animago-Gewinner 2014: Making-of „Ryse“

Bei Crytek befanden sich 2014 viele Gladiatoren und Blut in der Pipeline; im Jahr 2014 gewann das Projekt den animago AWARD in der Kategorie "Bestes Gamedesign".

Crytek kreierte für „Ryse: Son of Rome“ mit der neuen Cryengine ohne Versionsnummer optische Highlights für den Xbox-One-Exklusivtitel.                                 von Mirja Fürst

Blutige Gladiatoren-Kämpfe in realistischer Brutalität: abgetrennte Körperteile, zerschmetterte Köpfe und durchtrennte Hälse gehören im antiken Rom-Environment von „Ryse: Son of Rome“ zur Tagesordnung. Aufgrund dessen erhielt der Titel rund um die Hauptfigur Marius Titus eine USK-18-Freigabe.

Ryse_Crytek_BlutOptisch zeichnet sich „Ryse: Son of Rome“ durch satte Farben, eine tolle Beleuchtung, hochauflösende Texturen sowie interessante Shader aus, welche die neue Cryengine ermöglicht hat. Umgesetzt wurde das komplette Spiel mit Performance Capture. Insbesondere die Face-Animation der Characters gelang dadurch laut Crytek so gut wie nie zuvor, die Gesichter der Game-Darsteller verzerren sich während des Kampfes sehr realistisch. Die Performance-Capture-Dreharbeiten fanden im „The Imaginarium“ (www.theimaginariumstudios.com) in London statt. Im eigenen Studio in Frankfurt macht Crytek nur Previs-Drehs und Ähnliches.

Ryse_Crytek_Gesicht„Ryse“ verfügt wie alle Titel für die Xbox One über eine Smartglass-Integration. So kann das Spiel durch ein Windows-8-Tablet, auf dem zusätzliche Tipps und Achievement-
Hinweise angezeigt werden, erweitert werden. Laut „Chief of Staff for Devices and Studios Group at Microsoft“ Aaron Greenberg hat Crytek den Titel in der Auflösung von 1.600 x 900 Pixeln erstellt, für eine HD-Darstellung (1.920×1.080) auf der Xbox One wird er skaliert. Dies reduziert zwar die optische Qualität etwas, was die Entwickler aber zugunsten von mehr Rechenzeit für bessere Effekte in Kauf nahmen.

Rund zwei Jahre befand sich das Game in der Entwicklung, in der Hochzeit arbeiteten circa 200 Entwickler daran. Wegen der enormen Projekt-Größe veränderte Crytek viel im Workflow: Erstmals wurden Characters sowie Destructions an Vendors gegeben, außerdem erweiterte Crytek seine Hardware und baute eine neue cachebasierte Pipeline auf, die Geomcache Pipeline. Mit dem Pipeline-Cache-Export speicherte Crytek Modelle und Animationen aus 3D-Software-Paketen als Alembic-Files. Da Alembic die Geometrie von Modellen inkusive Polygon-Meshes, Subdivision Surface, Parametric Curves, Nurbs Patches und Partikeln sowie Materialien und Lichter supportet, konnten die 3D-Arbeiten ohne große Verluste direkt in die Engine gegeben werden.

Zusätzlich war es Team-Einheiten, die am gleichen Shot arbeiteten, dank Alembic möglich, Geometrien auszutauschen. Durch die enorme Zeitersparnis konnte sich das Team auf die kreative Arbeit fokussieren, anstatt Zeit damit zu verschwenden, Modelle in die Engine zu bringen. Um einen so realistischen Eindruck der Characters wie nie zuvor zu erzielen, bestand der Haupt-Character Marius beispielsweise aus mehr als 770 Joints, davon über 500 Deforming- und 260 Facial-Joints. Hinzu kamen 230 Corrective Facial Blendshapes und acht Haut-Einfl üsse. Vor seiner Game-Karriere war Technical Art Director Chris Evans in der Filmbranche an Projekten wie „Avatar“ und „Transformers II“ beteiligt. Bei „Ryse: Son of Rome“ half er unter anderem die neue Pipeline aufzubauen. Von ihm erfuhren wir mehr über den Entwicklungsprozesse, die neue Pipeline und den Einsatz von Alembic bei Crytek.

Wir sprachen mit Technical Art Director Chris Evans für die DP-Ausgabe 02 : 2014 über die Crytek-Pipeline, für die das Interchange-Format Alembic eine große Stütze war.

DP: Warum habt ihr eure Performance-Capture-Dreharbeiten in The Imaginarium gemacht?

Chris Evans: Es war sehr wichtig für uns, für das Performance Capturing Leute in Europa zu finden, die mit uns zusammenarbeiten. Bislang mussten wir für Performance-Capture-Dreharbeiten immer in die USA ausweichen. Insbesondere Facial-Sachen lagern europäische Studios gerne dorthin aus. Wir waren das erste Game-Projekt im Imaginarium und drehten unsere ersten Test-Szenen einen Tag, nachdem sie ihr Studio-Setup eingerichtet hatten.

Gladiatoren_7DP: Welche Tools setzt ihr wofür ein?
Chris Evans: Für Environments verwenden wir 3ds Max, für Characters und deren Animation kommt Maya zum Einsatz. Um eine enorme Keyframe-Anzahl zu reduzieren, nutzen wir in manchen Fällen MotionBuilder, so zum Beispiel für große Performance-Capture-Daten.

DP: Wie habt ihr die Mimik der Characters animiert?
Chris Evans: Dafür kam ein Facial-Scan-Prozess zum Einsatz. Bei diesem fertigten wir circa 200 Scans von einem Schauspieler an, was etwa fünf Stunden dauerte. Die Gesichter wurden mit speziellen Linien markiert, sodass wir die Mimik tracken konnten. Aber wir nutzten keine Texturen oder übertrugen das komplette Gesicht des Schauspielers auf die Characters. Die Performance-Capture-Daten dienten dem Rigging der Modelle und
als Referenz für die Artists.

DP: Wie lief die Character-Pipeline mit den Vendors ab?
Chris Evans: Die Outsource-Unternehmen für die Character-Pipeline waren Cubic Motion (www.cubicmotion.com) und 3Lateral (www.3lateral.com). 3Lateral hat vier Monate lang mit uns an einem Facial-Riggearbeitet, welches wir für alle Characters verwendet und individuell auf die verschiedenen Gesichter angepasst haben. Danach sendeten wir alle Headcam-Daten vom Performance-Capture-Dreh an Cubic, die sie mithilfe einer ihrer Entwicklungen in eine Gesichtsanimation konvertierten. Cubic integrierte diese Ergebnisse in die Szenen und gab sie an uns zurück. Die Zusammenarbeit bei diesem Projekt lief hervorragend mit den Outsource-Unternehmen, normalerweise muss man immer sehr genau darauf achten, dass man von Vendors die Qualität bekommt, die man haben möchte. Das war zum Glück bei „Ryse“ überhaupt nicht der Fall.

DP: Also hat ein Schauspieler alle Characters in „Ryse“ verkörpert?
Chris Evans: Es ist unmöglich, einen Darsteller für alles zu finden. In Cinematics und  Cutscenes kann alles von einem Schauspieler  gespielt werden. Aber bei Stunt- und  Kampfszenen werden die Körperaufnahmen  eines Stuntmans mit dem Gesichts-Capturing  eines Schauspielers getrennt gefilmt und hinterher kombiniert.

DP: Aus wie vielen Joints bestand ein Character?
Chris Evans: Die Joint-Anzahl verändert  sich im Spiel nicht, aber der Level der Details  eines Characters verändert sich – wenn der Character sich weiter entfernt, sinkt die  Polgon-Anzahl.

Ryse_Crytek_ARena CharactersDP: Wie viele Polygone hatten eure 3D-Modelle durchschnittlich?
Chris Evans: Die Characters hatten rund 80.000 Polygone. Beim Environment kann man die Anzahl nicht genau sagen, das hing davon ab, was in der Szene gerade geschieht.

DP: Gab es für weitere Bereiche Outsource-Firmen?
Chris Evans: Ja, beispielsweise für das Environment. Diese Outsourcing-Pipeline gibt es aber schon länger, bereits seit dem ersten „Crysis“-Teil in 2005. Es war also nur eine neue Variante davon.

DP: War Alembic ein Grund dafür, dass auch große Szenen und Destructions an Vendors herausgegeben werden konnten?
Chris Evans: Große Szenen, in denen Elemente zerstört werden – wenn beispielsweise Burgen zusammenfallen – konnten wir vor Alembic nicht herausgeben, wenn wir sie in Filmqualität haben wollten. Filmstudios wollen nicht mit einer Game-Engine arbeiten, da es ein so aufwendiger Prozess ist, die Modelle mit den Destructions aus einer 3D-Software in die Engine zu bekommen.

DP: Welche Firma habt ihr diesbezüglich bei „Ryse“ beauftragt?
Chris Evans: Durch Alembic konnten wir mit den Important Looking Pirates (ILP) zusammenarbeiten, die zwei riesige VFX-Szenen für uns umsetzten. Sie erstellten alles in einer normalen Film-Pipeline, exportierten Alembic-Cache, drückten einen Knopf und automatisch wurde die Szene mit allen Presets in die Engine geladen. Das war auch für ILP sehr befreiend, denn zuvor mussten sie Game-Arbeiten oft ablehnen, weil der Prozess,
die fertigen Szenen in die Engine zu bringen, zu aufwendig war.

DP: Welchen Weg ging die Pipeline vor der Alembic-Lösung?
Chris Evans: Davor war es ein sehr langwieriger Prozess. Wir modellierten beispielsweise einen herunterstürzenden Felsen in Maya, danach ging ein Skript durch jede Vertex und
jeden Frame des Felsens, um zu sehen, wie sich die Steine genau bewegen. Im Anschluss erstellte das Team Joints mit denselben Animationen, dabei muss man sich die Steine als Character vorstellen, die wie ein Character fallen und animiert werden müssen. Es war immer hart einem VFX-Studio sagen zu müssen, dass es länger dauert ihre schöne Animation, die sie in Maya erstellt haben, in die Engine zu bekommen, als sie daran gearbeitet haben. Die einzige Weise, wie man ein Mesh in einer Engine bewegen kann, ist mit Joints. Jetzt ist es mit einem Knopfdruck möglich.

DP: Wie lang hätte die Entwicklung ohne Alembic gebraucht?
Chris Evans: Wir hätten ohne die neue Pipeline keinesfalls so viele Szenen in diesem Produktionszeitraum abliefern können. Auch hätte es nicht so gut ausgesehen wie jetzt. Vorher mussten wir viele Dinge wie beispielsweise Windbewegungen et cetera faken, jetzt sieht alles realistischer aus.

DP: In welches Format wurde Alembic in der Engine umgewandelt?
Chris Evans: Ein von Crytek entwickeltes Dateiformat, es heißt Geomcache. Bevor es in die Engine geladen wird, erscheint ein kleiner Dialog, weil das Alembic-Format noch nicht komplett in Maya integriert ist, deshalb stellt der Loader noch einige Fragen – beispielweise nach der Kompression sowie nach einigen Optionen. Nach dem Einladen wird es automatisch in das Geomcache-Format umgewandelt. Die Engine erkennt auch
nicht, ob das Alembic-Format aus Maya oder 3ds Max kommt – aus welchem Tool es exportiert wird, ist deshalb egal.

DP: Was zeichnet das Geomcache-Format aus?
Chris Evans: Durch seine Kompression ist die Geomcache-Datei sehr viel kleiner als Alembic, die Qualität bleibt dennoch erhalten. So kann das Spiel im aktuellen Speicher der Xbox One schneller gebuffert werden. Unser Programmierer Axel Gneiting hat einen
Algorithmus geschrieben, mit dem die Dateigröße automatisch in der Engine optimiert wird. Alembic wurde ursprünglich für die Filmindustrie entwickelt. Ein Game muss aber auf eine kleine Xbox One Disc passen, der Arbeitsspeicher dabei ist wesentlich begrenzter als bei einer Filmproduktion. Wir haben also viel in der Pipeline anpassen müssen, damit das Game in so hoher Qualität auf der Xbox One laufen konnte, deren Hardware-Leistung im Vergleich zur Playstation 4 wesentlich restriktiver ist.

Ryse_Crytek_LandschaftDP: Habt ihr euch auch deshalb bei der Entwicklung für eine geringere Auflösung als HD entschieden?
Chris Evans: Wir haben viele Tests hinsichtlich der Aufl ösung versus Interaktivität in Bezug auf den durchschnittlichen Bildschirm des Konsumenten vorgenommen, um herauszufinden, welches Verhältnis das beste für den Spielspaß darstellt. Und für die Pixelanzahl eines durchschnittlichen Heimgeräts und der normalen Entfernung, die ein Spieler vom Bildschirm hat, ist diese Auflösung vollkommen ausreichend. Der Vorteil der geringeren Aufl ösung ist, dass das Game flüssiger läuft. Nachdem Leute das Game gespielt haben, waren sie von der gewählten Auflösung überzeugt.

DP: War es euer erster Xbox-One-Titel?
Chris Evans: Ja, und wir hatten ein enges Produktionszeitfenster und mussten eine riesige Anzahl an Characters erstellen. Hinsichtlich all dieser Faktoren inklusive der Hardware-Begrenzungen hat das Crytek-Team sensationelle Arbeit geleistet und ein Game mit einem fantastischen Look kreiert, bei dem alles konsistent wirkt. Bei kommenden Crytek-Titeln möchten wir die für „Ryse“ aufgebaute Pipeline weiterentwickeln, den Entwicklungsprozess so entspannter machen und die Game-Welt mit mehr Elementen beleben. Mit unseren Erfahrungen aus „Ryse“ werden zukünftige Xbox-One-Titel von uns ebenfalls noch wesentlich besser werden.

Alle weiteren Informationen zu Crytek hier.

Falls ihr euer Ticket für den animago 2015 noch nicht habe, es gibt hier noch Early-Bird-Tickets. Wir werden auch in diesem Jahr wieder alle namhaften Studios der Branche beim animago AWARD & CONFERENCE begrüßen dürfen.

Hier können Sie sich die Xbox-Gameplay-Demo ansehen:

 

 

 

 

 

 

 

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