Finaltoon 4.0 – Non-photorealistic Renderer für 3ds Max

Cartoon- oder Line-Rendering-Szenen, die mit den Standard-Tools von 3ds Max viel Zeit in Anspruch nehmen, lassen sich mit Finaltoon schneller finalisieren. Wir haben uns die aktuelle Version 4.O des Cebas-Produkts genauer angeschaut.
Finaltoon 4.0 – Non-photorealistic Renderer für 3ds Max
Finaltoon 4.0 – Non-photorealistic Renderer für 3ds Max

Non-photorealistic Renderer (NPR), auch bekannt als Cartoon-Renderer, ermöglichen die Erstellung zeichentrickhafter Darstellungen und werden bevorzugt im Bereich der Cartoon-Kreation und der Illustration genutzt. NPRs vereinen den Charme von zweidimensionaler Grafik mit den Animationsmöglichkeiten vieler 3D-Programme. Nahezu jedes große 3D-Werkzeug bietet von Haus aus die Möglichkeit, Toon-Renderings zu erstellen.
3ds Max stellt mit dem Ink’n-Paint-Material seit frühen Versionen ein Toon-Material zur Verfügung. Nutzt man in Ergänzung Nvidia Mental Ray können die Funktionen des Ink’n-Paint-Materials (bis zur Version 3ds Max 2016) durch zusätzliche Shader zur Ausgabe von Outlines und Konturlinien erweitert werden. Alternativ lassen sich „toonige“ Darstellungen auch mit dem Quicksilver Hardware-Renderer erreichen – die Qualität lässt jedoch zu wünschen übrig, sodass diese Option nicht wirklich in Betracht gezogen werden kann.

Abbildung 1: Cartoon-Renderings mit Scanline, Mental Ray und Finaltoon
Abbildung 1: Cartoon-Renderings mit Scanline, Mental Ray und Finaltoon

Somit bietet 3ds Max mit den hauseigenen Werkzeugen einige grundlegende Funktionen, mit denen sich ansprechende Grafiken und Illustrationen im Toon-Stil erzeugen lassen. Erwähnt werden sollte, dass die Verwendung des Ink’n-Paint-Materials in 3ds Max gegebenenfalls ein ziemlicher Ressourcenkiller sein kann, sodass eine Szene, die bei normalen Einstellungen mit Standardmaterialien und -lichtern in überschaubarer Zeit gerendert wird, schnell ein Vielfaches der Renderzeit benötigt.
Will der Anwender hingegen einen Schritt weitergehen und seine technischen Illustrationen mit verdeckten Linien rendern, Motion Blur berücksichtigen oder eigene Schraffuren zum Einsatz bringen, wird es sehr umständlich, wenn nicht gar unmöglich, das gewünschte Ergebnis mit Bordmitteln zu realisieren. Und hier kommt Finaltoon ins Spiel. Seit vielen Jahren ist Finaltoon Bestandteil des Finalrenderers (dort in der Version 3.5) von Cebas und seit Erscheinen das geeignete Mittel für das Gestalten komplexer technischer Illustrationen. Finaltoon ist als Plug-in für 3ds Max erhältlich und funktioniert in der aktuellen Version 4.0 mit 3ds Max ab der Version 2015. Ältere 3ds-Max-Versionen werden nicht mehr unterstützt. Finaltoon ist nach Aussage von Cebas auf den Scanline Renderer abgestimmt und liefert mit diesem die besten Ergebnisse. Weitere unterstützte Renderer sind Finalrender, Moskitorender von Cebas und V-Ray von Chaos Group. Die 3ds-Max-internen Renderer wie Nvidia Mental Ray, Nvidia Iray und ART Renderer (ab 2017) sowie externe Renderer wie Corona können mit Finaltoon 4.0 nicht genutzt werden.

Abbildung 2: Finaltoon unter „Render Effekte“ und die zugehörigen globalen Einstellungen
Abbildung 2: Finaltoon unter „Render Effekte“ und die zugehörigen globalen Einstellungen

Kurzübersicht der Funktionen

Finaltoon 4.0 bietet einige Toon-Shader, die ähnlich wie Ink’n Paint zeichentrickhafte und flächige Darstellungen ermöglichen. Aber die eindeutige Stärke des Linienkünstlers liegt in der Kreation aller möglichen Arten von Linientypen wie durchgezogene, gestrichelte oder strichpunktierte Linien. Jede der definierten Linien wird mit einem speziellen Anti-aliasing hochwertig berechnet.

Abbildung 3: Einstellungen und Definition der Linientypen via Finaltoon-Materialien
Abbildung 3: Einstellungen und Definition der Linientypen via Finaltoon-Materialien

Linien können in der Breite variieren und mit Tiefeninformationen, Rauschen und Transparenzeffekten versehen werden. Es lassen sich Schraffuren einsetzen, die 3D-Objekte mit einem handgezeichneten Stil ausstatten. Auch können eigene Linienstile definiert und als Vorlage gespeichert werden. Finaltoon unterstützt unter anderem auch Reflexionen und Refraktionen.Finaltoon 4.0 bietet eine riesige Menge an Möglichkeiten. Wir haben einige Funktionen unter die Lupe genommen und überlassen es dem Leser, weitere Details online auf der Webseite von Cebas zu studieren.

Einstieg & Bedienung

Nach erfolgter Installation lässt sich Finaltoon als Rendereffekt aktivieren. Der Rendereffekt berücksichtigt sämtliche 3D-Objekte in einer Szene und wendet die globalen Einstellungen für Finaltoon auf diese an. Zusätzlich können Finaltoon-Materialien genutzt werden.
Aktiviert man den Finaltoon-Render-effekt werden alle Objekte einer Szene mit den angegebenen Einstellungen gerendert. Wird ein Objekt mit einem Finaltoon-Material versehen, überschreiben dessen Material-Eigenschaften und Linieneinstellungen die globalen Settings unter den Rendereffekten. Somit lassen sich durch Finaltoon-Materialien verschiedene Stile für unterschiedliche Objekte rendern.

Besonderheiten beim Rendern von Linien

Finaltoon stellt eine Vielfalt von Linientypen zur Verfügung, die für die Anforderungen technischer Illustrationen äußerst hilfreich sind. Die acht verfügbaren Linientypen sind: Dashed, Center, Phantom, Border, Dotted, Hidden, Dashdot und Divide. Jede Linie lässt sich mit dem Finaltoon-Line-Editor einzeln bearbeiten und als eigener Stil in den Dateiformaten .ton, einem Binärformat, speichern. Die damit verbundene Möglichkeit, eigene Bibliotheken anzulegen, ist definitiv sehr hilfreich.

Abbildung 4: Linientypen
Abbildung 4: Linientypen

Beeindruckend sind die Optionen zur Anpassung und Erstellung eigener Stile. So können handgezeichnete Effekte, wie zum Beispiel die Veränderung der Linienbreite durch unterschiedlichen Druck des digitalen Pinsels, ebenso realisiert werden wie die Reduzierung der Linienstärke im Raum.

Abbildung 5: Linientypen und Line Editor
Abbildung 5: Linientypen und Line Editor

Ein ausgeklügeltes Antialiasing sorgt für eine klare Wiedergabe der kreierten Linien beim Rendern. Hierdurch werden unangenehme Moiré-Effekte und Artefakte im finalen Bild vermieden. Gerade im illustrativen Bereich ist die Funktion, eigene Linientypen erstellen zu können, wichtig. Vor allem die Möglichkeit, verdeckte Linien zu generieren, ist ein maßgeblicher Gewinn. Einige Beispiele möglicher Linieneinstellungen zeigt Abbildung 6.

Abbildung 6: Linientypen und Einstellungen
Abbildung 6: Linientypen und Einstellungen

Finaltoon unterstützt den Render-Elements-Dialog in 3ds Max. Somit lassen sich Linien mit ihrer jeweiligen Zuordnung in eine eigene Bilddatei rendern. Ergänzend sind der Export ins .ai-Format (Adobe Illustrator) und die vektorbasierte Weiterbearbeitung möglich.
Dabei werden die Linien nach ihren Eigenschaften zusammengefasst und in geordnete Gruppen und Ebenen in der Illustrator-Datei abgelegt.

Materialien

Finaltoon kommt mit vier eigenen Materialien oder Shadern. Diese ermöglichen die Erstellung unterschiedlichster Materialien:

  • Finaltoon NPR – ein einfacher Cartoon-Shader, der mittels eines vordefinierten Gradient-Ramps (Farbverlaufs) die Schatten- , Streu- und Glanzfarbe eines Materials definiert. Outlines oder Konturen sind nur über die globalen Einstellungen des Finaltoon-Rendereffekts möglich.
  • Finaltoon – ein umfangreiches Material mit eigens definierbaren Linieneigenschaften.
  • fT-Outline – das Material bietet an, für die Körperfarbe eines Objekts, sichtbare Kanten und Konturen sowie verdeckte Linien jeweils ein Standardmaterial zu nutzen.
  • fT-Wrapper – jedes beliebige Standardmaterial kann hier mit eigenen Linien-parametern versehen werden.
Abbildung 7: Materialien und Einstellungen
Abbildung 7: Materialien und Einstellungen

Schraffuren (Hatching)

Ein recht spezielles Map ist Finaltoon Hatching, zu Deutsch: Schraffur. Es bietet eine Vielzahl an Optionen, um beliebige (vor allem handgezeichnete) Bilddaten als Schraffurinformation auf 3D-Objekte anzuwenden. So können Bereiche im Schatten und beleuchtete Bereiche mit unterschiedlichen Schraffurdichten versehen werden, was eine besondere Note ermöglicht.
Sehr gelungen ist die Dokumentation von Finaltoon. Die zum Programm gehörige Hilfe mit Verlinkungen auf zusätzliche Tutorials ist stimmig und verständlich aufbereitet. Sämtliche Details und Funktionen sind ausführlich beschrieben und erklärt. Einziger Wermutstropfen: Die Hilfe steht nur auf Englisch zur Verfügung.

Abbildung 8: Finaltoon-Materialien mit unterschiedlichen zugewiesenen Schraffuren
Abbildung 8: Finaltoon-Materialien mit unterschiedlichen zugewiesenen Schraffuren

Fußnote

Während der Testphase kam es zu einem schwerwiegenden Hardwarefehler des ursprünglichen Testrechners. Der Fehler hatte nichts mit dem getesteten Programm zu tun. Zwar waren die Testdaten gesichert, aber bis die Testversion von Finaltoon 4.0 eine neue Testlizenz bekam, wurde auf die Testversion des Finalrenders Stage 1 zurückgegriffen. Die beim Finalrender Stage 1 mitgelieferte Version 3.5 von Finaltoon unterscheidet sich hauptsächlich dadurch von der aktuell getesteten Version 4.0, dass diese ausschließlich mit Finalrender gerendert werden kann. Hierbei sollte erwähnt werden, dass die Verwendung von Finaltoon in der Testversion von Finalrender um einiges flotter rechnete als mit dem Scanline Renderer.

Finaler Eindruck

Finaltoon und die Vielfalt seiner Optionen können sich sehen lassen. Die Einstellungsvielfalt der Linientypen und die Menge an Funktionen, gerade für illustrative Grafik, überzeugen. Beeindruckend sind die Möglichkeiten der Anwendung von Motion Blur oder Refraktionen auf die verwendeten Linientypen. Egal ob vorhandene Standardmaterialien mit dem Finaltoon-Wrapper-Material oder komplett eigens erstellte Finaltoon-Materialien zum Einsatz kommen, die Möglichkeiten sind mannigfaltig und die Ausgabequalität ist sehr gut. Die Option, via Render Elements Linien in eine eigene Datei (Pixeldatei) zu rendern, ist für das Composite ein echter Gewinn. Der Export in Adobe-Illustrator-Dateien bietet eine hervorragende Schnittstelle zur Welt der Vektorgrafik.
Durch die Anwendung als Rendereffekt können Änderungen in Echtzeit („Update Effect – Interactive“) betrachtet werden und die veränderten Parameter sind umgehend sichtbar.
Schade ist, dass Finaltoon auf den Scanline Renderer beschränkt ist und Mental Ray nicht unterstützt. Gerade im technischen Bereich hat sich Mental Ray stark etabliert und viele professionelle Renderings werden damit erstellt. Auch ist der Scanline Renderer inzwischen etwas in die Jahre gekommen und stellt nicht mehr den aktuellen Stand der Technik dar. Die Geschwindigkeit des Scanline Renderers ist ein weiteres echtes Manko. Der unfreiwillige Test mit Finalrender Stage-1 zeigt, mit welcher Geschwindigkeit Finaltoon in Zusammenarbeit mit der Render Engine von Cebas seinen Dienst leistet. Die gleiche Performance mit den hauseigenen 3ds-Max-Renderern wäre prima. Die Unterstützung von V-Ray sei hier positiv angemerkt, allerdings nutzt nicht jeder Anwender die Render Engine von Chaos Group.
Bei komplexen Szenen mit einer hohen Anzahl gekrümmter oder organischer Flächen und bei kombinierten Objekten hat Finaltoon bei der Berechnung aller Elementkanten zu kämpfen. Unerwartet lange Berechnungszeiten sind die Folge. Dieser Effekt trat bei Verwendung des Finalrenders Stage 1 nicht auf.
Die Idee, Finaltoon, ähnlich wie bei vielen anderen Werkzeugen, als reines Mietprodukt anzubieten, ist Geschmackssache und geht leider in die gleiche Richtung wie die neue Lizenzpolitik von Autodesk und einiger anderer Softwareanbieter. Unterm Strich ist Finaltoon 4.0 ein faszinierendes Werkzeug, das gerade im Bereich der Illustration jede Menge zu bieten hat. Die Möglichkeit,
Linientypen frei gestalten und anpassen zu können, ist einmalig. Obwohl die Ausrichtung auf den Scanline Renderer und die damit verbundenen langen Renderzeiten den Spaß ein wenig schmälern: Finaltoon ist ein echter Linienkünstler!

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