Todesfall in Celebration City

Rückblick: In der DP 07 : 2016 berichtete Fotodesigner Jürgen Stein von seinem Schwarz-Weiß-Werk "Topview", das mit Softimage und Arnold entstanden ist. Mehr als nur Schwarz-Weiß-Malerei?

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 07 : 2016.

Man muss schon genau hinschauen, um die Details des CG-Bildes „Topview“ zu entdecken. Und dann fragt man sich: Warum bloß ein totes Schwein vor der Garage? Im letzten Jahr erhielt „Topview“ eine animago-Nominierung in der Kategorie „Bestes Still“. Der Urheber Jürgen Stein (www.juergen-stein.de) ist seit mehr als 17 Jahren als Fotodesigner tätig; seit einigen Jahren ist die Spezialisierung auf fotorealistische CGIMotive hinzugekommen. Hier berichtet er von seiner Arbeit an dem Schwarz-Weiß-Werk, das mit Softimage und Arnold entstanden ist.

Der Titel „Topview“ ergibt sich schlicht und einfach aus der gewählten Kameraeinstellung. Die Idee zu dem Bild entstand durch mein Interesse an urbanen Landschaften, an Vorstädten und der Frage: In welcher Umgebung leben wir eigentlich? Als ich das Buch „Disneyfizierung der amerikanischen Großstadt“ und die Berichte über die Krawalle und Rassenunruhen in den Medien las, entdeckte ich dabei die Stadt Celebration, die laut Informationen im Internet eine amerikanische Traumstadt ist, in der alles für die Bürger vorbildlich geregelt ist und in der es kein Verbrechen gibt.

Wie ein Film-Frame

Das Still habe ich als Privatprojekt alleine umgesetzt, meistens abends und am Wochenende neben meiner täglichen Arbeit. Darum hat es circa 4 bis 5 Wochen gedauert, bis das Bild fertig war – hinzukam, dass ich mir für das Projekt Marvelous Designer für die 3D-Kleidung der Charaktere beibringen musste. Für einen realistischen Nachbau der Ansicht suchte ich die Stadt Celebration auf Google Earth und fertigte Screenshots an. Ich wollte keine Actionszene mit Explosionen oder ähnlichem kreieren, sondern nur so viel darstellen, dass der Betrachter Raum für eigene Vorstellungen hat – mit offenem Anfang und Ende, wie ein Frame aus einem Film.

Fotografierte CG-Welt

Bei all meinen Stills beginne ich immer mit Grundkörpern in Softimage: Cubes, Spheres, Bäume etc. So lassen sich Ver- änderungen schnell vornehmen und es muss nicht 4 Tage an einem 3D-Asset gemodelt werden, das man am Ende dann doch nicht braucht. Um weniger Ärger im Renderprozess zu haben – was bei einer 10 Millimeter großen Straße der Fall wäre – arbeite ich grundsätzlich im Maßstab der realen Welt.

Da meine CG-Werke so fotografisch wie möglich sein sollen, setzte ich im 3D-Prozess das Real-Lens-Plug-in ein; damit lassen sich exakt die Kameradaten beispielsweise einer Hasselblad oder die Werte einer Brennweite bestimmen – erst danach lege ich die 3DKamera im Bild fest.

Begrünung

Die Bäume stammen zum Großteil aus Speedtree, die simpleren im Off-Bereich sind fertige Xfrog-Modelle; einige der Palmen sowie die Polizeiautos habe ich von Evermotion. Die Rasenflächen entstanden mithilfe von gescatterten ICE-Strands und teilweise mit dem Forecaster-Plug-in.

Lighting & Rendering

Neben der Maxwell-Render-Engine setzte ich oft das Arnold-Plug-in SItoA für Softimage ein – so auch in diesem Fall. Zu Beginn eines Projekts lade ich als Referenz einen Chrome- und einen Grey-Ball sowie ein kalibriertes Farbfeld in die Szene. Diese bewährte Technik habe ich aus der Maxwell-Renderumgebung übernommen. Die so entstehenden Werte lassen sich dann in Nuke mit dem Original vergleichen und es ergibt sich eine bessere Übersicht über Belichtung, Tonwerte und vieles mehr. „Topview“ habe ich mit einem Arnold Physical Sky beleuchtet, der mit einem selbsterstellten HDRI in Nuke gemergt und für das gewünschte Licht modifiziert wurde. Danach wurden die Framebuffer sowie zusätzliche Masken und AOVs wie Point Position, Normals, Depth etc. aufgesetzt – für Nuke in 32 Bit Half Float. In dem Basic Compositing in Nuke musste ich – je nach Fortschritt – nur noch die Framebuffer austauschen, sodass immer der aktuelle Stand zum Vergleich vorlag – beispielsweise setzte ich die Samples rauf, wenn Noise im GI-Pass sofort sichtbar war. Das Texturing nahm ich mit Mari vor; der UDIM-UV-Mapping-Workflow des Tools wird auch von dem Arnold-Plug-in SItoA unterstützt. Für das Shading verwendete ich die Standard-Arnold-Shader, und die 3D-Characters wurden mit den Softimage-Plug-ins Gear und Species in Position gebracht. Die Falten der mit Marvelous Designer erstellten Kleidung habe ich mit Z-Brush noch etwas angepasst sowie verstärkt und im Anschluss als Displacement Map herausgeschrieben.

Ist ein Prop fertig gemodelt und geshadet, speichere ich es als Softimage-Modell ab und ersetze es in der Szene durch ein Arnold-Standin (in anderen Software-Paketen als Proxy bekannt). Dadurch bleibt die Szene leicht und Arnold rendert noch schneller, als er es ohnehin schon tut. Wenn das Still fertig ist, geht es in Nuke. Dort nehme ich noch einige finale Tweaks vor. Den Schwarz-Weiß-Look des Bildes erzeugte ich in einem letzten Schritt in Photoshop.

Bye bye Softimage

Da der Arnold-Renderer in Softimage wunderbar integriert ist, eignet sich die AutodeskSoftware überragend für die Umsetzung solcher Projekte. Vor allem, wenn man alleine an CG-Werken dieser Art arbeitet, kommt der durchdachte Workflow in Softimage besonders zum Tragen – anders als in jedem anderen Autodesk-Produkt. Auch wenn die Firma Autodesk beschlossen hat, ihr bestes Pferd im Software-Stall nicht mehr weiter anzubieten, werde ich Softimage so lange benutzen, bis sich was Besseres auf dem Markt findet. Zwischen den weiteren Autodesk-Produkten gibt es für mich keine entsprechende Alternative zu Softimage und seinen Optionen.

Die Arbeit an „Topview“ hat mir sehr viel Spaß gemacht – ich denke darüber nach, eine Serie sowie ein Buchprojekt zu der Idee zu realisieren.

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