Zuerst frage ich mich als Filmemacher: Benutzen Videoblogger die Kameras überhaupt in ihrem realen Alltag, oder wollen sie nur die Produkte so bewerben, dass möglichst viele Zuschauer ihre Werbelinks anklicken, damit sich ihre Werbevideos bezahlt machen? Tatsächlich stellt man fest, dass, wenn man in die Werbelinks unter den Videos schaut, die Action-Kameras weitestgehend aus den Videoblogs verschwunden sind – kein Wunder, dass es GoPro so schlecht geht. Fairerweise liegt es aber auch daran, dass der Bildqualitätsanspruch der Videoblogger in letzter Zeit rasant gestiegen ist.
Ich zumindest habe mir beide Kameras gekauft, um sie zu benutzen. Der Einsatzzweck ist unterschiedlich: zum einen zu Dokumentations- und Making-of-Zwecken, zum anderen für weitere Kameraperspektiven neben den Hauptkameras. Letzteres ist der klassische Einsatzzweck einer GoPro – schon seit Jahren. Gleichzeitig ist das auch der Fluch für die Postproduktion: Wir ersaufen in stundenlangen Materialmengen von zusätzlichen GoPro-Kameras. Aber hier kommt die erste gute Nachricht: Wir müssen in der Post nicht mehr so viel nachträglich stabilisieren.
Digitale vs. mechanische Stabilisierung in der Praxis
Wie schon erwähnt: Der klassische Einsatzzweck einer Action-Kamera als Perspektive bei Dokus oder Industriefilmen ist die Montage an einem Fahrzeug. Dies war in der Vergangenheit recht aufwendig, weil es Probleme mit sich bringt, kleine Kameras vibrationsarm zu montieren. Entsprechend aufwendig – vor allem zeitaufwendig – war eine solche Montage und benötigte ein Haufen Grip-Material, das es in unüberschaubaren Variationen zu kaufen gibt.
Aber selbst wenn man sich damit Mühe gibt, fliegt einem in der Postproduktion bei der Stabilisierung der Rolling Shutter als Wobbeln erst richtig um die Ohren. Insofern war der Einsatzbereich einer GoPro am Ende doch wieder begrenzt. Wenngleich oft doch noch für ein paar Sekunden eine irgendwie brauchbare weitere Perspektive im Film landete – sei es nur, damit der Editor sie als Notlösung für ein Schnittproblem missbrauchen konnte.
So habe ich die GoPro 2, 3 und 4 (von der Vierer gleich 8 Stück) besessen, aber mir den Sprung auf GoPro 5 und 6 gespart, weil ich hier keinen wirklichen Fortschritt vorgefunden habe. Mit der GoPro 7 allerdings und der neuen Hypermotion-Stabilisierung erhoffe ich mir einen deutlich höheren Output als mit der GoPro 4. Digitale Stabilisierung ist nichts Neues – in vielen Kameras im DSLR- oder DSLM-Bereich ist diese inzwischen fast Standard. Beispielsweise hat eine Panasonic GH5 mit der Kombination aus Sensorstabilisierung und motorischer Stabilisierung in der Optik ein System entwickelt, das eine mechanische Stabilisierung durch ein Gimbal nahezu überflüssig macht. Nichts ist schlimmer für einen Zuschauer, als wenn eine ständig wackelnde Kamera unruhige Bilder erzeugt. Deswegen lieben insbesondere auch Videoblogger jede Form von In-Kamera-Stabilisierung, nicht zuletzt weil sie sich auch die Stabilisierung in der Post sparen wollen – und ich bin mir sicher, dass die Kollegen aus der VFX-Abteilung auch ein Lied davon singen können.
Das gleiche Lied können wir alle singen über die leidvollen Erfahrungen mit softwarebasierter Stabilisierung – unabhängig davon, ob sie in der Kamera oder in der Postproduktion zum Einsatz kommt, wenn sie zu Trapezverzerrungen der Bildecken führt. Insofern ist eine mechanische Stabilisierung durch Gimbals immer noch State-of-the-art, und daher war der Kauf der DJI Osmo Pocket im Vergleich zur GoPro 7 fast ein Zwang. Da ich bereits Erfahrung mit kleinen Geräten wie der Osmo Pocket an meinen Drohnen habe – wie z.B. die Phantom 4 Pro, die mit bis zu 80 km/h durch die Landschaft heizt – fand ich das Produkt sehr reizvoll. Nicht wenige Drohnen-Operator sind in der Vergangenheit auf die Idee gekommen, die ganze Drohne auf die Haube eines Fahrzeugs zu montieren, um eine gimbalbasierte, fernsteuerbare Kameraaufhängung am Fahrzeug zu verwenden. Denn Fahraufnahmen jeglicher Art sind in vielen Filmen ganz oft wesentliche Erzählelemente.
Montageaufwand
Ein eigentlich unwesentliches Problem bei beiden Produkten ist, dass keine Art von schraubbarer Verbindung vorhanden ist. Aber wie man im Bild sehen kann, gibt es reichlich Zubehör in Form von Aluminium-Gehäusen und -Klemmen. Die Osmo Pocket wird gleich mit Mini-Stativ geliefert, das primär dafür gedacht ist, das eigentlich notwendige Handy stabil an die Osmo Pocket zu montieren – die Verbindung der Osmo Pocket per USB-C oder Lightning-Buchse an das Handy ist sehr wackelig und im Alltag nicht produktiv. Die Pocket lässt sich zwar ohne Handy bedienen, aber einige Funktionen, wie z.B. den Weißabgleich zu fixieren, geht nur mittels Handy. Auch wenn ich RAW-Fotoaufnahmen machen möchte, muss ich das Handy montieren, um in den Pro-Modus anzuschalten. Der wird gerne abgeschaltet, zum Beispiel wenn man direkt an der Osmo Pocket vom Fotomodus in den Videomodus wechselt. Ich hoffe, dass DJI diesen Funktionsmangel durch ein Softwareupdate beseitigen wird.
Allerdings wird dann das ganze Setup mit der Halterung für das Handy und dem kleinen Stativ darunter schon wieder unhandlich – das passt nicht mehr in die Hosentasche, und im Vergleich zur GoPro ist das ganze Setup deutlich größer. Damit die GoPro nicht wegrutscht, habe ich eine normale Handy-Antirutsch-Auflage fürs Auto verwendet, was gut funktioniert hat, und ich konnte auf einen aufwendigen Griff, den ich in der Vergangenheit benutzt habe, für diese einfachen Fahraufnahmen verzichten.
Die Qualität der Aufnahmen
Es fällt mir tatsächlich schwer zu benennen, wer hier der Sieger sein soll, denn beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Ein ganz klassisches Problem von gimbalbasierten, motorisch stabilisierten Systemen ist immer noch die Anfälligkeit für bestimmte Formen von externen Vibrationen. Sie sind allerdings im üblichen Bild (Handy-Display) so klein, dass sie selbst im unebenen Gelände zwar sichtbar, aber verschmerzbar sind. Wenn ich die Aufnahme einem Laien zeige, so zeigt er sich auch von diesen stabilisierten Aufnahmen begeistert, bei den üblichen Sehabständen ist es selbst auf einem 4K-Fernseher akzeptabel. Ein VFXler wird beim Tracken aber dennoch fluchen – Tracker Lost durch Bewegungsunschärfen.
Wenn man bedenkt, was wir früher für einen Aufwand treiben mussten, um eine ähnliche Form von Stabilisierung in die Postproduktion übergeben zu können, ist es ein Quantensprung allein im Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein weiteres kleineres Problem tritt auf, das bei elektronisch motorisierten Gimbals weit verbreitet ist: der Drift bei langgezogenen Flugkurven z.B. bei Drohnen. Der Horizont bleibt nicht stabil und kippt leicht nach rechts oder nach links weg.
Die Osmo stabilisiert sich recht schnell wieder, wenn man aus der Kurve herausfährt, und zieht den Horizont gerade. Eigentlich ist genau dafür der FPV-Modus vorgesehen, der im Grunde wie beim Motorradfahren die Kamera mit in die Schräge legt und dann auf der Geraden wieder hochzieht. Tatsächlich tut er das auch im fixierten Modus, wenn die Kurven länger und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs hoch ist – dann bleibt der Horizont leider nicht stabil.
Gegenüber der Osmo Pocket sind die stabilisierten Aufnahmen der GoPro 7 tatsächlich besser, und selbst feinste Vibrationen und Wackler des Autos wurden weg stabilisiert. Selbst beim Foto-Timelapse, bei dem ich mittendrin gegen die Gopro stieß, wurde der Wackler weich rausgerechnet. Allerdings: Wenn wir stark in die Kurve fahren, muss das System diese Bewegung am Anfang stabilisieren / fixieren. Dann kommt irgendwann der Punkt, wo es diese Bewegung mitzieht.
An dieser Stelle hat die GoPro noch ein kleines Problem, da sie zu stark an den Anschlag der Reserven gerät und eine hektische Korrekturbewegung vornimmt, die stark daran erinnert, wenn man eine Ohrfeige bekommt (als Vergleich, den wir alle kennen). Die Bewegung ist – je nach Ohrfeige – recht soft, aber deutlich wahrnehmbar, ansonsten ist der Horizont mega stabil. Wäre die Kamera nicht weitwinklig und somit das Armaturenbrett mit im Bild, würde man überhaupt nicht mitbekommen, wie enorm diese Stabilisierung wirkt. Tatsächlich ist das Armaturenbrett so umfangreich im Bild, dass eine kleine Übelkeit zwischen dem Bild des wackelnden Fahrzeugs und dem stabilen Horizont auftaucht. Wer so dreht, dem sei geraten, ein kleineres Stativ zu verwenden, um nichts von dem Fahrzeug im Bild zu belassen, an dem man die stattgefundene Stabilisierung festmachen könnte.
Fazit
Die GoPro Hero 7 Black ist ja schon eine Weile verfügbar, und auch das Zubehör ist in Unmengen vorhanden – unter anderem wegen der vorbildlichen Rückwärtskompatibilität. Auf der anderen Seite ist das Erweiterungsset, welches wir vor zwei Monaten für die Osmo Pocket bestellt haben, immer noch nicht angekommen. Auch die Osmo Pocket selbst erscheint derzeit nur in homöopathischen Mengen im Markt. Das ist insofern schade, weil wir noch weitere Einsatzzwecke testen wollten und so nicht testen konnten. Allerdings haben schon bei diesem ersten Test beide Systeme unseren Erwartungen entsprochen bzw. sie zum Teil sogar übertroffen, insbesondere was GoPro 7 und ihre Hypermotion-Stabilisierung angeht.
Insofern ist mein Fazit, dass insbesondere die GoPro 7 als auch die Osmo Pocket beide für ihre Einsatzzwecke eine vernünftige Investition sind. Die GoPro 7 ist ganz klar die echte Action-Kamera, die auch mal Dreck, Feuchtigkeit, Sand und Staub aushält. Die Osmo Pocket ist eher für den Studio- / TV-Dreh sowie Making-ofs, für Fahrzeuginnenraum oder als Selfie-Stick-Cam für Videoblogger tauglich – vor allem weil die Pocket nicht so extrem weitwinklig daherkommt und filmischer wirkt, werde ich sie wohl öfter verwenden.
Ein letzten Absatz noch direkt an die Hersteller gerichtet: Meine Wunsch-Action-Kamera wäre dann zu 100% cool, wenn sie auch noch mindestens 200 Mbit in H.265 in 10 Bit 4:2:2 bei 4K 120p aufzeichnen könnten. Ich hoffe, die meisten wissen, warum ich mir das wünsche – wenn ich mir vorstelle, dass ich 8-Bit-4:2:0-Grütze in HDR farbkorrigieren muss …