Saltar VR – ein Virtual-Reality-Plattformspiel

Das Genre der Plattformspiele ist wohl eines der bekanntesten und erfolgreichsten Spielgenres überhaupt. Einige der bedeutendsten Charaktere aus der Welt der Videospiele, wie zum Beispiel Mario, entstammen diesem Genre. Saltar VR ist die Abschlussarbeit von Jonas Schöls und Axel Braun aus dem Wintersemester 2018/2019. Jonas Schöls hat Audiovisuelle Medien (Master, www.hdm-stuttgart.de/amm) studiert und Axel Braun Computer Science and Media (Master, www.hdm-stuttgart.de/csm). Betreuer waren Prof. Sabiha Ghellal und Prof. Uwe Schulz. Parallel dazu steht VR in den Startlöchern – hier setzt das Projekt „Saltar VR – ein Virtual- Reality-Plattformspiel” an und verbindet die virtuelle Realität mit Plattformspielen.

Ein weiterer Aspekt ist die haptische Wahrnehmung. Diese beschränkt sich in herkömmlichen VR-Spielen oft auf die Funktionalität traditioneller Spielecontroller. Erstrebenswert wäre es, den Nutzer die visuell wahrgenommene, virtuelle Umgebung auch haptisch erkunden zu lassen, indem er virtuelle Objekte berühren oder mit ihnen physisch interagieren kann. Die zentralen Fragen, welche in der Untersuchung zu „Saltar VR“ thematisiert werden, sind:

  • Welche Spielmechaniken sind für VR-Plattformspiele relevant?
  • Wie viel Bewegung ist in einemVR-Plattformspiel überhaupt möglich?
  • Wie lassen sich Elemente einer VR für den Spieler spürbar machen?

Anhand eines „Human-Centered Design“-Ansatzes wurden insgesamt 17 verschiedene Spielmechaniken umgesetzt und in zehn Stationen mit steigender Schwierigkeit unterschiedlich kombiniert und aneinandergereiht. Bei der Untersuchung haben sich zwei Themen als besonders relevant herauskristallisiert: passive Haptik sowie Bewegung in VR.

Passive Haptik

Passive Haptik stellt eine einfache und kostengünstige Möglichkeit dar, haptische Wahrnehmung in VR zu ermöglichen. Hierbei wird ein reales Objekt verwendet, zu dem ein virtuelles Äquivalent in der VR erzeugt wird, das den Dimensionen, der Textur oder anderen Eigenschaften des realen Objekts entspricht. Im Idealfall ist es daher eine Eins-zu-eins-Abbildung des realen Objekts. Sollen diese Objekte bewegt werden, zum Beispiel durch Hochheben, ist zusätzliches Tracking nötig, um die Position und Orientierung des realen Objekts in der virtuellen Welt adäquat darstellen zu können. Untersuchungen belegen, dass passive Haptik die Präsenz (also das Gefühl, tatsächlich in einer virtuellen Welt anwesend zu sein) verstärkt, die Orientierung im virtuellen Raum verbessert und die Trainingsleistung steigert.

Die erste passive Haptik in „Saltar VR“ ist ein 3D-gedrucktes Schloss, wobei der vordere Teil eines HTC-Vive-Controllers als Gegenstück fungiert und dadurch wie ein Schlüssel eingesetzt werden kann. Dreht der Spieler den Controller (Schlüssel) in der passiven Haptik (Schloss), wird ein Vorgang initiiert, der eine Voraussetzung für die Bewältigung der Station ist. Das nächste haptische Element ist ein Holzbrett. Dieses liegt an einer bestimmten Position auf dem Boden im Trackingbereich und soll beim Spieler den Eindruck erwecken, tatsächlich über eine schmale Brücke zu laufen. Als letzte passive Haptik wird ein verschiebbarer Kasten verwendet, dessen Position vom VR-System verfolgt wird, sodass sich beim Bewegen durch den Spieler sein virtuelles Abbild mitbewegt.

Fortbewegung

Eine der größten Herausforderungen bei der Gestaltung und Umsetzung von „Saltar VR“ war die Realisierung einer stetigen Fortbewegung, welche ein wichtiges Merkmal eines Plattformspiels darstellt. Es musste sichergestellt werden, dass der Spieler niemals durch die Spielfläche begrenzt wird und sämtliche Bereiche in der virtuellen Welt, die aktiv bespielt werden müssen, zu jeder Zeit erreichbar sind. Dazu wurden mehrere Arten der Fortbewegung eingesetzt. Die Standardfortbewegung beruht hauptsächlich auf der Real-Walking-Technik. Die physischen Bewegungen des Spielers werden dabei eins zu eins in die virtuelle Welt übertragen, wodurch er laufen, springen, kriechen oder sich ducken kann, indem dieselben Bewegungen ausgeführt werden, die der Spieler aus der realen Welt kennt. Dem Spieler steht dazu eine Fläche von 4 x 4 Metern zur Verfügung. Am Ende jeder Station befindet sich ein Portal, das den Spieler beim Durchschreiten zur nächsten Station befördert. Zusätzlich kann der Spieler einen Beam Cube verwenden oder sich über bewegende Plattformen fortbewegen. Ein Beam Cube kann mithilfe eines Controllers erzeugt und geworfen werden. Im Anschluss teleportiert sich der Spieler per Knopfdruck an die Position des ruhenden Beam Cubes.

Während der Spieler sich durch die Stationen bewegt, muss er darauf achten, nicht von den Plattformen zu fallen. Die Bedingungen wann der Spieler fällt, sind dabei möglichst nah an der Realität implementiert. Es wurden zusätzliche HTC-Vive-Tracker an den Füßen des Spielers angebracht und anhand der Fußpositionen, deren Bewegung sowie der Kopfposition Bedingungen festgelegt, die zum Fallen des Spielers von einer Plattform im Spiel führen. Dabei wird die Physik-Engine von Unity aktiviert und somit der freie Fall simuliert. Die HTC-Vive-Tracker ermöglichen darüber hinaus eine Repräsentation der Füße, welche das Gefühl für den eigenen Körper unterstützt und dem Spieler hilft, seine Schritte gezielt an der richtigen Position zu platzieren.

Ergebnisse

Anhand einer Evaluation wurde in Erfahrung gebracht, dass passive Haptik, vorausgesetzt es sind keine Diskrepanzen (zwischen realem Objekt und seinem virtuellen Pendant) vorhanden und der Spieler ist darauf vorbereitet, zu einer Steigerung der Präsenz führt. Zugleich kommt es zur Identifikation diverser Aspekte der passiven Haptik, die das Präsenzempfinden des Spielers beeinflussen. Hierzu zählt die Verwendung von passiver Haptik, auf die der Körper des Spielers reagiert. Das Holzbrett in Verbindung mit virtueller Höhe erfüllte diese Gegebenheit und steigerte die Präsenz des Spielers. Eine ebenfalls positive Auswirkung war dem verschiebbaren Kasten aufgrund seiner Beweglichkeit und dem damit verbundenen großen Aktionsradius sowie seiner Manipulation über die Hände zuzuschreiben. Zu einer Verringerung der Präsenz kam es vor allem dann, wenn Diskrepanzen vorhanden waren.

Insgesamt konnte gezeigt werden, dass der finale Prototyp ein positives Erlebnis ist und Spielfreude erzeugt. Die entwickelten Spielmechaniken wurden weitestgehend positiv bewertet. Darauf aufbauend entstand eine Liste mit einzelnen und kombinierten Spielmechaniken, die im Kontext eines VR-Plattformspiels auch zukünftig verwendet werden könnten. Dabei ist insbesondere die Spielmechanik des Ausweichens in verschiedenen Kombinationen mit bewegenden Plattformen, erscheinenden bzw. verschwindenden Plattformen und dem Springen über Plattformen positiv hervorzuheben. Eine Repräsentation der Füße scheint dafür unabdingbar. Kleinere Rätsel wie das Merken von begehbaren Plattformen beanspruchen zusätzlich die mentalen Fähigkeiten und sorgen für Abwechslung im Spiel.

Allgemein ist anzunehmen, dass Grundelemente und -mechaniken eines zweidimensionalen Plattformspiels weitestgehend auf ein VR-Plattformspiel übertragen werden können. Als besonders geeignet für ein VR-Plattformspiel erwies sich das Balancieren über eine Brücke (Holzbrett als passive Haptik) in großer Höhe. Durch die dreidimensionale Darstellung kann die Höhe in VR für den Spieler besonders erfahrbar gemacht werden. Als spannende Alternative zu der im Großteil von VR-Spielen üblichen Teleportation erwies sich der Beam Cube, welcher die zusätzliche Mechanik des Werfens beinhaltet und somit eine Form der Fortbewegung bildet, die in ihrer Gesamtheit eine eigene Spielmechanik darstellt und dem Spieler eine weitere Herausforderung bietet.

Ein Ansatzpunkt für zukünftige Forschungen ist die Größe der benötigten Spielfläche: Eine Mindestgröße von 4 x 4 Metern macht es schwierig, das Spiel im Consumer-Bereich zu etablieren. Ein dynamischer Ansatz, der es erlaubt, das Spiel bei verschiedenen Größen der Spielfläche zu spielen, könnte dabei Abhilfe schaffen. Da ein Plattformspiel in VR auf der Repräsentation des Körpers und der Übertragung der physischen Bewegung des Spielers basiert, könnte der Versuch eines genaueren Trackings ein weiterer Ausgangspunkt für nachfolgende Studien sein, wodurch das Fallverhalten verfeinert und die Detektion von Kollisionen mit Hindernissen verbessert werden könnte.

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