Schwerelos Sketchen in VR

Gravity Sketch ist eine Software, um in VR zu sketchen, und nicht unbedingt, um fertige Modelle zu erstellen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Digital Production 05 : 2019.

Gravity Sketch ist eine Software, um in VR zu sketchen, und nicht unbedingt, um fertige Modelle zu erstellen. Aber es ist ein Doodler, der sich gewaschen hat. GS wird professionell in der Automobilindustrie im Design eingesetzt, doch darüber will ich hier gar nicht schreiben. GS gibt es auch in einer etwas abgespeckten Version auf Steam für 28 Euro. Die Pro-Version kostet auch nur 28 Euro, das dann allerdings pro Monat. Die Versionen unterscheiden sich darin, dass der Export von Nurbs-Daten nur in der Pro-Version geht, FBX und OBJ gehen immer. Und die Pro-Version hat auch noch so was wie Zeichenebenen.

Bisher habe ich nur VR-Tools gesehen, die es ermöglichen, Modelle in VR zu beurteilen oder zu erfahren oder einfach Spaß dran zu haben. Gravity Sketch ist kein Spielzeug oder VR-Experiment, es ermöglicht professionelle Content Creation in virtueller Realität. Gravity Sketch ist ein VR Sketching Tool, welches Kreativen neue Perspektiven und Workflows eröffnet.

Die Firma Gravity Sketch hatte ihren Messestand zusammen mit Wacom auf der letzten FMX genau gegenüber der Digital Production. Wacom ist einer der Investoren von Gravity Sketch, das zudem von der EU gefördert wurde (https://cordis.europa.eu/ project/rcn/220221/reporting/en). Ich war zunächst eher skeptisch und dachte: „Just another VR doodler.“ Am nächsten Tag habe ich mir Gravity Sketch angesehen und insbesondere anderen, zumeist Studenten, über die Schulter geschaut, wie sie mit Gravity Sketch Spaß hatten – und auch ich habe es mal versucht. Was die FMX-Besucher innerhalb kürzester Zeit erschaffen haben, war schon beeindruckend.

Umfeld

Gravity Sketch unterstützt Oculus, Vive und Windows Mixed Reality VR-Headsets und Controller. Ich habe GS dann später bei einem Kumpel etwas ausgiebiger mit einer WMR-Brille testen können. Um wirklich damit arbeiten zu können, braucht es viel Übung, und erst die macht bekanntlich den Meister. Man kann in GS nicht nur Linien in den virtuellen Raum kritzeln, sondern viel, viel mehr. Aber mit jedem dieser Werkzeuge muss erst mal geübt werden, und dann ist da noch die Navigation im virtuellen Raum. Das z.B. muss man sich ungefähr so vorstellen: Knopf drücken und die beiden Controller zusammenführen oder auseinanderbewegen, und der Raum wird größer oder kleiner. Einen anderen Knopf halten und den Raum zu sich ziehen oder wegschieben. Es sind schon einige Knöpfe, aber wie gesagt, etwas üben und los geht es. Die Controller und das Manipulieren im 3D-Raum sind für mich in gewisser Weise das Highlight und weniger die VR-Experience.

Neben den obligatorischen Linien können mit beiden Händen Flächen erzeugt werden. Rotationskörper können erzeugt und bearbeitet werden. Volumen-Objekte können durch zeichnen einer Fläche, die dann extrudiert wird, erzeugt werden. Box, Pyramide, Sphere, Zylinder etc. können auch erzeugt werden. Etwas wirklich genau zu konstruieren, war mir nicht möglich, aber darum geht es ja nicht. Das Programm soll einfacher zu lernen sein als eine 3D- oder CAD-Software.

Olaf probiert GS auf der FMX.

Primitives und Farben

Was einfach geht: z.B. ein Primitive erzeugen und frei platzieren oder etwas auswählen und verschieben oder skalieren geht sehr intuitiv und auch sehr effektiv bzw. schnell. Im traditionellen 3D-Viewport geht das nicht so flüssig, ist wiederum aber auch lange nicht so anstrengend. Ich habe z.B. versucht, mit Boxen und Pyramiden ein einfaches Terrain zu planen. Und nach etwas Üben ging das recht intuitiv. Mein Ergebnis als Screenshot erspare ich euch aber!

Die Objekte werden eingefärbt, und einfache Materialien können vergeben werden. Objekte können zudem gruppiert und kopiert werden. Das Auswählen von Objekten funktioniert über eine skalierbare transparente Sphere, die an der linken Hand hängt. Geometrien können ebenfalls importiert werden. Darüber hinaus gibt es eine virtuelle Kamera, den Surface Screenshot und noch einiges mehr. Die Anleitung zu all dem und die Tutorial-Videos sind professionell gemacht.

„Gravity Sketch has liberated me from my working desk, and allowed me to naturally express myself, while being spatially aware, while being able to move through my ideas. It also adds the value of 3D geometry to my expressive gestural concepts, without loosing any of that juice of an analog sketch.“ Copyright: Mike Jelinek, www.artstation.com/mikedee

Fazit

Muss man Gravity Sketch haben? Natürlich nicht, aber ich denke, man sollte es sich auf jeden Fall ansehen, wenn man schon ein VR-Setup hat. Dafür extra VR anschaffen? Je nach Aufgabenstellung kann das schon Sinn machen. Die andere Perspektive und das intuitive Manipulieren können Bitcoin wert sein. Es ist zum Beispiel ganz spannend, etwas um sich herum zu bauen, ohne die eigene Position zu verändern. Alles ist dann ganz automatisch maximal ca. eine Armlänge entfernt. Oder etwas in Vogelperspektive bauen und sich dann klein machen, um es sich in groß anzusehen, um Details dazu zu bauen. VR macht das Erleben von Größe möglich. Mit beiden Händen gleichzeitig in 3D zu arbeiten, ist spannend. Wobei das nicht nur die Hände sind – sondern auch die Arme und der Körper der sich bewegt. Und der Kopf, denn umsehen sollte man sich mit diesen VR-Brillen mit einer Kopfbewegung und nicht mit den Augen. VR kann ganz schön anstrengend sein, aber eben auch „leider geil“!

Links

Gravity Sketch auf Steam
bit.ly/steam_gravity_sketch

Tutorials, Kontakt und mehr:
www.gravitysketch.com/learn/

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