Zauberhafte Effekte | Retro-Artikel

Rückblick: In der DP 05:07 verzauberte Harry Potter 5, zu dem elf Studios Effekte beisteuerten. Darunter Schwergewichte wie DNEG, ILM, Framestore und MPC.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 05:07.

Nicht weniger als elf Studios produzierten Effekte für den fünften Harry-Potter-Film, darunter Schwergewichte wie Double Negative, ILM, Framestore CFC und MPC. Sie erweckten Wesen zum Leben, schufen digitale Set-Extensions, gaben Zaubersprüchen Gestalt – und ersparten Daniel Radcliffe, sich würgen zu lassen.

Während Heyday Films und Warner Bros. bereits vier Regisseure verschlissen, war Visual Effects Supervisor Tim Burke in den vergangenen drei Harry-PotterFilmen ein Stück Kontinuität; an einem weiteren hatte er zudem als VFX Supervisor des Studios „The Mill“ mitgearbeitet. Burke erhielt 2001 einen Oscar für die visuellen Effekte in „Gladiator“; 2005 war er für „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ nominiert.

Von allen Filmen, an denen er mitgearbeitet hat, bietet der letzte nach Burkes Meinung die größte Vielfalt an Effekten. „Obwohl das Buch dick ist und wir die Story auf das Wesentliche konzentrieren mussten, haben wir keine der aufregenden neuen Entdeckungen weggelassen“, erklärt er mit Blick auf die neuen digitalen Environments. „Ich habe schon in einem frühen Stadium der Produktion Regisseur David Yates und Production Designer Stuart Craig ermutigt, digitale Environments zu benutzen und sie größer und magischer zu gestalten, als sie am Anfang dachten.“

Glas und Wasserdampf

In der „Halle der Prophezeiungen“ etwa erstrecken sich Glasregale bis ins Unendliche. Auf ihnen ruhen Millionen von Kristallkugeln, in denen Prophezeiungen in wirbelndem Dampf schweben. Double Negative schuf das Set in 3D und fügte im Compositing in das Environment vor Greenscreen gefilmte Schauspieler ein.

„Wir sehen dieses Environment mehrmals im Film“, erklärt Paul Franklin, VFX-Supervisor bei Double Negative. „In der ersten Einstellung, in Harrys Albträumen, die die Kinder in dieses Environment locken, sind die Regale nur wenige Zentimeter von der Kamera entfernt.“ Der wirbelnde Dampf in den Kristallkugeln reagiert auf die nahenden Kinder und am Ende glühen sie stark genug, um das Environment zu erleuchten.

Um sicherzugehen, dass die Ausleuchtung des digitalen Sets die Ausleuchtung der real gedrehten Schauspieler matcht, legte Double Negative die Ausleuchtung als Erstes fest. „Wir testeten die Lichteffekte bevor wir die Schauspieler drehten, um eine Umgebung mit der richtigen Menge an Beleuchtung zu schaffen“, berichtet Burke. „Ich glaube, dass am Ende viele Leute nicht bemerken werden, dass es sich um ein digitales Set handelt, was natürlich amüsant ist.“

Zerstörung mit DN-Dynamite

Trina Roy leitete bei Double Negative die ersten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Sie arbeitete mit dem studioeigenen DN-Asset-Werkzeug, das schon die komplexe Geometrie von Gotham City in „Batman Begins“ übernahm. Außerdem verwendete sie DN-Dynamite, ein Plugin für Maya, das Rigid-Body-Simulationen für eine große Anzahl von Objekten durchführen kann. „Wenn der Kampf in der Halle sich dem Höhepunkt neigt“, erzählt Franklin, „fallen die gigantischen Reihen von Glasregalen um wie Dominosteine und schaffen einen kristallenen Wasserfall der Zerstörung.“

Als klar wurde, dass die Renderzeiten für die Sequenz mit ihren 170 Einstellungen auszuufern drohten, setzten sich Roy und CG Supervisor David Vickery mit Gesamt-CG-Supervisor Justin Martin und dem Shading Supervisor Philippe LePrince zusammen, um eine Kombination von Lösungen auszuarbeiten. „Wir verwendeten RenderMan-Tricks, um Reflexionen und Zwischenreflexionen unter den Glasregalen mit einem Raytracing-Pass zu rendern“, sagt Franklin. „Für jede Oberfläche schufen wir Hold-out Mattes.“

Bei dem wirbelnden Dampf in den Kristallkugeln dachten sie zuerst an Maya Fluids, aber als sich herausstellte, dass sie bis zu 30.000 sichtbare Kugeln in einer Einstellung haben würden, schuf Technical Director Chris Mangall stattdessen einen pseudo-volumetrischen Shader in RenderMan. „Er hat genestete Layer, durch die eine 3D-Noise-Textur läuft und die animiert und voneinander abgesetzt sind wie die Schichten einer Zwiebel“, erklärt Franklin.

Wesen unter schwarzem Rauch

In der Halle der Prophezeiungen kämpfen Harry und seine Freunde mit Lucius Malfoy und den Todessern, die aus wirbelnden schwarzen Rauchwolken bestehen. Double Negative hatte die Todesser schon einmal für „Harry Potter und der Feuerkelch“ gestaltet, aber diesmal wollte der Regisseur, dass der Rauch so aussieht, als wirbele er über die Körper der Wesen. „Wir verwendeten eine Verbindung aus Maya Fluids für den Rauch mit unserem VolumenRenderer und Soft Bodies in Houdini“, so Franklin. „Und wir setzten Soft Bodies ein, um Bänder und Kleider von den Körpern der Todesser flattern zu lassen. Es bedurfte einer Menge Feinarbeit, damit sie nicht aussehen, wie die Dementoren.“

Als eines von elf VFX-Studios, die an dieser Produktion beteiligt waren, übernahm Double Negative 950 Einstellungen, wozu auch 2D-Korrekturen und Paint-outs gehörten. Neben der Halle der Prophezeiungen schuf das Studio auch einen fünf Meter hohen CG-Riesen, ein digitales Set für den „Schleierraum“, eine Sequenz, in der Kinder üben, einen „Patronus“-Effekt zu zaubern, sowie Ansichten von Hogwarts, dem Ligusterweg (Privet Drive), Harrys Zuhause, wenn er nicht im Internat ist, und weitere Umgebungen.

Von all diesen Effekten, war zweifellos der Riese Grawp der schwierigste. „Er ist doppelt so groß wie Hagrid, aber er musste natürlich völlig überzeugend aussehen“, erklärt Franklin. „Er spielt Seite an Seite mit Live-Schauspielern in den Einstellungen.“ Um das Minenspiel des Giganten zu gestalten, konnte das Studio auf sein Gesichtsanimationstool zurückgreifen, das es kurz zuvor zusammen mit Image Metrics entwickelt hatte. Mit diesem System erfassen sie das Spiel eines Schauspielers mit digitalen Videokameras und passen dann Daten, die sie aus diesem Spiel extrapoliert haben, auf ein digitales Model an, das nicht dem Gesicht des Schauspielers ähneln muss. „Wir drehten Referenzmaterial von Schauspieler Tony Maudsley auf Video in HD-Qualität und zeichneten die Motion-Capture-Daten auf; die finale Version ist aber mit Keyframes gemacht“, verrät Franklin. „David Yates entwickelte die CG-Darsteller weg von dem, was wir mit Tony gemacht hatten.“

Damit der Körper des Riesen realistisch wirkt, entwickelte das Studio neue Haut- und Cloth-Shader und benutzte eine komplexe Muskelsimulation. „Er sollte menschlich wirken, nicht wie ein Wesen“, erklärt Franklin. Um bei den Texturen den gewünschten Detailgrad zu erreichen, bedeckten Painter den Körper mit Texture Maps in 8K-Auflösung und das Gesicht mit Resolution Maps in 16K. Hände und Füße hatten verschiedene Sets der 8K Resolution Maps. „Man erkennt die Poren auf seiner Haut“, freut sich Franklin. „Da die Renderzeiten beträchtlich waren, konnten wir willkürlich einen Körperteil herausgreifen und die Texturenauflösung erhöhen.“

Es stellte sich heraus, dass sie Grawps Haut mit so viel Detail berechnet hatten, dass die Compositors das Ergebnis absoften mussten. Die Einstellungen mit Grawp sind in einem großen WaldSet angesiedelt, den Double Negative digital erweiterte. Das Studio ließ die höchsten Bäume von achteinhalb auf 92 Meter wachsen.

Patronus-Zauber

Die Patronus-Effekte des Studios finden in einem Innenset statt, dem „Raum der Wünsche“. Das erste Mal taucht der Zauberspruch im dritten Film auf. Er erscheint als ein Kegel aus schimmerndem, weißen Licht, aus dem ein Wesen auftaucht, das einen Aspekt der Persönlichkeit des Magiers widerspiegelt. In diesem Film üben die Schüler den Zauberspruch im Raum der Wünsche. Eine erzeugt ein Pferd, andere einen Otter, einen Hasen und einen Hund.

„Wir animierten die Tiere in Maya und exportierten sie dann in Houdini. Houdini haben wir erst kürzlich unserer Pipeline hinzugefügt wegen der Fähigkeit, komplexe Setups zu handhaben“, so Franklin. Sie setzten Soft-Body-Schleier und -Bänder ein, die sich hinter den Wesen verlieren. Anschließend schickten sie das Ergebnis an Maya, wo sie die Wesen shadeten und beleuchteten.

„Die Ergebnisse, die man mit Partikeln und Fluids erzielen kann sind begrenzt“, sagt Franklin. „Sie neigen dazu, bekannt auszusehen; man hat diesen vorhersehbaren Look. Darum nahmen wir alte optische Effekte aus Filmen wie ‚Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All‘ (1971), ‚Cocoon‘ (1985) und ‚Unheimliche Begegnung der dritten Art‘ (1977) als Referenz. Ebenso alte Star-Trek-Filme, wo sie Laser-Strahlen in Prismen brachen und in Motion-Control-Kameras strahlen ließen. Diese Effekte bauten wir digital nach.”

Soft-Body-Animation

Der größte Vorteil, den der Einsatz von Soft Bodies brachte, war Geschwindigkeit. „Bei Simulationen geht es immer um Regeln und dynamische Kräfte“, sagt Franklin. „Selbst mit schnellen Rechnern ist das langsam und es ist auch schwer zu handhaben und den gewünschten Detailgrad zu erreichen. Wir wollten etwas, das stärker stilisiert ist, wie etwa Cloth unter Wasser und einen Strudel-Effekt. Die Soft-Body-Animation gab uns einen direkten Zugang, so dass wir ein stilisiertes Feeling schaffen konnten.“ Um dem Cloth einen lichtgetränkten Look zu geben, benutzten sie angepasste Shader in RenderMan, mit denen sie glitzernde Lichtspuren erzeugten.

Auch Industrial Light & Magic, die schon den Patronus-Effekt in dem vorangegangenen Film gestaltet hatten, trugen ihre Magie zu einer Patronus-Einstellung bei, in der Harry zu Beginn des Films zwei Dementoren mit dem Spruch angreift.

Für Harrys Patronus-Wesen, einen Hirsch, befestigte das Studio Cloth-Streifen an der Animation des großen, rennenden Tiers, renderten dann den Cloth mit Transparenz und fügten schließlich im Compositing mithilfe des studioeigenen Saber-Systems, das auf Inferno basiert, Lichteffekte hinzu.

Die Gestalt des Bösen

Auch für die Dementoren setzte das Studio Cloth ein. „Wir hatten die Dementoren für den dritten Film geschaffen“, erinnert sich VFX Supervisor Tim Alexander, „ich glaube, das war der Grund, warum das Team wieder auf uns zukam. Allerdings wollten sie diesmal, dass sie sich körperlicher anfühlen.“

Die Kreaturen, die im dritten Film wie windzerzauste Gespensterwesen wirkten, haben in diesem Film Köpfe und aus der wirbelnden Dunkelheit kommen Arme. Sie jagen Harry und Dudley Dursley in einen Tunnel. Einer schleudert Harry gegen die Wand und würgt ihn, bis er seinen Zauberspruch anwenden kann, der andere greift Dudley an und saugt ihm alle Freude aus der Seele, bis Harry auch diesen verjagt.

Wie für Harrys Patronus-Hirsch verwendete das VFX-Team auch für die Dementoren Cloth-Streifen; zwölf Stück für jede der Kreaturen. Damit die Animatoren in der Lage waren, die Cloth-Streifen zu steuern, entwickelten die TDs ein Anziehungssystem. Die Animatoren bewegten jeden Cloth-Streifen mithilfe eines Balls; jeder Ball zog wiederum einen Cloth-Streifen an. Ein digitales Modell von Harrys Hals war nötig für die Illusion, dass der Dementor Harry gegen die Wand drückt. Das Hals-Modell wurde dann „matchimated“: Die Artists empfanden die Bewegung eines Bluescreen-Elements von Schauspieler Daniel Radcliffe bildweise nach. Hier kamen Shapes zum Einsatz, damit es wirkt, als schnüre sich die Klaue des Dementors um Harrys Hals. Statt Texture Maps zu malen, die Shapes zu rendern und die Live-Elemente mit den digitalen zu tauschen, renderten sie Occlusion Passes. Diese erzeugten Schatten von der digitalen Hand und den Wülsten im digitalen Fleisch. Die Compositors generierten Graustufen-Mattes, die sie aus den Shadow Passes erzeugten, um den Hals im Composite aufzuhellen oder abzudunkeln.

Halb Pferd, halb Drache

ILM schuf auch die Thestrale, eine Kreuzung aus Drachen und ausgemergeltem Pferd. „Sie haben einen Pferdekörper und eine Flügelspannweite um die acht Meter“, berichtet Alexander, „und einen langen Knochenschwanz.“ Die Modeler gingen von Concept Art und 3D-Scans eines Modells in vollständiger Größe aus, um die Oberfläche und die darunter liegenden Knochen dieser Wesen zu schaffen. Die Haut war das Schwierigste. „Sie musste sich in die Rippen saugen“, sagt Alexander. Das wäre vielleicht nicht so schwer gewesen, aber die Haut musste an anderer Stelle über die Oberfläche gleiten. „Wir befestigten bestimmte Bereiche, indem wir über eine Texture Map festlegten, wo sie nicht gleiten soll.“

ILM setzte für die Simulation der Haut seine PhysBam-Engine ein, die gleiche Engine, mit der sie schon den Mahlstrom in „Pirates of the Caribbean: At World‘s End“ [siehe DP 04:07] geschaffen hatten. Dieses Mal bewegte die Engine Soft Bodies – die Haut – über Hard Bodies – die Rippen. Die Engine kam auch zum Einsatz, um Wasser zu gestalten sowie für Wellen, die sich an Felsen brechen.

Zentauren und Elfen

Ein drittes Studio, Framestore CFC, schuf zwei Arten von Wesen: Die Zentauren und eine Variante des Hauselfen Dobby namens Kreacher. Die Entwicklungsabteilung programmierte Maya-Plugins, die auf in Houdini entwickelten Prototypen basierten, um die Haut und das Muskelspiel der Mischwesen zusammenzuführen. Für Kreachers Minenspiel benutzte Framestore CFC Referenzmaterial des Schauspielers Timothy Bateson, keyframte die Sequenz aber am Ende. „Er ist ein elender, alter Hauself, der alles Gute hasst“, beschreibt Burke. „Wir entwickelten seinen Look in der Concept-Abteilung und stellten ihn dann bei Framestore CFC fertig.“

Dienstbare Naturelemente

Am Ende gestaltete auch The Moving Picture Company (MPC) zwei große Sequenzen, eine mit Feuerwerk, die andere ist ein großer Kampf zwischen Dumbledore und Voldemort. In der Feuerwerkssequenz fliegen die Zwillinge auf Besenstielen ins Prüfungszimmer und lassen Hunderte von Feuerwerkskörpern los.

„Sie leisteten großartige Arbeit dabei, mit einem Rock-KonzertSetup interaktive Lichteffekte am Set auszulösen“, lobt Burke. „Sie programmierten das mithilfe einer Prävisualisierung, trafen den Rauch mit den vorprogrammierten Lichtern und fügten dann CGFeuerwerk ein.“ Die Zwillinge integrierte MPC über ein Composite mit Bluescreen-Elementen, die mit Motion-Control-Kameras gedreht wurden. Zudem kamen digitale Doubles zum Einsatz.

Der Kampf zwischen Dumbledore und Voldemort findet in einem riesigen Raum statt. „Wir bauten dafür den größten GreenscreenSet, den wir jemals hatten“, erzählt Burke. Während der Schlacht bekämpfen sich der gute und der böse Zauberer mit Sprüchen, die die Gestalt von Naturelementen annehmen. Voldemort schickt Feuer, Dumbledore kontert mit einem Wasserwirbel. Voldemort lässt die Fenster zerbersten und beschießt mit den Splittern Dumbledore. Dieser verwandelt das Glas in Sand. „Dafür nahmen wir eine Kombination aus Animation, Effektanimation und für das CGWasser Scanlines Simulationsengine“, zählt Burke auf. Die Effekte steigern sich, bis Voldemort sich in den Sand von dem zerberstenden Glas verwandelt und von Harry Besitz ergreift.

Die nächste Produktion läuft bereits

„Die Arbeit der anderen Studios war weniger animationsbasiert“, schließt Burke, der inzwischen bereits an dem nächsten Film „Harry Potter und der Halbblutprinz“ arbeitet, der im November 2008 in die Kinos kommen soll. Der Zeitplan sieht sechs Monate Vorbereitung, sechs Monate Dreharbeiten und sechs Monate für die Postproduktion vor. Das ist knapp, sollte aber kein Problem sein: „Die Harry-Potter-Produktion läuft wie eine gut geölte Maschine“, freut sich Franklin. „Das war eine großartige Erfahrung.“

Kommentar schreiben

Please enter your comment!
Please enter your name here

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.