Rubinrote VFX | Retro-Artikel

Rückblick: Die DP 03 : 2013 näherte sich der Jugendroman-Verfilmung Rubinrot. Wir sprachen mit Professor Jürgen Schopper, Supervisor Mortimer Warlimont und VFX Producer Katja Müller über Partikeleffekte, die Verfilmbarkeit von Spiegel-Bestsellern und die Magie von VFX-Shots.

Dieser Artikel von Bela Beier erschien ursprünglich in der DP 03 : 2013.

Aufwendige Kino-Projekte erfolgreicher Fantasy-Literatur? Das ist „Rubinrot“, eine Jugendroman-Verfilmung, welche vom 21. Februar an in Mühlhausen, Eisenach/Wartburg, Weimar, Köln, Aachen, Jülich, Coburg, Bayreuth sowie London an 42 Drehtagen produziert wurde. Regie führte Felix Fuchssteiner, hinter der Kamera stand DoP Sonja Rom. Aufgenommen wurde „Rubinrot“ im Format: 1:2.35 mit der Red Epic. DP sprach mit Professor Jürgen Schopper, Professor an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg und langjähriger Berater bei Arri, sowie dem VFX-Produzenten und VFX-Supervisor.

Das Buch stand 54 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Allein hierzulande wurden über eine Million Exemplare verkauft. Inzwischen existieren Übersetzungen in 19 Sprachen. Damit das Ergebnis auch ästhetisch ansprechend ist, kamen die VFXen komplett von Arri Film & TV Services aus Köln.

Eine der Herausforderungen bestand in der Visualisierung der zahlreichen Zeitsprünge der Protagonisten von einer Epoche in die andere. Zudem gibt es von diesen Zeitsprüngen zwei Varianten: Eine unkontrollierte, mit der die Heldin zu Beginn zu kämpfen hat, und später dann eine kontrollierte, bei der eine mysteriöse mit Blut aktivierte Maschine, der Chronograf, eine Schlüsselrolle spielt.

DP: Herr Professor Schopper, wie sind Sie Produktion zum „Rubinrot“-Team gekommen?

Jürgen Schopper: Ich habe das Projekt hinsichtlich der VFX beratend unterstützt. Dafür war ich schon frühzeitig im Gespräch mit der Lieblingsfilm GmbH und Robert Marciniak, Philipp Budweg sowie Thomas Blieninger, die ich seit vielen Filmen kenne, sowie mit der mem film GmbH und damit mit Felix Fuchssteiner und Katharina Schöde. Damals gab es nur ein Drehbuch. Die spätere Umsetzung der VFX-Arbeiten erfolgte komplett bei Arri Film & TV Services in Köln.

DP: Herr Warlimont, wie sah der genaue Workflow aus und wie haben Sie den „Standard“ an „Rubinrot“ angepasst?

Mortimer Warlimont (Supervisor Visual Effects): Neuland haben wir mit der Verwendung des sogenannten linearen Workflows für die Arbeiten an „Rubinrot“ beschritten. Dabei handelt es sich um den innovativen Farbraum-Standard, der vom TechnologieKomitee der Academy of Motion Picture Arts & Science als ACES-System aus der Taufe gehoben wurde.

Die bisher als Austauschformat verwendeten DPX-Daten im logarithmischen Raum sind ja eine Art Zwischenlösung. Sie entstanden zunächst aus der Notwendigkeit heraus, digitale Daten (CGI/VFX) mit gescanntem, analogem Filmmaterial zusammenzubringen.

Nachdem inzwischen fast alles digital und eigentlich linear gedreht wird, ist es sinnvoll, einen neuen Farbraum zu etablieren, der einen nahtloseren Übergang zwischen den zu verbindenden Datenströmen ermöglicht. Wir haben hier mit „Rubinrot“ ein wenig Pionierarbeit geleistet.

DP: Herr Schopper, was war Ihrer Meinung nach der aufwendigste VFX-Shot und wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Jürgen Schopper: Das Highlight des Films aus Sicht der VFX ist der Chronograf. Von außen ein real gebautes Prop, digital nachträglich etwas „enhanced“, stellte sich die entscheidende Frage, wie das komplizierte und für die Handlung so wichtige Innenleben adäquat umgesetzt werden sollte.

Wir haben wirklich viel getestet, bis die Ästhetik passte und unterschiedlichste Layouts und Designs der Regie zur Auswahl gestellt. Ausgangspunkt der Überlegungen war eine Bleistiftskizze von Katharina Schöde.

Schließlich einigten wir uns auf ein Crossover aus Jugendstil mit einem Schuss Steampunk-Ästhetik. Arris Head of 3D, Michael Koch, leitete die monatelange Feinarbeit des Kölner 3D-Teams, welches das komplexe bewegte Innenleben der Mechanik des Chronografen inklusive Nebel und Partikelwolken in full CG herausgearbeitet hat.

DP: Die „Rauchhand“ am Ende wurde ja aus Partikeln zusammengesetzt. Herr Koch, sehen Sie einen Trend zu VFX aus emittierenden Objekten?

Michael Koch (Arri Head of 3D): Dass die „nebulöse“ Hand des bösen Grafen die Heldin mit rauchigen Fingern würgt, stand bereits so im Drehbuch. Natürlich stimmt es, dass 3D-Partikel-Animation-Sys teme immer besser und vermehrt eingesetzt werden, aber von einem Trend würde ich nicht sprechen.

DP: Herr Schopper, inwieweit waren Sie und Ihr Team in die Gestaltung involviert? Wie haben Sie die Effekte aus der Buchvorlage entwickelt?

Jürgen Schopper: Alle Visual Effects wurden in Absprache mit Regie und Produktion gemeinsam entwickelt. Das ist ja gerade der Spaß daran! Es beginnt mit Bleistiftskizzen, die irgendwann zu digitalen Layouts werden. Danach prüft man, ob der gestalterische Ansatz auch für alle im Film vorkommenden Einstellungsgrößen passt. Anschließend fließt das Design als Referenz in den VFX-Workflow ein und wird schließlich Teil des Films.

DP: Frau Müller, als deutscher Jugendfilm kann „Rubinrot“ vom Budget her nicht mit Hollywood-Blockbustern mithalten. Welchen Ratschlag können Sie Jungfilmern geben, um bei VFXen im Rahmen des Budgets zu bleiben?

Katja Müller (VFX Producer): Natürlich bestimmt das Budget letztendlich die Anzahl und Komplexität von VFX-Arbeiten. Digitale Bildgestaltung ist kein Geschäft mit endlosem Verhandlungsspielraum. Dennoch ist es am wichtigsten für eine Produktion, sich frühzeitig, also lange vor den Dreharbeiten beraten zu lassen.

Unabdingbar sind präzise Storyboards und eine genaue Shot-basierte Kostenkalkulation. Natürlich bieten wir dann bei den Dreharbeiten Set-Supervision an und erst danach befinden wir uns ja eigentlich in der Phase der Postproduction.

Wenn aber die Vorbereitungen entsprechend berücksichtigt wurden, wird es bei der Herstellung der VFX für die Produktion sicher keine Kostenexplosion geben.

DP: Herr Warlimont, sehen Sie einen Unterschied zu europäischen oder internationalen Produktionen?

Mortimer Warlimont (Supervisor Visual Effects): Nein, aufgrund meiner Erfahrung bei internationalen Produktionen sehe ich hier keinen Unterschied. Man zieht zusammen an einem Strang, um einen guten Film zu machen.

DP: Der Film wurde ja stellenweise an historische Locations gedreht. Welche Probleme entstehen auf diese Weise für die visuellen Effekte?

Mortimer Warlimont: Bei historischen Locations hat man drehseitig immer eine große Verantwortung. Bei „Rubinrot“ war tatsächlich ein besonderes Licht-Setup nötig, das in das Motiv ragte und nachträglich digital ausgetauscht wurde. In der Wartburg in Thüringen überlagerte ein riesiges Lichtkissen fast die komplette Decke, die dann in einer ExtraPlate gedreht wurde.

DP: Frau Müller, die Set Extensions für die Zeitsprünge waren ja recht ausufernd.

Katja Müller (VFX Producer): Ja, das stimmt. Grundsätzlich bilden historische Fotografien, Gemälde oder Stiche eine gute Referenz für historische Bauten.

DP: Haben Sie durch Ihre Arbeit an den Filmen „Die Päpstin“ oder auch „The Countess“ bereits eine Bibliothek zur Hand, die praktischerweise mit Gebäuden aus verschiedenen Epochen befüllt ist?

Katja Müller: Ja schon, aber eine bestehende Bibliothek an 3D-Gebäuden kann man leider nur sehr begrenzt nutzen. Jeder neue Film ist eine neue Herausforderung und hat andere Ansprüche als das vorherige Projekt. Die Parameter Epoche, Location oder auch der benötigte Detailgrad innerhalb eines VFX-Shots sind ja nie gleich.

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