Zu den fortschrittlichsten und neuesten Entwicklungen in diesem Bereich zählt unter anderem die Einführung von ACES. Nach über zehn Jahren industriegetriebener Entwicklung wurde das Academy Color Encoding System (ACES) im Dezember 2014 in der Version 1.0 veröffentlicht. Als freier und offener Standard bietet ACES eine umfassende Farbmanagement-Infrastruktur. Eine Schlüsselanwendung von ACES ist die Produktion visueller Effekte. Das Hinzufügen der ACEScg-Kodierung für Compositing, Lighting, Rendering und den restlichen CG-Arbeitsprozess vereinfacht den Austausch von Elementen und ermöglicht einen farbtreuen Vorschauprozess über alle Vorschaumedien. Die letzten Großprojekte, die auf ACES-Farbmanagement vertrauten, waren beispielsweise „Black Panther“, „Avengers: Infinity War“ und „Ant Man and The Wasp“ – um nur ein paar Beispiele zu nennen. ACES verspricht Einiges, und zwar fotografische Arbeitsprozesse für CG-Artists, einen leichteren Austausch von Arbeitsdateien zwischen Departments und Studios, z.B. bei geteilten Szenen, eine zukunftssichere Archivierung und unabhängigere, flexiblere Asset-Produktion sowie allgemein weniger Probleme im Farbworkflow. Insgesamt besteht der ACES-Standard aus sechs Farbräumen, die wiederum zwei verschiedene Sets an RGB-Primaries (Farbmaximalwerte, die den Umfang des Farbspektrums / Gamuts definieren) verwenden. Die beiden für uns relevanten Farbräume sind:
ACES 2065-1
Dies ist der ACES-Standard-Farbraum. Er deckt mit seinen großzügig gesetzten AP0-Primaries nicht nur den gesamten sichtbaren Farbbereich ab, sondern auch Bereiche, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, mit dem Ziel, für alle zukünftigen Entwicklungen gerüstet zu sein.

ACEScg
Der ACEScg-Farbraum wurde geschaffen, als sich zeigte, dass der enorme Umfang des AP0-Gamuts in der Verwendung der meisten Render Engines zu Problemen führt. Der AP1-Umfang ist den üblichen High-End-Digitalkameras im Umfang ähnlich, aber im Vergleich zu diesen Geräten unabhängig und scheint für Physically Plausible Rendering besser geeignet zu sein.
Das Flussdiagramm von ACES sieht folgenden Ablauf vor:
Input Transform
Dieser Prozess wandelt die Bildinformationen aus dem vorliegenden Format in den ACES-Farbraum um. Entsprechend der Quelle sollte der passende IT gewählt werden. In der aktuellen OCIO Nuke Config sind standardmäßig für folgende Kamerahersteller Voreinstellungen enthalten: ARRI, Canon, GoPro, Panasonic, RED und Sony.

Reference Rendering Transform
Der RRT enthält eine von ACES definierten Look, welcher das traditionelle Erscheinungsbild von Film nachahmen soll. Die ACES-Version 1 hat den übermäßigen Film-Look von ACES V0.1 reduziert, aber dennoch ist ein Look in der RRT enthalten.

Output Transform
Die ODTs bilden die Bilddaten im erwarteten Farbraum der Anzeige ab (z.B. Rec. 709 oder sRGB), um das Bild richtig darzustellen.

Wie funktioniert eine aktuelle Compositing Pipeline ohne ACES?
Um beurteilen zu können, inwieweit diese Entwicklungen hilfreich sind, muss man sich die üblichen Arbeitsprozesse ein wenig genauer ansehen. In der VFX-Bearbeitung von Feature-Filmen spielen drei Farbräume eine wichtige Rolle. Diese sind Projektions- oder Darstellungsfarbräume. Das bedeutet: Die gesamte Color Pipeline orientiert sich daran, welches Ausgabemedium verwendet wird.
DCI-P3 ist ein üblicher Zielfarbraum für Film. Er verwendet dieselbe blaue Primärfarbe wie Rec. 709, sRGB und der Adobe-RGB-Farbraum. Die roten und grünen Primaries sind jedoch im Vergleich zu sRGB und Rec. 709 deutlich weiter außen gelegen und bieten so einen umfangreicheren Gamut. Qualitativ hochwertige Arbeitsmonitore können laut Herstellerangaben üblicherweise maximal 99% des DCI-P3-Standards abbilden.
Der andere Farbraum ist Rec. 709 und sRGB. Diese beiden Farbräume teilen sich die gleichen Primaries und haben somit denselben Farbumfang. Die Gammakurve ist jedoch unterschiedlich. Während sRGB für Computermonitore entwickelt wurde, entstammt Rec. 709 dem HDTV-Standard.
Bereits als Neueinsteiger lernt man, dass lineare Arbeitsprozesse gestalterische Vorteile haben. Optische Effekte wie Licht und Schatten werden realistischer berechnet, und bei Farbanpassungen im Compositing muss z.B. nicht gegen die implementierte Gammakurve gearbeitet werden.


In Nuke lässt sich dieser lineare Prozess in drei Schritten abbilden …
Der Farbworkflow in Nuke beginnt bereits mit dem Read Node. In diesem kann ein inverser 1D Look-up Table (kurz LUT) angewendet werden, der das Material von seinem Ursprungsgamma in eine lineare Darstellung umwandelt. Als Beispiel: Bildmaterial von der ARRI Alexa wird üblicherweise mit einem AlexaV3LogC-Farbraum kodiert, der beim Import in Nuke gegengerechnet werden sollte, um ein lineares Bild zu erhalten. 1D LUTs sind nicht in der Lage, den Gamut zu beeinflussen, daher bleibt der Farbumfang (Gamut) unangetastet. Das Bildmaterial ist ab diesem Schritt linearisiert und kann wie gewünscht bearbeitet werden. Beim Schreibvorgang wird üblicherweise der ursprünglichen Gammawert wieder angewendet, um die angelieferte Plate und das fertige Compositing in dasselbe Format zu bringen.

Dargestellt werden die linearen Bilder mit einem Viewing LUT. In Nuke gibt es Presets für sRGB- und Rec.-709-Bildschirme. Diese Presets sind in der Lage, Werte von 0 bis 1 abzubilden. Höhere Werte sind zwar vorhanden, werden aber nicht dargestellt
(geclippt).

Bei der Arbeit im Filmbereich ist es allerdings üblich, dass Highlights und Pings, wie sie zum Beispiel beim Blick in eine direkte Lichtquelle entstehen, weit über diesem darstellbaren Maximalwert von 1 liegen. Gewöhnlich hilft man sich hier mit einem angepassten Viewing LUT. Der von ARRI angebotene LUT für Rec.-709-Monitore greift z.B. nur sehr dezent in die Sättigungen und Farbverteilung ein, besitzt aber einen angenehmen Rolloff in den hellen Bereichen. Als Punktwolke visualisiert, werden die feineren Abstufungen im hellen Bereich sichtbar:
Wenn richtig aufgesetzt, arbeiten die optischen Effekte wie zu erwarten. Am relevantesten ist ein kontrolliertes Setup bei Lichteffekten wie Pings und Glows. Diese reagieren bei einem linearen Bild mit akkuraten Helligkeitsinformationen besser und naturgetreuer.

Durch Film Emulation LUTs lassen sich diese hellen Bildbereiche im verfügbaren Viewer-Spektrum visualisieren. Das verändert nicht die Bildinformationen, sondern nur die Darstellung dieser. Oft wird so ein 3D-Viewer-LUT inklusive kreativer Farbkorrekturanpassungen vom DI-Vendor an das VFX-Studio geliefert, um das finale Grading in den VFX-Previews abzubilden. Nicht selten machen diese Look-Stilisierungen Probleme, und die Artists müssen gegen die Farbverschiebungen des LUTs arbeiten. Als Beispiel: Manchmal ist es notwendig, in einem komplett anderen Bereich des Farbspektrums (Magenta) Farbkorrekturen vorzunehmen, um zu dem gewünschten Ergebnis (Blau) zu kommen. In anderen Fällen kommt es zu Steppings oder Artefakten, die bei der Darstellung der Bilder stören. Diese Probleme begleiten selbst die großen VFX-Studios, bei denen sich üblicherweise dedizierte Farbspezialisten um die Erstellung dieser Preview LUTs und Farbworkflows kümmern.
Wie sieht ein Beispielworkflow für ACES in der Praxis aus
Mit der aktuellen Implementierung von OCIO in Nuke lässt sich ein Umstieg auf einen ACES-Workflow in nur wenigen Schritten bewerkstelligen. Die Nuke Project Settings zeigen uns die Auswahlmöglichkeiten: Nachdem das Color Management von Nuke-Standard auf OCIO gestellt wurde, sollte als OCIO Config die aktuelle ACES-Konfiguration (hier aces_1.0.3) gewählt werden. Als Working Space bietet es sich an, in ACEScg zu bleiben.
Was hat diese Umstellung für Auswirkungen und was muss man bei einer ACES Color Pipeline bedenken?
Die Vorteile im Compositing Department liegen auf der Hand: Bisher war es üblich, die verschiedenen Materialien durch Grading und Farbkorrekturen in den Zielfarbraum zu bringen. Ein manueller Prozess, der durch die unendlich verschiedenen Transformationsmöglichkeiten im Farbspektrum immer nur zu einer nicht mehr wahrnehmbaren Annäherung, aber nie zu einer wirklich akkuraten Lösung führen kann. ACES bietet uns eine Möglichkeit, diese Farbtransformationen unter Kontrolle zu bringen.

Im 3D-Department bietet ACEScg einen gut funktionierenden Render-Farbraum, der auch in Extremsituationen Stabilität liefert. Ein weiterer Vorteil sind die kontrollierbaren Preview-Möglichkeiten: Bei einem einheitlichen OCIO-Setup sollte kein Unterschied zwischen dem 3D-Preview und dem Compositing Preview sichtbar sein. Richtig implementiert bietet ACES weiterhin eine Möglichkeit, fotografischere Arbeitsprozesse einzuführen. Der Lighting- und Look-Development-Prozess wird dadurch der Arbeit eines Kameramanns ähnlicher.
Das Sorgenkind eines Farbworkflows ist üblicherweise, das im Matte Painting Department verwendete Photoshop. Ein üblicher Workflow ist es, die Bilder vor der Bearbeitung in Photoshop in einer Log-Kodierung zu exportieren. Ohne diesen Bearbeitungsschritt werden Werte über 1 von Photoshop geclippt. Über ICC-Profile wird das flach wirkende Bild wieder zurechtgebogen, um dem Artist eine Preview-Möglichkeit zu bieten. Photoshop scheint immer am verlässlichsten zu funktionieren, wenn mit normalisierten, auf das Display bezogenen Daten gearbeitet wird, die vom ICC-System verwaltet werden können.

Daraus leitet sich ein möglicher Workflow ab, der von einigen Studios gerade getestet wird: Die Ursprungsbilder werden meist in Nuke über einen Output Transform gewandelt. Animal Logic z.B. hat sich einen Farbraum basierend auf den AP1-Primaries erstellt und weist den Bildern gleichzeitig ein synthetisches ICC-Profil zu, das diesen Raum beschreibt. Die Arbeit in Photoshop ist dadurch wie gewohnt möglich, und der Dynamikumfang des Materials ist nur mehr auf verschmerzbare 16 Stops geregelt. Beim Export wird ein EXR gerechnet, welches mit einem Anpassungs-LUT versehen wird.
Für kleinere Studios, die einen flexibleren Workflow im Matte Painting benötigen, gibt es auch die Möglichkeit, OCIO für Photoshop zu verwenden. Allerdings setzt das voraus, dass jeder Artist den Farbworkflow kennt und eigenverantwortlich arbeitet. Zum Download hier.
Kreative Nebenwirkungen
Die erste ACES-Show wird wohl für jeden Artist ein ungewohntes Erlebnis sein. Die wichtigsten Gründe hierfür sind: Der RRT enthält eine S-Kurve bzw. einen Film Look, der immer angewendet wird und von der gewohnten sRGB-/Rec.-709-/P3-Darstellung abweicht. Im direkten Vergleich zu einer herkömmlichen Darbietung ist das Ergebnis dunkler, hat stärkere Kontraste und bringt dadurch mehr Detail zum Vorschein.
Der ACES-Weißpunkt liegt nicht wie bisher gewohnt bei D65 (6.500 Kelvin), sondern bei D60 (6.000 Kelvin). Monitore und Projektoren müssen dementsprechend nachkalibriert werden. Hierzu gab es zwar 2015 bereits eine kollektive Einigung, auf den D65-Standard zu wechseln. Die Implementierung ist allerdings noch nicht erfolgt.
Durch die Anwendung des ITs und die Umwandlung in den ACES-Farbraum wird der Look der Kamera aufgehoben. Im direkten Vergleich werden zwar noch immer Unterschiede – vor allem in den Hauttönen – sichtbar. Von Seiten der Coloristen hört man, dass die Ähnlichkeit des Materials zwar die Angleichung erleichtert, aber kreative Gestaltungsmöglichkeiten verloren gehen. Die Ähnlichkeiten in der Bildästhetik werden in Zukunft die Kameraauswahl neu definieren.