Making-of „Grüner Stoff“

Warum sitzen Vögel eigentlich so gerne auf Stromleitungen? Der Full-CG-Spot „Guter Stoff“ für den Stromanbieter EnBW gibt darauf eine lustige Antwort: Der grüne Strom liefert ihnen den besten Stoff, um high zu werden. Beim diesjährigen animago AWARD räumte der freche Film, den das deutsche Studio Sehsucht realisierte und die Agentur Jung von Matt konzipierte, in der Kategorie „Beste Werbeproduktion“ die Trophäe ab.

Der 90 Sekunden lange Werbefilm „Guter Stoff“ war die erste Zusammenarbeit von Sehsucht mit dem Kunden EnBW. Mit deren Agentur Jung von Matt hatte das Studio schon öfter für Projekte kooperiert. Den Auftrag zur Realisierung erhielt Sehsucht durch einen klassischen Pitch, das Team setzte sich mit Arbeitsproben sowie der eigenen kreativen Interpretation der Grundidee gegen die Mitbewerber durch. „Die grundsätzliche Idee für den Film war agenturseitig bereits in der Pitch-Phase grob umrissen: Sprechende Vogel-Charaktere auf einer Stromleitung, die einen lustigen Dialog führen”, sagt Daniel Jahnel, der 3D-Lead bei dem Projekt war. Nach dem Projektzuschlag beeinflusste das Sehsucht-Team die weitere Entwicklung des Dialogs und insbesondere die szenische Auflösung maßgeblich mit, indem sie das Skript in die Bildsprache und die Charakter-Aktionen umsetzten.

Viel R&D für eine solide Federbasis

„Für circa fünf Monate bestand das Kernteam aus einem Modeler, einem Rigger, zwei Character FX TDs und einem Look Dev/Lighting TD. Darüber hinaus haben noch einige CG-Artists über kürzere Zeiträume diversen Departments zugearbeitet. In der zweimonatigen Animationsphase kamen noch zwei bis drei Animation Artists hinzu und zuletzt ein Matte Painter für das Environment. Ein Comper finalisierte schließlich die knapp 35 Shots”, erklärt Daniel.

Der Zeitrahmen von 5,5 Monaten war ein straffer Zeitplan für diese Art Projekt mit Vögeln und Federn – vor allem weil sich Sehsucht das erste Mal ausführlich mit den Themen Feder-Generierung und -Rigging auseinandersetzte. „Schon früh im Projekt haben wir uns entschlossen, in Sachen Federgenerierung einen unkonventionellen, prozeduralen und technisch wenig erprobten Weg zu gehen, um ein realistischeres Ergebnis und Verhalten des Federkleids zu erhalten und flexibler auf Änderungen reagieren zu können”, erinnert sich Daniel. „Aufgrund dieser Wegentscheidung war rückblickend betrachtet die R&D-Phase sicherlich die schwierigste, die uns auch viel Zeit gekostet hat. Für eine solide Basis war dieser Schritt aber nötig, denn so ließ sie sich auf drei völlig verschiedene Vögel relativ einfach übertragen, sobald der eigentliche Workflow definiert war.”
Für das Sehsucht-Team hat sich die Zeitinvestition aber auf jeden Fall auch für zukünftige Projekte gelohnt: „Die Konzeption der Pipeline für das Projekt war zwar komplex, aber der Aufwand hat sich nicht nur für das Ergebnis rentiert, sondern auch für die vielen Tools, die wir entwickelt haben und nun auf andere Projekte übertragen können.” Zusätzlich konnten sich die Artists viel neues Know-how in einem für Sehsucht neuen Thema aneignen, denn, da ist sich Daniel sicher: „Nur wer auch mal ins kalte Wasser springt und Neues wagt, kann sich weiterentwickeln.” Die größte Herausforderung bei dem Projekt war deshalb gerade in der Anfangsphase, den Mut zu haben, öfter mal einen Arbeitsschritt zurückzugehen und ihn entweder noch mal komplett neu zu machen oder ihn stark zu verändern, was sich wiederum auf bereits fertige Arbeitsschritte auswirkte. „Fragen wie zum Beispiel: Wie anatomisch korrekt muss das Base­ Mesh gemodelt sein, damit es später mit dem Feder-Layer darauf funktioniert? Oder: Wo genau müssen im Rigging die Joints gesetzt werden, sodass sich der Flügel später korrekt anlegen und entfalten kann? Diese Fragen haben wir sicherlich einige Male neu beantworten müssen“, resümiert Daniel.

Kifferfilme und reale Federtiere als Referenz

Schon in der Pitch-Phase hatte Sehsucht die klare Vorstellung, die sprechenden Vögel weniger an Cartoon- und Animationsfiguren, sondern vielmehr an realen Filmcharaktere anzulehnen: „Den Kontrast zwischen einem sehr menschlichen Dialog und realistisch aussehenden Vögeln fanden wir von Anfang an lustiger, als diesen auf überzeichnete Charaktere à la Angry Birds zu übertragen. Denn solchen Cartoon-Charakteren würde der Zuschauer ohnehin alles zutrauen, auch dass sie kiffen und sprechen können“, so Hans-Christoph Schultheiss, Creative Director bei Sehsucht in Hamburg.

Das Environment ist ein großes Matte Painting von Steven Cormann. Neben Photoshop kam für die 3D-Bäume und -Wälder Vue zum Einsatz.
Das Environment ist ein großes Matte Painting von Steven Cormann. Neben Photoshop kam für die 3D-Bäume und -Wälder Vue zum Einsatz.

Aufgrund des realistischen optischen Ansatzes besuchte das Team während der Research-Phase das Zoologische Museum Hamburg und sprach mit Ornithologen und Präparatoren. Als Referenz für das zugedröhnte Verhalten der Tiere schaute das Team berühmte Kiffer-Filme wie „Half Baked“, „Pineapple Express“ und „Lammbock“. Vor allem die Figuren aus „Half Baked“ dienten den Vögeln als Vorbilder, insbesondere in der Weise, dass jeder Charakter in der Gruppe eine bestimmte Funktion einnimmt. „Die unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Gemütszustände“, erläutert Hans-Christoph „haben wir dann in etlichen Illustrationen auf die Vogelgesichter und -körper übersetzt. Insgesamt war nicht so viel visuelle Gestaltung gefragt wie bei anderen Projekten, dafür war die inhaltliche Ausarbeitung, also die Definition der unterschiedlichen Persönlichkeiten, umso intensiver.“

Ein Feder-Setup für alle

Vor allem die Eule war aufgrund ihrer Form, im Speziellen der Deformation des Halses, komplex in der Gestaltung. Auch die vielen unterschiedlichen Typen und Muster der Federn, die bei einer Eule sehr charakteristisch und detailliert sind, boten Herausforderungen. Daniel dazu: „Jede Feder einzeln zu texturieren und korrekt zu platzieren war im Zeitrahmen des Projekts nicht möglich, daher haben wir das zu komplexe Erscheinungsbild mit unseren Tools in der gegebenen Zeit so gut wie möglich nachempfunden.“

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Typen und Muster der Eulenfedern konnte nicht jede Feder einzeln texturiert und platziert werden, daher empfand das Team das Federkleid so gut wie möglich mit den vorhandenen Tools nach.
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Typen und Muster der Eulenfedern konnte nicht jede Feder einzeln texturiert und platziert werden, daher empfand das Team das Federkleid so gut wie möglich mit den vorhandenen Tools nach.

Das Setup für die Federn ist für alle Vögel gleich. Zunächst baute das Team ein Houdini Digital Asset (HDA), mit dem sich mittels der Houdini Engine in Maya semi-automatische Federn definieren ließen. Vor allem die Hero-­Federn (Primaries, Secondaries, Retrices) mussten in der Form komplett artdirectable sein, weil jede Vogelart ein sehr unterschiedliches Federkleider besitzt. Dank des HDAs konnte das Team mit einfachen Input-Objekten wie polygonalen Outlines oder Feder- und Barb-Flow-Kurven die korrekte Federform basierend auf Referenzfotos nachbauen. Den HDA-Output verwendeten die Artists dann in Houdini für die eigentliche Feder-Erzeugung: „Diese besteht aus einer polygonalen Federform und tausenden Kurven, die die Barben (Barbs) und Barbule der Feder definieren und gerendert werden“, erläutert Daniel. „Für das Texturing besitzen die Federn zudem ein planares UV-Set, für das Shading kamen diverse Attribute zum Einsatz.“ Die Hero-Federn, ein polygonales Low-Res-Objekt, riggte das Team ganz klassisch. Der Animator deformierte sie über Bones und Lattices, bevor die Federn zurück nach Houdini geschickt wurden. Dort wurde das aus insgesamt 4.500 einzelnen Federn pro Vogel bestehende Gefieder basierend auf einem Groom erstellt, mit dem Plug-in Numerion Carbon Plumage simuliert und danach alle erzeugten Federn als ASS-Files an Arnold übergeben. Das finale Rendering lief in Maya.

„Je nach Art hat ein Flügel über 100 Hero-Federn“, weiß Daniel. „Diese einzeln von Hand zu weighten wäre viel zu zeitaufwendig und auch unnötig, weshalb wir die Weights mathematisch über ein Skript errechnet und erzeugt haben.“ Diese Weights dienten als erster Ausgangspunkt, anhand derer die Artists das Feintuning der Federn für eine schönere Deformation den Shotanforderungen entsprechend per Hand vornahmen.

Subtile Menschlichkeit

„In der Animation mussten wir den Tieren ein subtiles menschliches Verhalten zugestehen, damit wir die Persönlichkeit der Charaktere besser ausarbeiten konnten“, erläutert Daniel. „Sie sprechen ja eh, da konnten auch mal die Mundwinkel zur Unterstützung eines Lachens nach oben gezogen oder die Augen unabhängig vom Kopf rotiert werden, damit eine Blickrichtung geschaffen war.“ Die Augen sind in Bezug auf die Geometrie einem echten Augapfel nachempfunden: Lederhaut, Iris und Pupille sind einzeln gemodelt. Im Shading und Lighting entstand allein dadurch mehr Realismus und Lebendigkeit.

Der einzige pelzige Geselle in der Clique ist das Eichhörnchen. Sein Fell entstand mit dem Maya-Plug-in Yeti, simuliert wurde es mit einem Maya-nHair-Setup.
Der einzige pelzige Geselle in der Clique ist das Eichhörnchen. Sein Fell entstand mit dem Maya-Plug-in Yeti, simuliert wurde es mit einem Maya-nHair-Setup.

Die Mimik beruht auf einigen Blendshapes und diversen geriggten Kontrollen für Schnabel, Augenbrauen und Augen. „Im Rig hatten wir kein Feedback in Bezug auf das Gefieder, weil es erst in einem späteren Arbeitsschritt erzeugt wurde. Dadurch kamen natürlich Fragen auf, wie lesbar die Mimik letztlich im Rendering sein würde“, so Daniel. „Deshalb mussten wir uns etwas herantasten, bis klar war, welche Gesichtsausdrücke funktionieren und welche komplett durch die Federn geschluckt werden und somit deutlich übertriebener animiert werden müssen.“

Leichter Datenaustausch

Bei Sehsucht ist Arnold seit Jahren die Standard-Render-Engine, zunächst in Softimage, jetzt in Maya. Mit der Engine ist Daniel sehr zufrieden: „Die Zuverlässigkeit, mit der man einfach wirklich alles an Geometrie in die Engine werfen kann, ist einmalig. Die Qualität der GI-Engine und die Einfachheit der Bedienung sind weitere Vorteile.“ Das Team exportierte aus Arnold ASS-Dateien, die den Austausch zwischen verschiedenen Software-Paketen leicht machten. So ließen sich in Houdini erzeugte Federn auch in Maya rendern, ohne dass die Artists sich Gedanken über den Datenaustausch machen mussten. Am Ende lag die gerenderte Gesamt-Datenmenge für den kompletten Film bei 15 Tbyte.

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