VR, AR – who cares? Let´s do Real Reality! – Workshop Review

Diskussionen über Einsatz, Gestaltung und Auswirkungen der digitalen Bildwelten verstellen uns den Blick auf fundamentale Schaffensprozesse und zwischenmenschliche Notwendigkeiten – in der Zeit eines sich zersetzenden Europas und wachsenden Nationalismus empfinden wir es als vorrangige Aufgabe, junge Menschen verschiedenster Herkunft in einem gemeinsamen Projekt zu vereinen. Die Abgeschiedenheit und die limitierten Möglichkeiten des Aufenthaltsortes erfordern eine Gemeinsamkeit, wie wir sie im urbanen Raum schwerlich beschwören können.

Die Filmuniversität Potsdam veranstaltete im Januar einen Workshop unter dem Titel „Animation Unplugged“, zu dem auch Animationsstudierende aus Luzern eingeladen waren. Unter der Leitung von Gil Alkabetz erarbeiteten die Studierenden fünf Tage frei und ungezwungen Filmprojekte, welche am letzten Tag von Studierenden der Filmmusik vertont und dann unter großem Applaus und einer rauschenden Party der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Ermutigt von diesem Format überlegte ich, eine Gegeneinladung auszusprechen, jedoch unter anderen Vorzeichen. Und was hat die Schweiz, was Potsdam nicht hat? Unter anderem Berge.

Ein glücklicher Zufall bescherte uns den idealen Ort, und so entstand „2017 – Out of Home Animation“. Ausgangspunkt für das Experiment ist der Ort selbst.
Auf 1.800 Metern Höhe gelegen, bietet er Material, Licht, Mythen und den Rahmen für die Gemeinsamkeit. Ein Generator liefert begrenzt den Strom für Kamera und Laptop, der Bergbauer Milch und Käse für erfüllte Tage. Ein paar Impressionen hier:

Nach einer erfolgreichen und befriedigenden Erstumsetzung unseres Workshops OoHA im August 2017 waren wir uns sehr schnell einig im Entschluss, dieses Experiment ein weiteres Mal durchzuführen. Wir werden OoHA in 2019 wiederum durchführen, wir freuen uns auf neue internationale Partnerschaften und spannende Ergebnisse.

Rückblick

Das Besondere an der „Out of Home Animation“-Projektwoche ist die Atmosphäre, die entsteht, wenn eine Gruppe von Studierenden nicht nur zusammen arbeitet, sondern auch den Alltag gemeinsam verbringt. Anders als bei ähnlichen Projekten sind die Teilnehmer rund um die Uhr präsent. Ein Austausch und damit die Möglichkeit zur gegenseitigen Inspiration sind permanent vorhanden. Die Fromatthütte wird während dieser Woche ein Zuhause, die Stimmung in der Gruppe war in beiden Projektwochen (2017 und 2018) großartig. Es ist erstaunlich, wie organisch sich das Zusammenleben auf so engem Raum gestaltet, besonders auch hinsichtlich der diversen kulturellen Hintergründe der Studierenden. Spürbar sind die verschiedenen Philosophien und Voraussetzungen der beteiligten Partnerschulen und deren Raum fürs Experiment. Sicher auch deswegen sind die Herangehensweisen der Studierenden sehr unterschiedlich, eine weitere Bereicherung für die Teilnehmenden.

Die Studierenden organisieren sich selbstständig in Gruppen oder arbeiten einzeln an ihren Experimenten. Nach einem künstlerischen Input und einer Exkursion durch die nähere Umgebung nehmen die einzelnen Projekte ihren Lauf. Meine Rolle in diesem Setting sehe ich darin, möglichst frühzeitig Frustrationen und Blockaden zu erkennen und entsprechende Impulse zu geben, in welche Richtungen die Experimente und Vorhaben weitergeführt werden können.

Eine Woche ist kurz, und dennoch war ich während beider Projektwochen erstaunt, wie viele Versuche gestartet, Footage gesammelt wurden und Energie in die einzelnen Projekte floss. „OoHA verbindet experimentelles und interdisziplinäres Arbeiten, Austausch zwischen Studierenden aus dem In- und Ausland und die Verbindungen zu Partnerschulen auf beinahe (ich werde dieses Wort hier verwenden) magische Weise“, so Workshop-Leiterin Maja Gehrig.

Technik

Auch wenn der Grundgedanke des Workshops die Arbeit mit analogen Materialien vorsieht, können wir heutzutage nicht auf digitale Hilfsmittel verzichten, zumal das Endformat in jedem Fall digital vorliegen muss. Die meisten der Studierenden arbeiteten mit DSLR-Kameras von Canon mit variablen Objektiven. Fixiert waren diese durch einfache Dreibeinstative und, sehr beliebt, Gorilla Pods, dies sowohl bei Stop-Motion- als auch Pixilationsanimationen. Manche Arbeit entstand auch unter mobilen Reprostativen von Kaiser mithilfe von Dragon Frame, auch Smartphones mit Aufsätzen zur Macro-Fotografie kamen zum Einsatz.

Die Studierenden der Hochschule Musik arbeiten vorwiegend mit mobilen Aufnahmegeräten von Zoom zur Weiterverarbeitung mit Logic Pro, Audition und Ableton Live. Hier stellte sich heraus, dass eine direkte Zusammenarbeit mit den Filmstudierenden vor allem in der Vertonung von Animationen nicht ganz einfach war, da diese Programme zum Teil nicht auf Film zugeschnitten sind. Hier werden wir in diesem Jahr reagieren und eine kurze Einführung zur Filmvertonung anbieten. Die Nachbearbeitung der Filme erfolgte über Premiere und After Effects, wobei auf digitale Effekte weitgehend verzichtet wurde.
Die Studienrichtung Animation der Hochschule Luzern – Design & Kunst leistet es sich, sämtliche wichtigen Animationstechniken anzubieten, also Stop-Motion-Zeichentrick und CGI. Dies erfordert einen hohen infrastrukturellen und personellen Aufwand. Hier wollen wir dem Industriestandard gerecht werden und lehren entsprechende Programme, Dragon Frame, TV Paint, Maya und Nuke sowie Pro Tools als Core-Software.

In unserem neuen Curriculum, welches wir für das Schuljahr 2021/22 ausarbeiten werden, wollen wir nun aber auch die Sondersituation der Schweiz berücksichtigen. Obwohl es hier keine Animationsindustrie gibt, verbleiben doch sehr viele unserer Studierenden in der Schweiz und gehen in die Selbstständigkeit. Hier spielen die Kosten der verwendeten Software eine sehr große Rolle, sodass wir uns genau anschauen werden, in wieweit wir alternative Software wie Blender, Houdini, Krita, Reaper etc. unterrichten werden, zumal die Entwicklung dieser Software sehr vielversprechend ist.

Ergebnisse

Die Situation förderte sehr stark die Umsetzung von Ideen mittels Pixilation und Legetrick. Es wurden aber auch Puppen gebaut, Frottagen erstellt oder Folienanimation über die Landschaft gemalt. Die Musikstudierenden arbeiteten meist autark und vertonten die entstandenen Animationen teils im Nachhinein, konzentrierten sich jedoch stark auf rein musikalische Ergebnisse. Wir wollen in diesem Jahr versuchen, dies besser zusammenzuführen.
Der Prozess steht in dieser Workshop-Woche klar über dem Ergebnis. Es ist jedes Mal eine große Herausforderung, die Studierenden im Anschluss noch motiviert zu halten, um die Arbeiten fertigzustellen.

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