Rebelle 3 – digitales Atelier speziell für Aquarell- und Acrylmaler

Rückblick: In der DP 06 : 2018 lag unserem Autor Ralf Gliffe das Paint-Tool Rebelle in dritter Version vor. War Ralf von den simulierten Maltechniken angetan?

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 06 : 2018.

Escape Motions, das slowakische Studio mit Kreativen und Programmierern um Peter Blaškovič, hat mittlerweile eine feste Fangemeinde für ihre speziellen Grafikanwendungen wie Flame Painter, Amberlight oder Fluid Painter. Auf der Webseite von Escape Motions laden Mini-Apps und abgespeckte Versionen der richtigen Grafikanwendungen zum Online-Experimentieren ein. Das Paint-Tool Rebelle liegt seit Mai dieses Jahres in der dritten Version vor (aktuell 3.1). Wir haben ein wenig mit nassen und trockenen Medien gespielt und sind von der Qualität der Simulation echter Maltechniken angetan.

Mal- und Zeichensoftware gibt es seit den Urzeiten des Computers. Digi tales Malen mit unterschiedlichenTechniken ohne teure Farben und Leinwände – und ohne lästiges Pinselauswaschen. Jeder hat wohl schon Bekanntschaft mit dem einen oder anderen Tool gemacht. In dem riesigen Markt der Grafiksoftware versucht Rebelle 3, eine Nische zu füllen. Das Programm verspricht leichte Bedienung und trotzdem realistisch anmutende Ergebnisse, speziell bei der Darstellung von Wasserfarben. Außerdem sollen Acrylfarben, Tuschen und Pastellkreiden realistisch simuliert werden – und das auf natürlich wirkenden Malgründen.

Rebelle 3 – Zeichenhilfen: Eine einfache Hilfe beim Zeichnen gerader Linien erreicht man mit der Shift-Taste. Etwas mehr Möglichkeiten wie komfortables Drehen und Verschieben bietet das Lineal-Werkzeug (Shift+R). Shift+P schaltet ein leicht zu handhabendes Perspektiv-Werkzeug für 1-, 2- und 3-Punkt-Perspektiven hinzu. Interessant ist die Option „Freie Hand“, die Striche natürlicher aussehen lassen soll.

Flache Lernkurve – gedrehte Pinsel und gekippte Leinwände

Die anpassbare Oberfläche von Rebelle wirkt auf den ersten Blick überschaubar. Alle Programmfenster sind skalier- und positionierbar. Fenster, die über der Zeichenfläche liegen, verstecken sich, solange sie dem Zeichenpinsel im Wege sind. Erste Versuche mit dem Programm gelingen ohne Studium des Manuals dank selbsterklärender Icons und Beschriftungen.

Im Wesentlichen sieht der User nach dem ersten Start von Rebelle die Zeichenfläche mit vorgegebener Materialstruktur und Farbeinstellung (kann jederzeit bearbeitet werden). Die verschiedenen Tools (Pinsel für Wasser- oder Acrylfarbe, Pastellkreide und Stifte, Federn oder Airbrush und Radierer) erzeugen auf Anhieb einen realistisch anmutenden Farbauftrag.

In einem extra Fenster „Pinsel-Ersteller“ gibt es komplexe Einstellungsmöglichkeiten für individuelle Malwerkzeuge. Es gibt werkzeugspezifische Optionen für die Pinselgrö- ße, Druckempfindlichkeit oder Farb- oder Wassermenge und Auswahl von Werkzeugtexturen. Pinsel mit einer flachen Form können auf Drehungen des Stiftes reagieren (z.B. beim Wacom Pro Pen). Bei der Drehung des Stiftes lässt sich so die Pinselspitze mitdrehen und dadurch die Strichbreite steuern. Direkt unter den Zeichenwerkzeugen finden Bild: Featured Artist Kamila Stankiewicz Bild: Featured Artist Philipp S. Neundorf sich Tools zum Verwischen oder Vermischen von Farben und z.B. um Wasser auf die Zeichenfläche aufzutragen oder um flüssige Farbe wegzublasen.

Standardmäßig findet sich rechts neben der Zeichenfläche ein Navigator, mit dem man sich auch in großen Dokumenten zu orientieren kann, und Einstellungen, um die Leinwand zu kippen – damit können die Verlaufsstärke und -richtung flüssiger Farbe beeinflusst werden (Aquarellfarbe z.B. beginnt sofort in die eingestellte Kipprichtung zu fließen und zu verlaufen – schön anzusehen). Neben einem Farbwähler gibt es eine Auswahl für verschiedene Farbpaletten.

Featured Artist: Philipp S. Neundorf
Featured Artist: Kamila Stankiewicz

Alles fließt

Rebelle verfügt über Ebenen mit Fülloptionen wie Photoshop (Rebelle kann .psd-Dateien öffnen und speichern).

Zu den Spezialitäten von Rebelle zählen das Befeuchten oder Trocknen von Ebenen und die Möglichkeit, das Verlaufen nasser Farbe animiert darzustellen. Mit einem Klick auf den Button „Nässe zeigen“ wird dargestellt, wie nass eine Ebene ist. Das lässt sich mit dem Wasser- und dem Trocknen-Tool bearbeiten. Das Verlaufen nasser Farbe hängt von verschiedenen Einstellungen ab. Es gibt visuelle Voreinstellungen für das Verhalten von Wasser- und Acrylfarben sowie der Leinwand (Saugfähigkeit, Kantenverdunkelung, Leinwandeinfluss). Durch die neue Drip Engine können realistisch anmutende Tropfenformen entstehen. Wie sich diese Tropfen verhalten, wird ebenfalls in den visuellen Voreinstellungen festgelegt (Tropfengröße und -länge). Natürlich wirken sich die jeweiligen Werkzeugeinstellungen auch auf das Fließverhalten aus, wie z.B. Aquarell, Farb- und Wassermenge. Außerdem spielen das gewählte Zeichenflächen-Material und die Art der Befeuchtung der Zeichenfläche eine Rolle sowie die Stärke bzw. Richtung der Einstellungen beim Kippen der Leinwand. Das Verlaufen der Farbe kann auch mit dem Blasen-Tool beeinflusst werden. Die beim echten Malen eher unerwünschten Farbtropfen ergeben dabei interessante Effekte, wie die Fantasie-Kreaturen im Video von Martin Hanschild auf der Webseite www.escapemotions.com/products/rebelle zeigen.

Erwähnenswert ist, dass die wunderbaren Fließ-Effekte z.B. auch auf importierte Fotos angewendet werden können. In ihrem Blog auf der Webseite betonen die Macher von Rebelle, mit welcher Ernsthaftigkeit sie sich bemühen, z.B. realistische Papiermaterialien zu erzeugen. Besondere Aufmerksamkeit widmen sie der Nachbildung japanischen Papiers. Beinahe ehrfürchtig wird die Jahrhunderte alte Tradition japanischer Papierherstellung geschildert – und dann erklärt, wie solches Papier in Rebelle nachgeahmt wird. Es ist beeindruckend, wie realistisch die Farbeffekte in Verbindung mit den Zeichenmaterialien wirken.

Flecken begrenzen – Masking Fluid Layer

Der Schalter „Maskierflüssigkeitsebene“ macht eine Ebene zur Maske für die verlaufende Farbe anderer Ebenen. Undurchsichtige Pixel der Maskenebene stoppen den Farbfluss von als „Beeinflusste Ebene“ gekennzeichneten Layern (der kleine Punkt hinter dem Ebenennamen). Auf diese Art lässt sich das Verlaufen der Farbe eingrenzen bzw. steuern. Hilfreich beim Einfärben von Skizzen und Bildern.

Rebellische Helferlein

Rebelle bietet einige nicht sofort sichtbare Hilfen beim kreativen Gestalten. Grundsätzliche Bildbearbeitungsfunktionen für Farbe, Helligkeit, Farbbalance etc. finden sich unter dem Menüpunkt „Filter“. In der neuen Version lässt sich ein Referenzbild als Zeichenvorlage in ein frei positionier- und skalierbares Fenster laden. Im Vollbildmodus kann dieses auf einen Zweitmonitor gelegt werden. Rebelle erlaubt nun auch, ein Vorschaubild in einem solchen Fenster anzuzeigen. Wenn eine Ebene als Referenzebene gekennzeichnet ist (der Button „T“ im Ebenen-Menü), dann werden beim Zeichnen auf mit „Beeinflusste Ebene“ markierten Layern die Farben des Referenzbildes automatisch in diese Ebene übernommen. Rebelle nutzt teiltransparente .png-Bilder als Zeichenschablonen. Einige Bilder werden mit dem Programm geliefert. Aber auch aus Bilddateien oder Ebenen selbst können Schablonen erzeugt werden. Schablonen können ein- oder ausgeblendet sowie frei positioniert, skaliert, gedreht oder gekachelt werden. Die aktuelle Version von Rebelle bietet ein komplettes Set von Auswahlwerkzeugen (Rechteck, Kreis, Polygon, Lasso, Zauberstab und verschiedene Boolesche Funktionen zum Kombinieren bzw. Schneiden von Auswahlen). Es gibt Optionen für Toleranz, Antialiasing, angrenzende Auswahl oder Verwenden des Alphakanals. Rebelle bietet intuitive Zeichenhilfen: Mit der Shift-Taste wird an der Cursorposition ein drehbares Linienwerkzeug eingeblendet. Shift+R startet ein Lineal mit drei Kontrollpunkten zum Verschieben und Drehen des Tools. Mit Shift+P lassen sich 1-, 2- oder 3-Punkt-Perspektiven zeichnen. Interessant ist die Option „Freie Hand“, um die geraden Striche natürlicher aussehen zu lassen.

Fazit

Rebelle 3 bietet nicht den Funktionsumfang von z.B. Corel Painter. Es punktet aber auf jeden Fall mit den natürlichen Malwerkzeugen und Pinseln und den speziellen Fähigkeiten, flüssige Farbe zu simulieren. Die Menge natürlich anmutender Effekte macht einfach Spaß. Einen Test sollte dieses Programm Interessierten auf jeden Fall wert sein. Es gibt zu allen kreativen Programmen Demo-Versionen – und zahlreiche Mini-Apps, die online ausprobiert werden können.

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