Filmbrille – Zeiss Cinemizer OLED

Videobrillen: dienlich der Unterhaltung empfohlen für Augmented Reality.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 01 : 2013 der Digital Production.

In erster Linie wollen die von mehreren Herstellern preisgünstig auf den Markt gebrachten Videobrillen der Unterhaltung dienen oder empfehlen sich für Augmented Reality. Doch das relativ leichte und vielseitige Modell von Zeiss kann sich auch bei Kameraleuten nützlich machen, und das nicht allein bei Stereo-3D.

Die Bandbreite der Möglichkeiten von Videobrillen reicht von militärischen Anwendungen über den Einsatz in der Technik (z. B. für Reparaturanweisungen) bis hin zum reinen Unterhaltungssektor. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Brillen, die der äußeren Realität zusätzliche Informationen überlagern (Augmented Reality), und denen, die das Blickfeld mit Filmbildern oder Computerspielen mehr oder weniger vollständig ausfüllen. Google hat eine Brille des ersten Typs mit Datenüberlagerung unter dem Namen „Project Glass“ für den Massenmarkt als Accessoire zum Smartphone angekündigt, aber diese Brille soll erst Anfang 2013 für Entwickler verfügbar werden.

Derzeit ist der Markt bei preisgünstigen Geräten noch überschaubar: In erster Linie werden Brillen für Gamer oder den mobilen Filmgenuss angeboten. In diesem Bericht soll es aber nicht um das Eintauchen in die virtuelle Realität gehen, sondern um die Nutzung bei der Filmproduktion. Dadurch scheiden bereits alle Brillen aus, die zum Betrieb auf einen Computer oder ein Smartphone angewiesen sind, wie die teure Brother Airscouter oder Epson Moverio. Brillen, die ausschließlich analoge Videosignale annehmen, betrachten wir als nicht mehr zeitgemäß. Damit verbleiben dann Sonys „Personal 3D Viewer“ und der „Cinemizer OLED“ von Zeiss, was aktuell lieferbare Modelle betrifft, denn die angeblich Full-HD auflösende Brille ST1080 von Silicon Micro Display, die schon für Mai 2012 angekündigt war, ist bis heute nicht zu bekommen.

Lord Helmchen – Sonys HMD T2 eignet sich eher für schmerzresistente Gamer als für Kameraleute.

Das Modell von Sony bietet zwar mit 1280 x 720 Pixel eine hohe Auflösung und wird per HDMI mit Videosignalen gespeist. Es ist aber eher ein Helm als eine Brille, mit 325 Gramm reichlich schwer und unkomfortabel und zudem auf ein Steuergerät mit Netzversorgung angewiesen, das weitere 600 Gramm wiegt. Es ist schon allein deswegen für den Filmeinsatz denkbar ungeeignet und schirmt zudem das Gesichtsfeld seitlich so sehr ab, dass man damit quasi im Blindflug unterwegs wäre. Das Blickfeld bei der HMD T2 beträgt 45 Grad horizontal und ist damit recht immersiv, leider bleiben aber die Ränder auch bei bestmöglicher (und sehr kritischer) Positionierung der Brille immer etwas unscharf. Der neue Cinemizer OLED ist eine Weiterentwicklung des relativ glücklosen Cinemizer Plus, der mit einem flauen LCD-Bild, rein analoger Zuspielung und NTSC-Auflösung wenig attraktiv war. Die Brille ist mit rund 120 Gramm recht gut auch für längere Zeiträume tragbar und das Steuergerät mit eigenem Akku lässt sich mit etwa 90 Gramm leicht in die Tasche stecken. Das Blickfeld liegt bei 30 Grad, was für immersive Erfahrungen viel zu wenig ist, aber genug Umfeld bei anderweitiger Nutzung sichtbar lässt. Außerdem schirmt auch die Brille selbst das Gesichtsfeld nicht zu sehr ab, man kann neben und vor allem unter dem Cinemizer noch recht gut hervorschielen und im Blick behalten, wohin man tritt. Für Kameramenschen bieten sich in erster Linie drei Einsatzbereiche an: die Kontrolle von Stereo-3D bei der Aufnahme, die Bildkomposition bei ungewöhnlichen Perspektiven in Bewegung und ganz allgemein die Bildkontrolle bei sehr heller Umgebung.

Im Stereo 3D-Betrieb reicht die Brille völlig aus für den Einsatz mit semiprofessionellem Equipment wie der Panasonic AG-3DA1, bei aufwendigen Stereo-Rigs aus dem Profisektor kommt es letztlich auf die Bedürfnisse des Nutzers an: Die Cinemizer OLED hat nur 870 x 500 Pixel Auflösung. Doch ehe man das Gerät deshalb als unzureichend abschreibt, muss man sich bewusst machen, dass die Zuschauer bei bisherigen 3D-Reproduktionsverfahren auch nicht viel mehr zu sehen bekamen. Stereo-3D wurde meist entweder Side-by-Side, Top-Bottom oder Line interleaved übertragen, und dabei halbierte sich jeweils die Auflösung des HD-Formats von 1920 x 1080 in einer der beiden Dimensionen. Nur das neue Frame-Packing Verfahren (verfügbar mit HDMI 1.4) vermeidet Auflösungsverluste. Ab gesehen davon lösen viele Kameramonitore im Profisektor auch nicht besser auf, sogar der Touchscreen einer Red hat in der üblichen 5-Zoll-Version nur 800 x 480 Pixel.

Futurist – Der Cinemizer OLED von Zeiss würde in einem Sci-Fi-Epos nicht störend auffallen.

Die Zeiss-Brille verarbeitet sämtliche Versionen der 3D-Signale und zeigt sie mit sehr guten, wenn auch etwas warmen Farben und brillanten Kontrasten. Die OLED-Displays stellen hier einen gewaltigen Fortschritt gegenüber dem Vorgängermodell dar. Auch die Sichtbarkeit der Pixelstruktur ist gegenüber einem LCD gleicher Auflösung durch den bes- seren Füllungsgrad von OLED gemindert. Die 3D-Wirkung ist – im Rahmen der begrenzten Auflösung – hervorragend, da mit einer solchen Brille natürlich eine perfekte Trennung der Bilder ohne jegliche Doppelkonturen erreicht wird. Die Bildqualität ist durchaus nicht nur zur Beurteilung der Bildkomposition geeignet, sondern erlaubt auch eine akzeptable Schärfenkontrolle. Hilfreich ist allerdings eine zuschaltbare Schärfenanzeige durch Konturenanhebung, wie sie viele Kameras heute bieten. Bei den typischen Einsatzfällen mit einer sehr mobilen Kameraführung wird man in der Regel sowieso keine allzu enge Schärfentiefe anstreben.

Wie man es von einem führenden Hersteller in der Optik erwarten darf, erlauben die getrennten, hochwertigen Okulare den meisten Brillenträgern mit einem Bereich von -5 bis +2 Dioptrien eine gute Anpassung auf die eigenen Korrekturwerte. Hier zeigt sich dann auch der Vorteil des kleineren Bildfeldes, denn bei korrekter Einstellung ist das Bild bis zu den Rändern scharf und deckt einen Augenabstand zwischen 59 und 69 mm ab. Für eine optimale Darstellung muss man außerdem auf eine sehr präzise vertikale Position der Brille achten. Das ist mit den zusätzlich beigelegten Adaptern für das Nasenpolster in der Regel erreichbar – anderenfalls gib es lästige Farbkanten an kontrastreichen Flächen. Die verschiebbaren Ohrbügel erlauben eine zuverlässige Sicherung der richtigen Position, die Brille fällt auch beim Blick nach unten nicht runter. Sie sind aber recht hart und können auf Dauer ein wenig drücken. Trotzdem ist der Tragekomfort dem der Sony-Brille weit überlegen, die nach einiger Zeit geradezu schmerzhaft werden kann.

Eine Tonkontrolle ist über mitgelieferte Ohrhörer möglich, die recht brauchbar klingen. Bei Nichtgebrauch können diese auch abgezogen werden, damit sie nicht störend herumbaumeln (es gibt zwar eine pfiffige Magnethalterung dafür, aber die ist etwas zu schwach ausgelegt). Profis werden in der Regel sowieso mit getrennter Tonaufnahme und -kontrolle arbeiten. Die Zuführung des Videosignals zum Steuer- und Versorgungs- kästchen erfolgt über einen Mini-HDMI- Anschluss, für den ein Adapter auf große Stecker beiliegt. Da dieser aber letztlich eine zusätzliche Fehlerquelle darstellen kann, sollte man sich besser ein möglichst flexibles Kabel mit einem passenden Stecker auf beiden Seiten kaufen – das fest verbundene Kabel zur Brille selbst ist weich genug. Sinnvoll wäre zudem eine kleine Gürtelhalterung. Dieses wünschenswerte Zubehörteil bietet Zeiss nicht an, aber eine Smartphone-Tasche sollte passen.

Analoge Videosignale in SD können verarbeitet werden, damit beträgt die Laufzeit etwa sechs Stunden. Der digitale Betrieb über HDMI verbraucht deutlich mehr Strom als der analoge – etwa zweieinhalb Stunden Laufzeit sind zu erwarten, dann ist eine Pause etwa gleicher Dauer angesagt, da der Akku nicht vom Anwender gewechselt werden kann (immerhin ist er intern nur verschraubt, nicht verklebt). Die Aufladung erfolgt unproblematisch über USB. Die Brille akzeptiert per HDMI auch Signale, die sich bei unserem Test von digitalen Rekordern in manchen Kombinationen als problematisch erwiesen haben. Bei der Sony FS-100 funktionieren sämtliche Ausgabeformate, wie auch fast alle progressiven Formate bei der Red Epic und Scarlet außer dem seltenen 720p24 oder -25. Wenn Sie allerdings eine Kamera hängend (z. B. dicht über dem Boden) einsetzen wollen, werden Sie eine Funktion zur Bildumkehr vermissen, die man logischerweise für den von Zeiss intendierten Gebrauch nicht benötigt. Hier kommen also nur Kameras mit interner Bildumkehrung infrage – es sei denn, der Hersteller rüstet das per Firmware nach, um sich eine neue Zielgruppe gewogen zu machen…

Tiefergelegt – bei ungewöhnlichen Kamerapositionen erleichtert der Cinemizer die Arbeit und schont den Rücken.

Fazit

Während Games und das Privatkino in Bahn oder Flugzeug bei der begrenzten Auflösung, dem engen Blickfeld und der mangelnden Abschirmung gegenüber der Umwelt vermutlich nicht ganz glücklich machen, ist gerade Letztere bei der Kameraarbeit ein Vorteil des Cinemizers. Für die unmittelbare 3D-Bild-Kontrolle oder eine entfesselte Kamera gibt es derzeit keine Alternative mit so wenig Aufwand an Platz und Gewicht. Die relativ geringe Auflösung wird durch die guten Okulare weitgehend kompensiert.

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