Höhenflug | Retro-Artikel

Rückblick: In der DP 06 : 2014 rotierte der zweite Teil von Planes in die Einflugschneise. Die Disneytoon Studios stockten seinerzeit das Budget für Softwarelizenzen und Personal auf –aber kommt der Film an Disney-Slash-Pixar Großproduktionen wie Frozen oder Brave heran?

Dieser Artikel von Sabine Hatzfeld erschien ursprünglich in der DP 06 : 2014.

Pixar respektive Disney landete im Jahr 2006 mit dem Animationsfilm „Cars“ einen beachtlichen Coup. Der Film erhielt Auszeichnungen, war unter anderem für den Oscar nominiert, und gleichzeitig eröffnete er eine lukrative Merchandising-Welt. So war es auch nicht verwunderlich, dass im Jahr 2011 „Cars 2“ nachgelegt wurde.

Eine gewisse Skepsis schlich sich bei „Planes“ ein, der von den DisneyToon Studios im Jahr 2013 produziert wurde. Das Studio kümmerte sich im Disney-Verbund lange Zeit in erster Linie um die Direct-to-VideoProduktionen (DTV). Aufgesetzt auf DisneyFilmerfolgen wurden günstige Fortsetzungen produziert. Diese „Cheapquels“ gerieten zunehmend in die Kritik, allen voran von John Lasseter, der nach der Übernahme von Pixar 2006 als Chief Creative Officer in beiden Studios agiert. Nach einer grundlegenden Umkrempelaktion von Lasseter sollen nun nicht überwiegend Sequels produziert werden, sondern eigenständige Spin-offs. So kam es, dass aus dem „Cars“-Universum der eigenständige Film „Planes“ (2013) entwickelt wurde, der allerdings zuerst als reine DVD-/ BD-Produktion vorgesehen war. Mit der Neuausrichtung nahm Lasseter auch die Vorgehensweise bei Produktionen auseinander und unter seine Fittiche. Vor allem bei „Planes 2“ investierten die Mitarbeiter Disney- und Pixarlike Monate in umfassende Recherchen. Zwar recherchierte das Team auch im ersten Teil – alle Flugzeuge sind maßstabsgetreu angelegt, ebenso die Sets, die Flugzeuge fliegen mit Originalgeschwindigkeit. Dennoch erzielte der als „Cars“-Ableger wahrgenommene Film eher verhaltene Kritiken. Für Teil zwei dürften diese positiver ausfallen, denn das Studio hat einen soliden Film herausgebracht. Animationsgeschichte wird „Planes 2“ zwar nicht schreiben, aber für die Geschichte der DisneyToon-Studios ist der Film ein Schritt in die richtige Richtung.

Recherche

Die Recherche führte das Toon-Team zum L. A. County Fire Department, in das Trainingslager des U. S. Forestry Service, wo das Team eine Feuerspringer-Abschlussklasse kennenlernte, und vor allem in die kalifornische Hemet-Ryan Air Attack Base von CalFire, dem California Department of Forestry and Fire Protection. Der Großteil dessen, was im Film zu sehen ist, geht auf die Gespräche mit den dortigen Feuerwehrleuten zurück, die auch in das Storytelling und die Entwicklung der Dialoge eingebunden waren. Für die korrekte Darstellung der Flugmanöver holte man Helikopter-Kunstflieger Chuck Aaron ins Team, der die Storyboards und fertigen Einstellungen im Film freigeben musste. Für den Feinschliff durften die Artists auch selber mit ferngesteuerten Modell-Hubschraubern üben, um den richtigen Flugwinkel für einen glaubwürdigen Absturz zu ermitteln. Selbstredend standen auch Besuche der National Parks, allen voran Yosemite und Yellowstone, auf dem Programm.

Im Gegensatz zu einem Verlagshaus, das im Eingangsbereich lediglich mit einem Zeitschriftenständer aufwarten kann, haben Animationsstudios deutlich mehr Dekorationsmöglichkeiten. Die DisneyToon Studios haben diese reichlich genutzt.

Effekte in Houdini

In „Planes 2 – Immer im Einsatz“, Kinostart 14. August, stürzt das Toon-Team das kleine Rennflugzeug Dusty schon kurz nach Filmstart in eine ordentliche Krise. Aufgrund eines Getriebeschadens scheint die Rennkarriere vorbei zu sein, woraufhin der Hauptdarsteller durchdreht und den Flughafen seiner Freunde ruiniert. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma: sich als Löschflugzeug ausbilden lassen. Ab diesem Moment geht es vorrangig um die Bekämpfung von Waldbränden, wofür das Studio allein das FXTeam auf 75 Artists aufstocken musste. Denn in über der Hälfte der 1.224 Einstellungen im Film geht um Feuer, Rauch und Wasser. Dabei wurde nicht ständig das Rad neu erfunden: Neben der aufwendigen Gestaltung von individuellen Feuern bediente sich das Team für die restlichen FeuerShots aus einer eigens erstellten Effekt-Bibliothek. Wichtige Einstellungen, die mit Houdini gelöst wurden, waren die Stromschnellen des Wildwassers und der Flug in den Canyon, der vollständig in Flammen steht. Allein für diesen Showdown des Films fielen 571 Einstellungen an. Eine weitere harte Effekt- und Animations-Nuss war der Einsturz einer großen Hängebrücke nebst den darauf zu animierenden Figuren. Wir sprachen mit Regisseur Roberts „Bobs“ Gannaway und Produzent Ferrell Barron über Effekte, historische Recherchen und warum man sich als Regisseur manchmal auch zum Affen respektive Helikopter machen muss.

DP: Wie schafft man es, eine Marke lebendig zu halten?

Roberts Gannaway: Sie müssen innerhalb einer Welt verschiedene Geschichten erzählen können. Deshalb haben wir das Genre gewechselt und statt einem Rennfilm, wie im ersten Teil, eine Action-Comedy erzählt. Zudem investierten wir eine Menge Zeit in die Recherche – die Grundlage für das Storytelling. Bei Dusty haben wir herausgefunden, dass sein Flugzeugtyp auch für die Bekämpfung von Waldbränden eingesetzt wurde – als SEAT, Single Engine Air Tanker. Das hat uns auf die Idee mit der Bekämpfung von Feuern aus der Luft gebracht, also haben uns mit Feuerwehrleuten getroffen. Aus der Recherche entwickeln sich die Geschichten. Mit mir gab es auch einen Wechsel in der Regie. Das macht schon etwas aus, weil unsere Geschichten die Handschrift des Regisseurs tragen – sie werden ja auch von ihm gehegt und gepflegt.

Allerdings darf man nicht vergessen, dass die DisneyToon Studios mit den Pixar und den Disney Animation Studios zusammenarbeiten und zwar bezogen auf den Story Trust respektive das Brain-Trust-System. Das heißt, dass alle Regisseure ohnehin zusammenarbeiten. Ich habe beim ersten Planes-Film Klay Hall unterstützt und jetzt ist es umgekehrt.

DP: Warum war das Thema Waldbrände einen Filminhalt wert?

Roberts Gannaway: Einer der Gründe, warum man ins Kino geht, ist es, etwas zu sehen, was man sonst nicht jeden Tag sieht. Obwohl es in den USA jedes Jahr über 50.000 Waldbrände gibt und Löschflugeinsätze im ganzen Land stattfinden, ist das in der Öffentlichkeit nicht so ein Thema. Aber man bekommt nur deshalb nichts mit, weil die meisten Brände bekämpft werden, bevor sie ernsthaften Schaden anrichten können. Wir gewähren einen kleinen Einblick in diese Welt und das ist großartig.

DP: Sie haben im Film eine Referenz an Ed Pulaski versteckt, richtig? In der Einstellung, als die beiden Hauptcharaktere Schutz in einer Mine suchen.

Roberts Gannaway: Das ist ja ein Ding, dass Sie diesen Bezug erkannt haben! Richtig, dieser U. S. Forest Service Ranger hat sich und sein Team 1910 beim „Großen Feuer“ von Idaho auf diese Weise gerettet. Das war Teil unserer historischen Recherche und wir haben diese Begebenheit in der Szene mit Dusty und Blade im Film wiedergegeben. In keinem Pressegespräch ist da bislang jemand draufgekommen – ich bin wirklich stolz auf Sie! Diese Szene ist auch ein gutes Beispiel für unsere Recherchearbeit. Wir haben es ja mit sprechenden Fahrzeugen zu tun. Deshalb müssen wir so nah wie möglich an der Wahrheit dran sein, in Charaktere und Handlung investieren, damit die Zuschauer das vergessen.

DP: Wie viel Zeit haben Sie in die Effektszenen investiert?

Ferrell Barron: In den vier Jahren Produktionszeit haben wir zweieinhalb Jahre am Feuer gearbeitet. Effekte entstehen bei uns in der Regel in Maya. Für dieses Projekt mussten wir aber zusätzlich auf Houdini zurückgreifen, es gab einfach zu viele Probleme zu lösen. Die Software kam zum Einsatz beim Feuer, aber auch in Szenen mit Wasser. Gerade die Wildwasserstromschnellen bereiteten uns einige Schwierigkeiten. In einem solch langen Zeitraum ändert sich ja auf der technischen Seite sehr viel. Wir haben uns wirklich alles, was neu war, gleich geschnappt, um das Feuer echt wirken zu lassen und gleichzeitig das Ganze produzierbar zu halten. Insgesamt gibt es 662 Effekt-Einstellungen mit Feuer, Rauch und Wasser – das ist über die Hälfte des ganzen Films! Für uns war das der anspruchsvollste Film, den wir je produziert haben. Wir mussten dafür externes Know-how hinzuziehen. Das Effect-Team bestand aus 75 Leuten und war das größte, das wir je hatten.

DP: Haben Sie ein paar Tipps, wie man am besten Helikopter animiert?

Roberts Gannaway: Also, ich verlasse mich da auf die Animatoren, das sind ja die Fachleute. Als Regisseur müssen Sie großartige Mitarbeiter um sich herum versammeln – Leute, die wesentlich talentierter sind als Sie selbst – und diese dann durch die Produktion führen. Aber mein Tipp als Regisseur lautet: aufstehen und die Szene vorspielen. Bloß nicht schüchtern sein. Also, ich spiele dann eine Szene nach, laufe herum, schneide Grimassen und so weiter. Der Animator, und das ist dann die Herausforderung, muss das Gesehene auf einen Character anwenden.Im Fall von Fahrzeugen sind wir in der Tat sehr eingeschränkt. Aber es gibt bei uns den Leitsatz „Truth and materials“. Die Flugzeuge sind zwar sehr real, aber durch die Windschutzscheiben sind die Augen recht groß – und die sind ein Schlüsselelement. Ebenso wichtig ist die Körperhaltung. Ich schaue mir bei jeder Figur an, womit ich arbeiten kann. Dipper hat zum Beispiel zwei Propeller. Als sie zum ersten Mal auf Dusty trifft, ist sie ziemlich aufgeregt und wir lassen deshalb ihre Propeller durchdrehen.

Dieses Flugzeugmodell kann aber auch die Tanks absenken. Das sieht dann so aus, als ob sie jemandem den Arm um die Schulter legt.

Ferrell Barron: Die Synchronsprecher sind ebenfalls eine große Hilfe. Wir machen ja die Sprachaufnahmen zuerst. Bei dieser Gelegenheit nehmen wir die Gesichter der Sprecher gleich mit auf und senden das an die Animatoren. Damit erhalten sie eine direkte Referenz.

DP: Auf welche Referenzen haben Sie konkret bei Blade zurückgegriffen?

Roberts Gannaway: Die Figuren basieren zwar auf realen Modellen, aber nicht zwangsläufig auf einem einzigen. Wir kombinieren hier durchaus, je nachdem was wir brauchen. Für die Darstellung von Helikopter Blade benötigten wir ein Modell mit Rädern – auf Kufen lässt es sich ja schlecht laufen. Also mussten wir ein entsprechendes Modell finden. Da er ein Rettungshelikopter ist, haben wir auch noch eine Referenz für eine Winde gebraucht. Also waren wir viel im Los Angeles County unterwegs und in der Stadt selbst, um uns die Rettungshelikopter anzusehen.

DP: Wie lange hat die Storyboardund Layout-Phase gedauert?

Ferrell Barron: Das hat über ein Jahr in Anspruch genommen. Es gab viele Iterationen, bis es eben gepasst hat und wir mit der Animation anfangen konnten.

Roberts Gannaway: Wir legen großen Wert darauf, das Drehbuch so schnell wie möglich als Storyboard zu visualisieren, damit wir sehen, womit wir arbeiten müssen. Das Drehbuch ist ja nur eine Art Anleitung für den Film. Mit dem Storyboard erkennen Sie sofort erste Ungereimtheiten. Aber das Wichtigste: Sie sehen den Film zum ersten Mal. Im Layout wird dann die Kinematographie gemacht. Aber zu den Iterationen: In einem Realfilm drehen Sie Ihren Film und nehmen das Material in den Schneideraum. Wenn Sie einen Animationsfilm im Kino sehen, können Sie davon ausgehen, dass es die achte, neunte oder zehnte Fassung ist. Ein Realfilm kommt – abhängig vom Budget – vielleicht mal auf zwei? Aber diese Arbeitsweise empfinde ich als einen Vorteil. Sie haben den Film vor sich und dann geht es los: „Das können wir so nicht zeigen“, „Das muss ausgebessert werden“, „Einstampfen, neu machen“ und dann wieder von vorn.

Produzent Ferrell Barron (links) und Regisseur Bobs Gannaway

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