Huxley – Flucht aus der VR-Welt

Die letzten Überlebenden der Erde erhalten in einem Raumschiff eine Nachricht: „SOS. Save me! Help Huxley!“ Die Spieler begeben sich daraufhin auf die Suche nach Huxley und stellen sich der Aufgabe, die Menschheit zu retten. Dies alles spielt sich in einem virtuellen digitalen Environment ab. Das VR-Escape-Room-Spiel „Huxley“ gewann im letzten Jahr den animago AWARD, der erstmalig in der Kategorie „Beste VR/AR/36O°-Produktion“ vergeben wurde.

Escape Games in einem realen Environment gehören schon länger zum Entertainment-Standard. Das Ganze in einer virtuellen Digital-Umgebung ist dagegen etwas Neues, Rätsel-Adventure-Spiele mit einem Storytelling für den Multiplayer-Modus sind ebenso selten. „Huxley“ können maximal vier Teilnehmer, ausgestattet mit einem HTC-Vive-Headset und Controllern, Kopfhörern sowie einem Backpack mit XMG-Walker-Rucksackrechnern, gemeinsam spielen. Dabei müssen die Spieler die Aufgaben einer Mission in einem festgelegten Zeitrahmen mithilfe von Teamwork und Kreativität lösen, so wie bei einem klassischen Escape-Room-Game.
Für „Huxley“ tat sich der Berliner Escape-Room-Anbieter Exit VR mit dem Entwicklerstudio Trotzkind zusammen und gründete EXIT Adventures mit dem expliziten Zweck, einen VR Escape Room in Berlin aufzu­ziehen.
Exit VR realisierte sein erstes VR Escape Game mit einem Team bestehend aus 20 Leuten, die sich aus Concept Artists, Developern und Animatoren zusammensetzte, die zeitversetzt am Projekt arbeiteten.
Die Grundidee für „Huxley” entstand im Oktober 2016, die nachfolgende Konzeptionsphase dauerte zwei Monate. In dieser fertigte das Team Konzeptzeichnungen für den Look der Spielwelt sowie Teile des Leveldesigns an. Außerdem illustrierten zwei Storyboard Artists die gesamte Handlung. Für die Rätsel entwickelte das Team vorab analoge Prototypen, um sie möglichst früh mit Spielern testen zu können. Während diese Prototypen digital umgesetzt wurden, arbeiteten die Artists bereits an der Programmierung und Gestaltung.

Viel VR-Erfahrung auf großer Testfläche

Vorbilder für den Game-Entwicklungsprozess gab es nicht, da „Huxley“ das erste Spiel seiner Art ist. Diese Problematik war aber nicht allzu groß, weil das Entwicklerteam bereits viel Erfahrung im VR-Bereich besaß und sich dadurch viele Stolpersteine schon im Vorfeld vermeiden ließen. Kompliziert war dagegen die Platzproblematik, denn nicht nur die Arbeitsplätze für die Entwickler mussten untergebracht werden, es musste auch viel freier Raum für Spielflächen zur Verfügung stehen, damit die Tests laufen konnten. Anfangs war das Spiel für bis zu drei Teilnehmer ausgerichtet, von denen jeder auf einer eigenen Fläche von drei mal fünf Metern unterwegs war. Den benötigten Platz fand Exit VR in der ehemaligen DDR-Bunkeranlage, in der Exit auch ihre Escape Games anbietet.

Während des Gameplays reisen die Spieler unter anderem in das Gehirn eines Roboters und sehen eine Welt voller Drähte und Schaltkreise.
Während des Gameplays reisen die Spieler unter anderem in das Gehirn eines Roboters und sehen eine Welt voller Drähte und Schaltkreise.

Die Story und die Rätsel standen fest bevor das Team mit der eigentlichen Produktion begann, im Verlauf des Prozesses wurden nur noch einzelne Aspekte der Rätsel angepasst. Viele der 3D-Assets und weitere Komponenten gestalteten die Artists mit ZBrush, weil sie so organischer wirkten. Für eine feuchte Steinwand kam die Software ebenfalls zum Einsatz. Weitere 3D-Elemente entstanden mit Blender, da eine Vielzahl der beteiligten Artists das Open-Source-Programm bevorzugte und damit am glücklichsten war. Blender besitzt außerdem den Vorteil, dass sich damit viele Sachen gleichzeitig erledigen lassen, was viel Zeit spart. Modelle, die mit Photogrammetrie erstellt wurden wie beispielsweise eine Berliner Kirche, waren aufgrund ihrer hohen Polygonanzahl nicht für die Weiterbearbeitung im Game geeignet. Aber sie waren sehr nützlich als Vorbilder zur Gestaltung der Level. Mate­rials, Looks und Texturen entstanden mit Substance Painter und Substance Designer.

Ausgerüstet mit einem HTC-Vive-Headset und Controllern, Kopfhörern sowie einem Backpack mit XMG-Walker-Rucksackrechnern können bis zu vier Gamer „Huxley“ gemeinsam spielen.
Ausgerüstet mit einem HTC-Vive-Headset und Controllern, Kopfhörern sowie einem Backpack mit XMG-Walker-Rucksackrechnern können bis zu vier Gamer „Huxley“ gemeinsam spielen.

Unity war zum damaligen Zeitpunkt die Engine der Wahl, weil sie wesentlich mehr Optionen als andere Spiele-Engines besaß und über eine einfache Bedienoberfläche für VR-Applikationen verfügt. Ihre Einfachheit und Programmierfreundlichkeit sowie der Wissensschatz, den viele Entwickler zu der Engine besitzen, machen Unity auch zukünftig für Exit VR zu einer potenten Engine. Da Unreal jedoch hinsichtlich der Features aufgeholt hat, wird der zweite „Huxley“-Teil mit dieser Engine realisiert.

Testläufe und Anpassungen

Bei VR-Spielen ist es im Vergleich zu regulären Games umso wichtiger, auf ein schlüssiges Level und Game Design zu achten und sich auf das Verhalten von „echten“ Menschen einzustellen. Die Spieler haben zwar einen Avatar, bewegen sich aber mit ihrem echten Körper durch den Raum, sehen nur, wohin tatsächlich ihr Blick fällt, bewegen sich mit ihrer normalen Schrittgeschwindigkeit und können nur mit Objekten interagieren, die sich in ihrer tatsächlichen Griffweite befinden. Damit ein angenehmes Spielerlebnis für alle Arten von Kunden geschaffen wurde, waren viele Durchläufe mit Testgruppen und anschließende Anpassungen notwendig.

Aber auch die Erholung kommt nicht zu kurz in den unterschiedlichen Level Designs.
Aber auch die Erholung kommt nicht zu kurz in den unterschiedlichen Level Designs.

Ein sehr aufwendiges Asset diesbezüglich war die Farbmischmaschine im dritten Spiel-Level: An dieser müssen die Spieler über eine Reihe von Hebeln eine Farbflüssigkeit in einer bestimmten Farbe zusammenmischen und abfüllen. Aufwendig wurde das Asset durch sein großes Maß an Funktionalität, das in der Maschine verborgen ist. Gleichzeitig sollte sie aber für alle Spieler leicht verständlich und bedienbar bleiben. Dieser Anspruch zog zahlreiche Testläufe nach sich mit Änderungen des Rätsels. Dieser Testprozess war während der Entwicklung der zeitaufwendigste, aber einer, der sich lohnte, denn dabei sammelte das Team viele wertvolle Erkenntnisse zum Spielverhalten von Menschen: Beispielsweise war so schon früh klar, dass mit nur einem einzigen Knopf am Controller das ganze Spiel bedient werden musste, sonst überforderte die Komplexität der Bedienung die Spieler. In dieser Phase leistete Exit Adventures viel Polishing-Arbeit, deren Länge so zwar nicht geplant war, die aber zeitgleich viele Erkenntnisse bot, sodass „Huxley“ mehr nach den Bedürfnissen der Spieler ausgerichtet werden konnte. In zukünftigen Spielen wird das Team diese Erkenntnisse ebenfalls anwenden.

Und was blieb am Ende übrig? Der verlassene Planet erklärt so einiges.
Und was blieb am Ende übrig? Der verlassene Planet erklärt so einiges.

Zur Vermeidung der altbekannten VR-Problematik von Motion Sickness war wichtig, dass die Bewegungen im virtuellen Raum denen in der Realität entsprachen. Auf Achterbahnfahrten oder ähnliches wurde deswegen verzichtet. Um ein größtmögliches immersives Erlebnis zu schaffen, war vor allem die Bewegungsfreiheit der Spieler entscheidend. Diese Option bot damals lediglich das HTC-Vive-Headset.

Los geht die VR-Mission!

Insgesamt arbeitete das Team rund acht Monate an dem VR-Game. Im Mai 2017 war „Huxley” bei Exit VR bereit zum Spielen und so wie bei anderen Escape-Räumen braucht auch „Huxley“ einen Spielleiter. Diesem steht die Backend-Software zur Verfügung zur Kontrolle des Games. Vor dem Start bereitet der Spielleiter die Kunden auf das Erlebnis vor und gibt ihnen ein Briefing zu Technik, Sicherheit und Story. Im Gameplay können sich die Spieler in den teilweise sehr großen Leveln frei bewegen, dabei kann der Spielleiter das Level Design der Größe der Gruppe anpassen. An mehreren Stellen der Storyline gabelt sich der Weg und damit auch die Rätsel – der Gruppe steht es dann frei, sich aufzuteilen oder zusammenzuarbeiten. Im Hintergrund begleitet der Spielleiter die Spieler und kann mit Tipps bei den Rätseln helfen. Theoretisch hat er darüber hinaus alle Möglichkeiten, in das Spiel einzugreifen, indem er zum Beispiel einzelne Rätsel als geschafft schaltet oder die Spieler manuell in neue Level schickt. Davon wird aber nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. Inzwischen kann „Huxley“ nicht mehr nur im Berliner Showroom von Exit Adventures gespielt werden, sondern in mehr als 15 Locations in und außerhalb von Europa. Damit in allen Locations der gleiche Spielspaß geboten wird, sind gewisse Hardwareanforderungen, die Benutzung bestimmter Drittanbieter-Software und -Hardware sowie die Größe der Spielfläche vertraglich vorgegeben. Seit seinem Release gewann das Game neben dem animago diverse weitere Preise, unter anderem den deutschen Computerspielpreis im Bereich „Beste Innovation“.

Über Exit VR Live Adventure

Exit Adventures ist eine Firma aus Deutschland. Sie entwickelt Location-basierte VR- und AR-Games für Escape Rooms und Betreiber von Entertainment-Locations. Aktuell arbeitet das Team an einem „Huxley”-Prequel mit dem Titel „Huxley 2 – The Adventure Begins“

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