Das Gesetz der Serie | Retro-Artikel

Rückblick: In der DP 05 : 2010 suchten wir mit Blue Byte das Fachgespräch, dem deutschen Gaming-Branchenurgestein. Managing Director Odile Limpach und Producer Benedikt Grindel löcherten wir zum 7ten Teil der Aufbaustrategie-Reihe Die Siedler.

Dieser Artikel von Michael Krimmer erschien ursprünglich in der DP 05 : 2010.

Es gibt nicht viele erfolgreiche deutsche Spieleentwickler, die die Boomjahre der 80er überstanden haben und auch heute noch regelmäßig Titel auf den Markt bringen. Ein Urgestein der deutschen Games-Studio-Branche ist Blue Byte. Und dieses Studio entwickelt 22 Jahre nach seiner Gründung noch weiter erfolgreich Spieletitel.

Blue Byte, 1988 von den ehemaligen Mitarbeitern des deutschen Studios Rainbow Arts in Mülheim an der Ruhr Über die Blue Byte GmbH gegründet, verstand sich von Anfang an auf die Entwicklung von Strategie-Spielen und Simulationen.

Der erste größere Erfolg war die TennisSimulation „Pro Tennis Tour“ aus dem Jahre 1989, die insgesamt gut 500.000 Mal verkauft wurde. Dazu kamen so erfolgreiche Titel wie beispielsweise „Battle Isle“, das sein Debüt 1991 feiern konnte und insgesamt zwei Fortsetzungen erhielt.

Allerdings konnte Blue Byte keiner der vielen Titel den Erfolg bringen, der im Jahr 1993 mit der ersten Version von „Die Siedler“ in die Wege geleitet wurde. Bisher wurden insgesamt mehr als 8.000.000 Exemplare der Siedler-Spiele verkauft.

Heute, 17 Jahre nach dem Release der ersten Version, brachte Blue Byte im März 2010 die Version 7 der Siedler-Reihe auf den Markt und kann aller Voraussicht nach an die Erfolge der Vorversionen anknüpfen. Ein Grund für den Erfolg neben der über die Jahre stetig angewachsenen Zielgruppe mag auch darin begründet sein, dass „Die Siedler“ entgegen zwischenzeitlicher Ankündigungen nach wie vor nicht nur für Windows-PCs entwickelt wird. Auch in den Reihen der Nutzer von Apples Mac OS hat sich eine große Fangemeinde gebildet, die Folge für Folge zum Erfolg der Siedler beitragen.

Im Jahr 2001 wurde Blue Byte vom französischen Publisher Ubisoft übernommen. Ubisoft bezahlte für die Akquise 26 Millionen Mark und erwarb damit auch die Rechte an allen bisherigen Spieletiteln von Blue Byte. Rückblickend dürfte sich diese Investition alleine durch die Rechte an der Siedler-Serie gelohnt haben. Im Zuge der Integration in den Ubisoft-Studioverbund erfolgte 2003 dann auch der Umzug Blue Bytes an den UbisoftFirmensitz nach Düsseldorf.

Blue Byte wurde in das weltweite Netzwerk der Ubisoft-Studios integriert. Dieser Verbund besteht aus 24 Studios in 17 Ländern, was weltweit die zweitgrößte InhouseEntwicklungsressource darstellt. Ubisoft beschäftigt rund 5.300 Mitarbeiter im Bereich der Produktion. An einem Projekt wie „Die Siedler 7“ arbeiten weit mehr als 120 Mitarbeiter. Bei „Die Siedler 7“ steuerten auch externe Dienstleister beispielsweise den Soundtrack zum Spiel bei.

In den Produktionsprozess eingebunden waren auch die Ubisoft-Studios Montreal und Bukarest, die mit ihren Kollegen von Blue Byte eng an der Internetanbindung für den Mehrspielermodus arbeiteten oder den Testbereich der Qualitätssicherung unterstützten.

Ubisoft setzt auf eine Kombination aus organischem Wachstum und Zukäufen und erwirbt immer wieder mal Studios und Marken, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. So wurde beispielsweise 2007 der deutsche Publisher Sunflowers samt den Rechten an der „Anno“-Reihe übernommen. „Anno“ ist eine populäre Wirtschaftssimulation, die es bereits seit 1998 gibt, als mit „Anno 1602“ der erste Teil der Serie veröffentlicht wurde. Es folgten im Jahr 2002 „Anno 1503“, 2006 „Anno 1701“ und 2009 „Anno 1404“. Und auch die Rechte an „Driver“, eine Art Fahrsimulation, die vorher bei Atari lagen, konnten in das Ubisoft-Portfolio aufgenommen werden.

So entstand ein Schwergewicht der Spielebranche, das im Finanzjahr 2008/2009 einen Umsatz von 1,058 Milliarden Euro erwirtschaften konnte und exklusive Japan die Nummer drei der unabhängigen Publisher war. Und mit weiteren Zukäufen könnte sich langsam aber sicher das Projekt Ubisoft ebenso weiterentwickeln wie eine gesunde Stadt in „Die Siedler“.

Über die Blue Byte GmbH

Blue Byte wurde 1988 von den ehemaligen Rainbow-Arts-Mitarbeitern Thomas Hertzler und Lothar Schmitt gegründet. Firmensitz war Mülheim an der Ruhr. Gleich zu Beginn wurden erfolgreiche Titel entwickelt, der endgültige Durchbruch kam aber mit der Aufbaustrategiesimulation „Die Siedler“.

Im Jahre 1994 wurde eine Niederlassung in Northampton, England, gegründet, damit auch der englischsprachige Markt bedient werden konnte. Bereits ein Jahr später kam eine Dependance in Schaumburg, Illinois, dazu. Diese weitere Niederlassung sollte dabei helfen, auch auf dem nordamerikanischen Markt aktiv werden zu können.

Es folgten einige erfolgreiche Jahre, aber auch einige, die weniger gut liefen. 1997 und 1998 hatte Blue Byte die Abwanderung von einigen altgedienten Mitarbeitern zu verkraften, die ein eigenes Studio gründeten: Funatics. Das Entwicklerstudio Funatics ist bis heute im Geschäft und entwickelte in den vergangenen Jahren einige Titel für den französischen Spieleentwickler und Distributor Ubisoft, unter anderem auch rund um „Die Siedler“. Ubisoft war es auch, das im Februar 2001 Blue Byte für rund 26 Millionen Mark übernahm.

Im Zuge der Übernahme verlagerte Blue Byte 2003 seinen Firmensitz nach Düsseldorf, wo auch Ubisoft Deutschland seine Zentrale hat. Web: www.bluebyte.de

Interview | Benedikt Grindel

Benedikt Grindel, geboren am 6. März 1969, ist seit April 2001 bei Blue Byte als Producer tätig und war maßgeblich an der Produktion von „Die Siedler 7“ beteiligt. Im Interview mit der DIGITAL PRODUCTION spricht er unter anderem über die Produktion des neuesten Teils der Siedler-Reihe.

DP: Wird bei Blue Byte ausschließlich in Deutschland entwickelt oder entstehen Spiele auch in eigenen Studios im Ausland, in einer Art Rund-um-die-Uhr-Workflow?

Benedikt Grindel: Das Spiel wird zum Großteil in unserem Studio in Deutschland entwickelt. Wir nutzen allerdings auch Ressourcen von anderen Ubisoft-Studios, etwa das in Montreal sowie weitere Outsourcing-Partner. Die Cut-Scene-Sequenzen in „Die Siedler 7“ sind in Frankreich, beim Studio Chez Eddy, entstanden. Dialog-Sequenzen und IngameAnimationen wurden in Dresden von PiXABLE gemacht. Wir haben uns hier einfach Expertise aus dem Filmbereich geholt, um den neuen Grafikstil noch stärker zu unterstreichen. Dass der Soundtrack von Dienstleistern kommt, ist nichts Neues. Die wenigsten Studios verfügen über einen eigenen Komponisten. Wobei unsere Großstudios in Montreal und Shanghai eigene Soundstudios haben.

DP: Wie lange dauert der optische Feinschliff in der Postproduktion, sobald das Spiel selbst fertiggestellt ist?

Benedikt Grindel: Das ist schwer zu sagen, denn der Feinschliff beginnt nicht erst in der Postproduktion. In den letzten zwei Monaten der Entwicklung haben wir fast ausschließ- lich am Feinschliff gearbeitet, aber zuvor wurde das insbesondere bei Gebäuden und Charakteren auch schon gemacht.

DP: Welche Software verwendet ihr bei der Entwicklung eurer Spiele?

Benedikt Grindel: Die Programmierung verwendet hauptsächlich C++ und LUA, in der Grafik haben wir für die 3D-Modellierung 3ds Max, für die Texturierung Photoshop und für die Erstellung der Animationen Softimage verwendet.

DP: Auf welche Hardwareausstattung könnt ihr bei Blue Byte zurückgreifen?

Benedikt Grindel: Wir benutzen leistungsfä- hige PCs, meist Dual- oder Quad-Core, die außerdem alle mit schnellen Grafikkarten ausgestattet sind.

DP: Wie hoch ist der Anteil der Postproduktion eines Spiels im Vergleich zu den restlichen Entwicklungsstufen?

Benedikt Grindel: Auch das ist schwer zu beziffern. Eine Schätzung: Der optische Feinschliff nimmt etwa 30 Prozent der Zeit in Anspruch, die für die Erstellung der Grafik aufgewendet wird.

DP: Gibt Blue Byte beziehungsweise Ubisoft Aufträge zur Nachbearbeitung nach draußen oder wird alles intern erledigt?

Benedikt Grindel: Das wird im Wesentlichen – wie bereits erwähnt – intern erledigt, auch bei Assets, die wir extern erstellt haben. Im Einzelfall, etwa bei Animationen, haben auch Partner von uns an der Nachbearbeitung mitgewirkt.

DP: Wie groß ist der Druck für Entwickler, wenn man eine Serie wie „Die Siedler“ fortführt, von der erwartet wird, dass jede Fortsetzung wirtschaftlich erfolgreich ist?

Benedikt Grindel: Das ist einerseits Druck, andererseits aber auch eine gute Startbedingung. Ich bin der Meinung, dass das Risiko des wirtschaftlichen Misserfolgs bei einer Marken-Neueinführung größer ist, als es bei Ubisofts eigenes CGI-Studio einem bekannten Titel der Fall ist.

DP: Welche Blue-Byte-Produktion war das Highlight der vergangenen Jahre?

Benedikt Grindel: Für mich ist DAS Highlight der letzten Jahre Siedler 7.

DP: Woran arbeitet ihr gerade?

Benedikt Grindel: Wir arbeiten weiterhin an Die Siedler 7. Alles andere darf ich hier nicht weitergeben.

Interview | Odile Limpach

Odile Limpach, geboren am 9. März 1971, ist seit 1996 bei Ubisoft und aktuell Managing Director & Produktentwicklung bei Blue Byte.

DP: 1988 gegründet, wurde Blue Byte 2001 von Ubisoft übernommen. Wie lebt es sich unter dem Dach eines des größten Publishers der Welt und wie steht es um die Studio-Freiheit?

Odile Limpach: Wir sind voll in die Entwicklungsprozesse bei Ubisoft eingebunden, haben aber in unseren Entscheidungen große Freiheiten. Das ist eine tolle Situation: Mit Ubisoft im Rücken haben wir Zugriff auf das Know-how und die Technologie von weltweit über 5.000 Entwicklern. So profitieren wir von den Methoden, Prozessen und Erfahrungen der Ubisoft-Gruppe beziehungsweise dem Studio-Netzwerk, das aus 24 Studios in 17 Ländern besteht.

DP: War aufgrund der Historie der SiedlerReihe abzusehen, dass auch „Die Siedler 7“ ein Erfolg wird oder ist das bis zum Verkaufsstart immer ein Risiko wie bei jedem anderen Spiel?

Odile Limpach: Das ist immer ein gewisses Risiko, weil sich die Märkte verändern. Doch bei der gelieferten Qualität und der Markentreue unserer Siedler-Fans waren wir sehr zuversichtlich.

DP: Und wie verkauft sich der aktuelle siebte Teil der Siedler-Reihe?

Odile Limpach: Es ist noch zu früh, da ein wirkliches Urteil zu fällen, weil Siedler-Spiele sich traditionell sehr lange verkaufen. Mit den ersten Verkäufen sind wir zufrieden.

DP: Ist es heutzutage eher ein Vor- oder ein Nachteil, wenn man am Standort Deutschland Computerspiele entwickelt?

Odile Limpach: Deutschland hat noch Nachholbedarf, besonders bei Ausbildung, Förderung und auch bei der gesellschaftlichen Anerkennung unserer Branche. Aber es gibt erste gute Entwicklungen. Wir sind gerne in Deutschland und wollen hier auch bleiben.

DP: In den vergangenen Monaten hatten viele Branchen unter der Wirtschaftskrise zu leiden. Wie hart hat das Blue Byte/Ubisoft getroffen und wie sieht es derzeit aus?

Odile Limpach: Die Krise ist nicht spurlos an uns vorüber gegangen, aber sie hat die Branche und unser Unternehmen nicht so hart getroffen wie andere.

DP: Was waren die Strategien, um in der Krise nicht zu scheitern?

Odile Limpach: Wir haben uns auf das konzentriert, was wir am besten können: Gute Spiele zu veröffentlichen und den Markt auf neue Nischen hin zu beobachten.

DP: Welche drei Titel waren die wirtschaftlichen Highlights der vergangenen Jahre?

Odile Limpach: Für Blue Byte die Siedlerund die Anno-Reihe. Für Ubisoft weltweit vor allem Assassin’s Creed I und II, die wohl erfolgreichste Neueinführung einer Marke in unserem Bereich seit langem.

DP: Sind irgendwelche länderübergreifenden Kooperationen, Zusammenschlüsse oder Zukäufe geplant?

Odile Limpach: Blue Byte und Ubisoft haben in den vergangenen Jahren viel investiert, unsere internen Entwicklungsressourcen sind auch in der Krise weiter gewachsen. Zu Details der zukünftigen Entwicklung kann ich hier leider keinen Ausblick geben.

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