schnelles, drahtloses Netzwerk Daten zu übertragen, machen sie zudem zum idealen Partner bei der Datenakquise und -übertragung im Feld. Ein optional erhältlicher Staub-/Partikelfilter würde das Innenleben der Tiny beim Industrieeinsatz vor Schmutz und Überhitzung schützen und den Einsatzbereich der P320 Tiny nochmals erweitern.
Dank umfangreicher ISV-Zertifizierungen können Sie als Anwender sicher sein, dass die für Sie wichtigsten Anwendungen garantiert auf Ihrer Workstation laufen. Darüber hinaus bietet Lenovo auf alle Workstations drei Jahre Herstellergarantie inklusive Vor-Ort-Service am nächsten Werktag. Ab August erscheint mit der P330 Tiny der überarbeitete Nachfolger mit aktueller Hardware. Anstatt der Nvidia Quadro P600 gibt es eine Quadro P620 und Intel i7 8xxxer Prozessoren sowie die Möglichkeit, bis zu 2 Tbyte M.2-SSD-Speicher zu installieren.

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