glTF – der neue Standard für Produkte | Retro-Artikel

Rückblick: In der DP 01:2022 stellten wir einen neuen Standard für Assets vor – der Echtzeit kann? Kann er! Der PBR beherrscht? Beherrscht er! Der quelloffen ist und prominent unterstützt wird? Ja, und nochmals: Ja! Ist glTF das Dateiformat-Wunderkind?

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 01:2022.

Ein neuer Standard für Assets, der in Echtzeit funktioniert, PBR beherrscht und auch noch offen ist und von allen großen Namen unterstützt wird? Ja, das gibt es.

Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche, weithin anerkannte und meist angewandte (oder zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas zu beschreiben, herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat oder zumindest als Richtschnur gilt“, heißt es auf Wikipedia. Frei nach diesem Gedanken kam es, dass sich die Khronos Group, ein Konsortium aus weltweit ansässigen Industriemitgliedern, zusammenfand, um einen Standard für die Echtzeitdarstellung von 3D-Assets zu schaffen. Die Anforderungen an das Standardformat waren eine plattformunabhängige, schnelle, möglichst realistische Darstellung von Produkten als interaktive 3D-Objekte. Zu guter Letzt sollte das Format auch Augmented Reality können, und die 3D-Assets sollten auf jedem gängigen Viewer gleich aussehen.

So entschied man sich nach vielen Recherchen, Diskussionen und Verhandlungen für glTF (GL Transmission Format) als führendes lizenzfreies Übertragungsformat für dreidimensionale Darstellung von Modellen und Szenen. Um einen rechtskonformen und qualitativ hochwertigen Rahmen zu schaffen, hat man sich für einen Zertifizierungsprozess nach ISO/IEC JTC 1 entschieden. Der Prozess ist bereits im Gange, und eine Bestätigung wird im Laufe des Jahres 2022 erwartet.

Warum braucht es dafür einen Standard?

In der Fachgruppe des 3D-Formats werden von den international führenden Experten der Khronos-Mitglieder Standards in Form von glTF-Extensions spezifiziert, die zum einen auf eine realistische Darstellung von Materialien abzielen, aber auch Dateigröße, Metadaten etc. berücksichtigt. Von Beispielen lesen wir später im Artikel mehr. Auch wenn die Standards technisch korrekt in DCCTools berücksichtigt werden, kann es in der Darstellung sehr große Unterschiede geben. Der Worst Case für Kreative wäre, ein 3D-Asset im 3D-Tool der Wahl in mühevoller Arbeit zu erstellen, um dann zu merken, dass man für die Einbindung auf verschiedenen Plattformen jeweils noch mal mehrere Stunden zur Anpassung aufwenden muss.

Um den Mehraufwand zu vermeiden, schuf man den Standard 3D-Commerce und die Zertifizierung für 3D-RealtimeViewer. Diese Gruppe enthält namhafte Vertreter aus sämtlichen Disziplinen des E-Commerce wie z.B. Amazon, Ikea, Wayfair order Target, aber auch aus dem Bereich 3DAsset Creation und Editing wie Adobe, Autodesk, Blender etc. Dieser neue Bedarf gibt auch Spielraum für neue Player am Markt, wie zum Beispiel die UX3D GmbH aus München, die den ersten visuellen glTF-Editor namens Gestaltor auf den Markt gebracht hat.

Wie ist das File aufgebaut und welche Daten sind enthalten?

glTF ist die Kurzform von Graphic Language Transmission Format. Es beinhaltet dreidimensionale Szenen und Modelle. Eine glTFDatei beinhaltet entweder ein glTF (JSON/ ASCII) oder ein GLB (binär) als mögliche Dateierweiterung. Eine GLB-Datei ist vollständig in sich geschlossen. Eine glTF-Datei kann in sich geschlossen sein oder auf externe Binär- und Texturressourcen verweisen.

Der glTF-Standard unterstützt 3D-Modellgeometrie, Erscheinungsbild, Szenengraph-Hierarchie und Animation. Man wollte ein rationalisiertes und interoperables Format für die Bereitstellung von 3D-Assets erreichen, aber gleichzeitig die Dateigröße und Laufzeitverarbeitung minimieren. Einen Vergleich zieht Khronos gerne mit dem etablierten Format JPG aus der 2D-Welt und bezeichnet glTF als „JPG für 3D“.

Wie unterscheidet sich glTF von beispielsweise FBX?

Der wesentliche Unterschied zwischen glTF und anderen etablierten Austauschformaten wie zum Beispiel FBX ist der offene Standard versus den proprietären Ansatz. So findet das FBX-Format seinen optimalen Einsatz im Umfeld von Autodesk-Produkten. Besteht jedoch die Anforderung an das Format für eine unabhängige 3D-Echtzeitdarstellung im Web, mobil oder als Augmented-Reality-Anwendung, führt kein Weg an glTF vorbei. Weil es ein offener Standard ist, ist es sogar explizit gewünscht, Extensions für glTF zu entwickeln, die dann im Idealfall auch als offizielle KHR_extensions ratifiziert werden.

Was ist ein Compliant glTF? Gibt es Non-Compliant glTF?

Ein valides glTF zeichnet sich zum Beispiel durch seine offiziellen Extensions aus, welche durch das Präfix „KHR_“ gekennzeichnet sind. Sie gewährleisten ein gleiches Verständnis von Physically Based Rendering in Sachen Transmission, Clear Coat etc.

Momentan sind folgende offizielle Extensions veröffentlicht:

  • KHR_draco_mesh_compression
  • KHR_lights_punctual
  • KHR_materials_clearcoat
  • KHR_materials_pbrSpecularGlossiness
  • KHR_materials_ior
  • KHR_materials_sheen
  • KHR_materials_specular
  • KHR_materials_transmission
  • KHR_materials_unlit
  • KHR_materials_variants
  • KHR_materials_volume
  • KHR_mesh_quantization
  • KHR_texture_basisu
  • KHR_texture_transform
  • KHR_xmp_json_Id

Eine vollständige Liste zur Validierung eines validen glTFs findet man auf dem Khronos GitHub hier: github.com/KhronosGroup/ glTF-Validator.

Wo sind die Probleme mit Compliant glTFs im Alltag?

Die Herausforderungen, die wir von 3D-Artists oft hören, sind folgende: Ein 3D-Artist erstellt im DCC-Tool der Wahl ein 3D-Objekt. Das kann oftmals mehrere Stunden dauern. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn Der Artist merkt, dass beim Export zu glTF Effekte oder Informationen nicht richtig dargestellt werden oder dass manche proprietäre Funktionalität in glTF gar nicht abgebildet werden kann. Brand Owner und Product Manager ärgern sich, wenn zwischen dem 3D-Viewer im DCC-Tool und dem Viewer der Zielplattform (z.B. im Webshop) eine unterschiedliche Darstellung erfolgt und auf einmal Materialien oder Farben komplett anders dargestellt werden. Aber für beide Fälle gibt es zum Glück eine Lösung: Einfach von 3D-Commerce zertifizierte Produkte verwenden.

Derzeit sind folgende Viewer und ein glTFEditor von Khronos zertifiziert (Stand Oktober 2021):

    • UX3D: Gestaltor (glTF-Editor)
    • Unity Technologies: Unity glTFast –
      4.1.0-preview.1
    • CGTrader: CGTrader Viewer – 1.11.10
    • Babylon.js: Babylon.js Sandbox –
      5.0.0-alpha.24
    • Khronos Group, Inc: 3DC-SampleViewer

Und im Arbeitsalltag?

Die Digitalisierung von Objekten oder Produkten beginnt klassischerweise in einem CAD- bzw. Design-Tool oder über Scanner. Um das Ergebnis in 3D darzustellen und ggf. zu optimieren, kommen 3D-Digital-CreationTools ins Spiel. Bis hierhin ist das Format des 3D-Objekts immer ein proprietäres Format. Zur Konvertierung in das Echtzeitformat gibt es einige kostenlose Konvertierungsprogramme oder auch integrierte Exporter. Im nächsten Schritt gilt es, zur Qualitätskontrolle das glTF noch mal zu validieren und gegebenenfalls zu optimieren in Größe, Polygonzahl, Beleuchtung etc. Ehe das 3D-Objekt auf die jeweilige Plattform geladen werden kann, müssen noch deren Voraussetzungen berücksichtigt werden. Im kleineren Rahmen können 3D-Artists den Prozess durchaus von Beginn bis zum Ende abbilden.

Die Herausforderung beginnt bei der Generierung von mehreren hundert Assets pro Tag. Derzeit lassen sich Teile der Prozesse bereits halb automatisch umsetzen. Viele Plattformbetreiber arbeiten zusammen mit Tool-Herstellern an der Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Die größten Challenges liegen derzeit wohl in den verschiedenen Anforderungen Plattformen hinsichtlich der Größe der Geometrie, referenzierter Materialdarstellung, Qualitätssicherung usw. Vor allem bei der realistischen Darstellung von Materialien in Echtzeit besteht noch keine Einigkeit: Möbel- und Bekleidungsindustrie verlangen realistische Darstellung von Holz, Stein, Glas, Stoffen, etc. Dies wiegt umso schwerer, wenn sich E-Commerce noch stärker entwickelt und gedruckte Kataloge auslaufen, wie es zum Beispiel IKEA in einer Pressemitteilung Ende letzten Jahres verkündete. Wir rechnen in den nächsten Monaten mit einer einheitlichen Lösung zur Darstellung einiger Materialien. Blender ist als Open-Source-DCC-Tool naturgemäß weit verbreitet und wird deshalb sehr oft als Referenz-Tool für den Austausch von Formaten gewählt. Daher hat die Khronos Group auch den Auftrag gegeben, einen State-ofthe-Art-Importer und -Exporter für glTF zu entwickeln. Solange Blender alle offiziellen glTF-Extensions unterstützt, werden diese auch korrekt exportiert. Um auszuprobieren ob ein glTF valide ist und alle Khronos-Extensions funktionieren, gibt es den offiziellen Sample Viewer von Khronos unter github. khronos.org/glTF-Sample-Viewer-Release. Wer tiefer in die Analyse gehen will, tut sich einen Gefallen, den Gestaltor zu installieren, denn dort wird bereits beim Laden des glTFs eine Analyse gestartet und ein Fehlerbericht im Logger ausgegeben.

Gestaltor

Wer das Format tief in seine Pipeline einbauen will: Gestaltor ist der erste visuelle glTF-Editor, der es ermöglicht, nativ mit den Dateiformaten glTF und GLB zu arbeiten und zwar getreu allen offiziellen Khronos-glTFStandards (glTF 2.0 und höher) – den wir entwickelt haben. Im Prinzip lässt sich der Gestaltor wie jedes herkömmliche DCC-Tool bedienen. Das Besondere dabei ist, dass bewusst nur die für glTF relevanten Funktionalitäten vorhanden sind. Man kann sich deshalb sicher sein: Was dabei herauskommt, ist immer 100% glTF. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – WYSIWYG (What You See Is What You Get). Er bietet eine leistungsstarke Schnittstelle, um Arbeitsabläufe in der 3DAsset-Pipeline massiv zu beschleunigen. Die Kernfunktionalitäten sind Betrachten, Prü- fen, Bearbeiten, Optimieren und Erstellen von Szenen. Die 3D-Inhaltserstellung in den marktüblichen DCC-Tools bleibt vom Workflow her völlig unberührt. Gestaltor tritt als letztes Glied des Workflows in Kraft, um ein 100% valides glTF zu erzeugen.

Gestaltor ist offiziell 3D-Commercezertifiziert von der Khronos Group. Das bedeutet, dass alle glTF- und GLB-Dateien, die in Gestaltor erstellt werden, auf den kommenden zertifizierten Viewern von Amazon, Babylon.js, CGTrader, Emersya, Epic Games (Unreal Engine), Facebook (Spark AR), Google (<model-viewer> & Scene Viewer), Samsung (Internet Browser auf Android), SketchFab, Unity und vielen anderen gleich aussehen werden. Im privaten Bereich wird die CommunityVersion des Gestaltors eher dafür genutzt, um glTFs zu öffnen und um Assets hinzuzufügen oder zu entfernen oder geringfügig die Farbe, Beleuchtung oder Materialien zu verändern. Im kommerziellen Bereich wissen wir, dass Digitalagenturen für Kundenlösungen im Augmented-Reality-Bereich Gestaltor einsetzen. In Expertenforen liest man, dass es derzeit keine andere Alternative am Markt gibt, mit der man zum Beispiel Transmission-Effekte in Realtime darstellen kann. Mit Enterprise-Kunden des Gestaltors erarbeiten wir meistens in Form eines strategischen Projekts den optimalen Einsatz in bestehenden 3D-Workflows.

Oftmals suchen Hersteller nach einer Möglichkeit, besondere Materialien oder Effekte in Echtzeit darzustellen. Hierfür entwickeln unsere Experten in enger Abstimmung mit dem Kunden einen Prototypen, der dann als experimentelle Extension in Gestaltor eingebaut wird. So geschehen bei der Extension KHR_materials_iridescence.

Was werden die nächsten Schritte beim Gestaltor sein?

Ein Hauptaugenmerk bei der Weiterentwicklung des Gestaltors legen wir darauf, immer 100% am glTF-Standard zu sein; d.h. sobald offizielle KHR-Extensions ratifiziert werden, ist unser Anspruch, diese möglichst als erstes Tool integriert zu haben. Dank des sehr offenen Austauschs mit Gestaltor-Kunden und strategischen Projektpartnern haben wir einige Features höher priorisiert oder auch neu in die Roadmap gelegt. Ohne zu viel zu verraten, werden wir bis Ende des Jahres 2021 die gesamte UI überarbeitet haben, eine experimentelle KHR-Materials-Iridescence-Extension, einen sophisticated Material-Import (pbr2gltf2) und Basic Animations eingebaut haben. Der ambitionierte Plan ist, dass wir Gestaltor als weltweit führendes DCC-Tool für glTF weiterhin etablieren.

Was kommt bei glTF in den nächsten Varianten?

Wir sehen derzeit eine große Bewegung von vielen Industrien in Richtung glTF. Automobilhersteller sind bereits dabei, ihre 3D-Visualisierungs-Pipelines für Human Machine Interfaces komplett auf glTF und offene Standards umzustellen. Vertreter von Standards für Videos und Audio-Files diskutieren gerade mit Khronos über sinnvolle Optionen, auch diese Daten mit glTF auszuliefern. Für die Industrie der Fast Moving Consumer Goods entstehen gleich mehrere Faktoren, die Pipeline um glTF zu erweitern. Zum einen kann ein hochwertiges 3D-RealtimeAsset die Produktfotografie ersetzen, und durch die offizielle Extension für Metadaten khr_xmp_json_ld könnten vom EAN-Code bis zu Produktbeschreibungen sämtliche Informationen mitgeliefert werden.

Welche Rolle spielt Khronos künftig?

Die Rolle der Khronos Gruppe scheint sich durch die Entwicklung sehr vieler sinnvoller Standards konstant zu stärken. Durch die Entwicklung des Marktes von Mixed Reality kann man OpenXR als Standard nicht mehr wegdenken.

Für die WebGL-2.0-Unterstützung öffnet sich sogar der sonst sehr restriktive Apple Browser Safari bis Ende 2021. Spiele, die mit dem Vulkan-Standard gebaut wurden, wie z.B. Fortnite oder sämtliche Spiele auf Googles Stadia, beweisen ebenfalls eine Relevanz am Markt. Und was Richtung WebGPU noch entsteht, lässt sich zur Gänze noch gar nicht abschätzen. Für glTF sprechen natürlich alle Entwicklungen in Richtung Augmented Reality und Metaverse, wodurch Spark AR, Snap AR, TikTok AR, NFT in Kunst und die digital Fashion-Industrie etc. vielversprechende Geschäftsmodelle ermöglichen. Wer sich einen Überblick über alle Standards auf einen Blick machen möchte, findet diese auf der offiziellen Website unter www.khronos.org.

Was ist die Zukunft der Standards?

Die Anforderungen von Marktgrößen aus sämtlichen Industrien nach Standards ist so groß geworden, dass sich sogar konkurrie rende Verfechter von proprietären Formaten an einen Tisch setzen, um gemeinsame Kompromisse zu schließen. Das ist für uns ein Zeichen dafür, dass sich früher oder später kein Technologieanbieter offenen Standards entziehen kann. So wie USD ein valides Framework für den internen kooperativen Austausch von 3D-Computergrafiken ist, so ist unserer Meinung nach glTF das optimale Format zum Austausch von 3DEchtzeitgrafiken plattformübergreifend nach außen hin.

Welche Anforderungen an interoperable Formate wie glTF werden wir 2040 sehen?

Es könnte ein demokratischer Wunsch nach nicht proprietären Lösungen zur Normalität werden – womöglich ändern sich die Geschäftsmodelle insofern, dass die Nutzer die Entscheidung treffen, was sie mit welchen Devices und Technologien konsumieren wollen, und sich eine Voraussetzung etabliert, dass Inhalte und Usability plattformunabhängig gleich sind. Aber das werden wir dann sehen.

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