Die Filmakademie Baden-Württemberg erforscht nachhaltiges Filmemachen

Wie verkommt Green Producing nicht zur bloßen Worthülse der Kreativwirtschaft? Kann Virtual Production den CO₂-Ausstoß senken?

In nuce: In einer lesenswerten Studie berichtet das Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg über virtuelle Produktion – und wie sich mit ihr nachhaltige Filmprojekte realisieren lassen. Der Titel des Papers lautet „Green Screens, Green Pixels and Green Shooting“, skizziert auf informativen vier Seiten, wie moderne Filmproduktionen auf Nachhaltigkeit setzen können.

Forschungsfrage der Studie: Kann es gelingen, VFXen dank neuer Technologien nachhaltiger zu produzieren? Um diese Frage zu beantworten, haben die AutorInnen der Studie zwei vergleichbare Produktionen gegeneinandergestellt: Eine traditionelle Offline-Postproduktion und eine virtuelle Produktion mit einer LED-Wand.

Die Ausgangslage: Mehreren, aktuellen Berichten ist laut Studie zu entnehmen, wie sich herkömmliche Filmproduktionen auf die Umwelt auswirken. Der durchschnittliche CO₂-Bedarf aktueller Spielfilmproduktionen wird auf 2840 Tonnen geschätzt. Wie es in der Studie heißt, wurden hierbei jedoch die Visual Effects und deren Auswirkung nicht berücksichtigt. Die Studie des Animationsinstituts beruft sich vor allem auf den Screen New Deal.

Zwei Herangehensweisen im Vergleich: Da Erkenntnisse über die Nachhaltigkeit virtueller Produktionen aktuell dünn gesät sind, entschieden sich die AutorInnen der Studie dafür, zwei unterschiedliche Herangehensweisen in der Filmproduktionen miteinander zu vergleichen: Eine Produktion mit handelsüblichem Offline-Rendering und branchenüblicher Postproduktion, konterkariert mit einer Produktion mit LED-Wänden und In-Camera Visual Effects (ICVFX).

Gegenstand des Vergleichs: Um die Umweltauswirkungen einer Filmproduktion zu untersuchen, wurden zwei Produktionen der Filmakademie miteinander verglichen: die Offline-Produktion „Sprout“ (2019) und die virtuelle Produktion „Awakening“ (2021). „Awakening“ war Bestandteil eines Set-Extension-Workshops für Studierende der Filmakademie, bei der Studierende die unterschiedlichen Filmdepartements kennenlernen.

Drehen an der Schärfe – und am Rad der Zeit? Gehören Blue- und Greenscreen bald zur produktionstechnischen Vergangenheit?

Produktion No. 1 – Offline-Produktion „Sprout“: Bei dieser Produktion verfielt das Gros des Energieverbrauchs auf das Offline-Rendering und die Postproduktion. Hierbei wurde in der Postproduktion auf den traditionellen Greenscreen gesetzt. In der Studie heißt es: „Die Studioaufnahmen wurden an zwei Tagen umgesetzt. Die Produktion umfasste acht Einstellungen mit insgesamt 3233 Einzelbildern, einschließlich VFX.“ Weiter heißt es, „Die durchschnittliche Render-Zeit lag zwischen 40 Minuten und bis zu zwei Stunden.“

Wie groß war die (Wo)manpower von „Sprout“? Über den zeitlichen Aufwand von „Sprout“ sagt die Studie, dass deren Vorproduktion 100 Personentage (acht Stunden pro Tag) erforderte, die anschließende Postproduktion wurde binnen von 300 Personentagen durchgeführt. Ein Personentag setzt sich aus acht Personenstunden zusammen. Die sogenannte Personenstunde bemisst die durchschnittliche Leistungsfähigkeit einer Person innerhalb einer Stunde. Insgesamt waren an Vor- und Postproduktion fünf Studierende beteiligt.

Wie hoch war der Stromverbrauch der Offline-Produktion? Summa summarum ergab sich für „Sprout“ ein Stromverbrauch von insgesamt 5073 Kilowattstunden, jene sich zu 4 % aus Vorproduktion, 13 % aus Postproduktion, 79 % aus Offline-Rendering und 4 % aus dem benötigten Strom für die Displays zusammensetzten.

Sprout (2020) | VFX Breakdown

Produktion No. 2 – LED-Wand-Produktion „Awakening“: Anstelle der häufig anzutreffenden Greenscreens, wurde bei „Awakening“ auf gebogene LED-Wände im Rahmen einer Virtual Production gesetzt. Die StudienautorInnen bemessen „Awakening“ mit acht Aufnahmen, was insgesamt 8898 Einzelbilder ausmachte. Bezüglich des Arbeitsaufwands waren sieben Studierende mit fünf Wochen an der Vorproduktion beteiligt, außerdem sechs Studierende für einen Zeitraum von fünf Wochen besorgten die Postproduktion.

Wie groß war die (Wo)manpower von „Awakening“? An der Postproduktion waren sechs Personen über fünf Wochen beteiligt, was zu einem Verbrauch von 504 kWh führte. Die AutorInnen verweisen darauf, man hätte bei ICVFX eine niedrigere Zahl erwarten können, da nach allgemeinem Verständnis In-Camera Visual Effects solche sind, die am Set aufgenommenen werden, und anschließend keiner Postproduktion bedürfen.

Wie hoch war der Stromverbrauch der LED-Wand-Produktion? Der Gesamtstromverbrauch für die LED-Wand-Produktion schätzen die AutorInnen der Studie auf 1594 Kilowattstunden, wovon 37 % auf die Vorproduktion, 31 % auf die Postproduktion, 10 % auf die Displays, 19 % auf die LED-Wand, 1 % auf das LED-Wand-Rendering und 2 % auf das Offline-Rendering entfielen.

In ihrem Fazit kommen die AutorInnen der Studie zu dem Schluss, dass eine virtuelle Produktion, im Vergleich zu einer offline gerenderten Produktion, etwa dreimal weniger Energie verbrauchen kann. Deshalb betrachten die AutorInnen die virtuelle Produktion als nachhaltige und umweltbewusste Produktionstechnik. Die AutorInnen betonen jedoch, kein klares Votum für die virtuelle Produktion auszusprechen, denn sie stelle „keine Lösung für alle Aspekte einer Filmproduktion“ dar. Gleichzeitig sollte sie jedoch als wertvolle Möglichkeit betrachtet werden, jene eine umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen präsentiert.

Weitergeklickt: Die gesamte Studie lest ihr wahlweise auf Deutsch oder Englisch. Hinter den Links informiert ihr euch weiterführend zur Filmakademie, ihrem Animationsinstitut und deren Forschungstreiben. Studieninteressierte erfahren in unserem Artikel Filmakademie: Auf zum Studenten-Oscar?, so gedruckt in der Print-Ausgabe DP 03 : 2021, alles Wissenswerte über das Ausbildungsangebot der Ludwigsburger Uni.

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