Kalibrierung kann oder besser gesagt: sollte hierbei doch helfen. Wozu werden sonst entsprechende Produkte verkauft? Zum Beispiel der von der Redaktion so hochgelobte SpyderX von Datacolor.
Was ist der SpyderX?
SpyderX Pro ist ein Farbmessgerät, welches – laut Hersteller Datacolor – für „engagierte Fotografen und Designer“ konzipiert wurde und aus einem Kolorimeter – jetzt in stylischem Future-Look – sowie einer Software besteht. Die Software kann zum einen verschiedene Screens matchen und auch auf diverse Ziele messen – laut Hersteller wunderbar akkurat mit allerhand Zusatzfeatures wie zum Beispiel der Messung der Anzeigeleistung, der Zuweisung bestimmter Farbprofile und so weiter. Wer das selbst haben will, zahlt – Stand Mai 2019 – ca. 170 Euro, bzw. für die erweiterten Elite-Funktionen 280 Euro.
In einem allerersten Test von Haptik und Anwendung sind uns – ungeachtet der Ergebnisse – die enorme Geschwindigkeit im Vergleich zum Vorgänger aufgefallen. Dieser hatte – volles Programm – pro Bildschirm eine gute Stunde gebraucht (inklusive Ausmessen und so weiter). Mit dem SpyderX Pro ist man nach einer Viertelstunde (gleiche Tests) wieder in der bevorzugten 3D-Software. Der Preis ist identisch, die physischen Features sind nur insofern verändert, dass die Unterseite des Geräts eine große Linse verziert und nicht mehr die Facetten vorheriger Generationen. Die Software hat sich optisch und in der Beschreibung nicht verändert – wer die Datacolor-Tools kennt, kann sich mit geschlossenen Augen durchklicken.
Wir stellen uns der Frage: Wie weit kommt man aktuell damit? In der Vergangenheit haben wir schon mehrfach verschiedene Messsonden untersucht und insbesondere bei den preiswerteren Einstiegsprodukten und den damals getesteten Displays keine wirklich guten Ergebnisse erzielt. Gerade die Datacolor-Produkte haben in der Regel nicht sonderlich gut abgeschnitten. Wir haben in letzter Zeit auch mehrere Spyder-Kunden erleben dürfen, die es nicht geschafft haben, damit ihre verschiedenen Monitore zu matchen, was ein typisches Problem bzw. die Folge der technischen Limitierungen der preiswerten Sonden ist.
Ein neues Produkt ist aber auch immer wieder ein Grund, neu zu erforschen, ob sich was verbessert hat. Soviel will ich schon verraten: Tatsächlich fanden wir eine deutliche Verbesserung, wenngleich die alleine nicht ausreicht.
Eingebaute Probleme
Was sind die typischen Probleme der preiswerten Sonden?
- Preiswerte Sonden sind sogenannte Kolorimeter. Ähnlich wie bei Kameras sind normale Bildsensoren auf der Basis von Farbfiltern verbaut. Wer schon mal Fotos von zwei unterschiedlichen Monitoren gemacht hat, die eigentlich sehr gut kalibriert und visuell identisch aussahen, der stellt in der Regel fest, dass die auf dem Foto ganz unterschiedlich aussehen können. Das liegt daran, dass die spektralen Eigenschaften unterschiedlich sein können, vom menschlichen Wahrnehmungsapparat dennoch identisch wahrgenommen werden. Woher kommt das?Das liegt an den Eigenschaften der Farbfilter auf dem Kamerasensor. Kolorimeter messen so mitunter auch, genau wie der Kamerasensor, unterschiedliche Messwerte. Das wäre schlecht, denn es würde zu falsch kalibrierten Monitoren führen – oder wie im erlebten Kundenbeispiel dazu, dass es nicht gelingt, zwei unterschiedliche Monitore so zu matchen, dass die mit ihnen gezeigten Bilder gleich aussehen.Praktisch: Wir führen an einem iMac-Monitor mit DaVinci Resolve eine Farbkorrektur durch. Der soll dem Kundenmonitor (meist ein TV-Gerät) und als farnverbindlicher Screen einem Klasse-1-Referenzmonitor wie z.B. dem Sony BVM X300 gleichen. Wir matchen also ein LCD-TV mit dem Sony OLED. Das macht es schwer, weil es zwei völlig verschiedene Display-Technologien sind und besonders die Sony OLEDs als RGB OLEDs einen Weißpunktfehler aufweisen, weil der wegen extremer spektraler Eigenschaften von den üblichen Farbmodellen abweicht (was aber eher eine Ausnahme darstellt).
- Preiswerte Sonden sind nicht temperaturstabilisiert; ein wesentlicher Grund, warum sich Kolorimeter nicht eignen, um Messungen mit mehreren Hundert oder Tausend Farborten zu messen, um mittels daraus errechneter 3D-LUTs eine referenztaugliche Kalibrierung zu erzeugen. Denn in der Messzeit produziert das Kolorimeter – wie jedes elektrische Gerät – Wärme und nimmt vor allem Wärme vom Display auf, was meist der größere Wärmeanteil ist. Diese Wärme ändert den elektrischen Widerstand der einzelnen Lichtorte auf dem Sensor, und somit driften die Farben. Wer also vergleichen will, sollte das tunlichst bei identischer Temperatur machen, und noch wichtiger: Die Displays sollten ca. 60 min Warmlaufzeit hinter sich haben.
- Preiswerte Sonden sind nicht gegen die unterschiedlichen bzw. spezifischen spektralen Eigenschaften unterschiedlicher Display-Technologien gegenkalibriert. Ein entscheidender Punkt, wie schon in Punkt 1 beschrieben, sind auf Farbfiltern basierende Messsonden meist eindeutig (genug) in ihrem Messverhalten. Dieses Problem lässt sich nur mit sehr teuren Spektroradiometern lösen, indem man die Abweichungen der Kolorimeter zum spezifischen Display misst und mittels daraus errechneter Korrekturwerte die Messergebnisse korrigiert. Spektroradiometer funktionieren ähnlich wie Lochkameras und werden zudem regelmäßig beim Hersteller ebenfalls kalibriert bzw. überprüft. Diese eignen sich aber auch nicht für aufwendige, langwierige Messungen, da sie sehr träge sind und vor allem meist keinen sehr weiten Luminanzbereich abdecken. Und dazu können sie kein totales Schwarz wie bei OLEDs oder extrem dunklen LCDs messen. 5% Grau dauert bei ihnen schon mal 2 Minuten für einen Farbwert.
In einer perfekten Welt …
… braucht man, um Referenzqualität zu erzielen, temperaturstabilisierte Kolorimeter (z.B. Klein K10, ca 8.000 Euro) und ein Spektroradiometer (z.B. Jeti 1511, ca. 8.000 Euro), um das Kolorimeter gegen das jeweilige Display zu kalibrieren. Wobei ein alterndes und damit in seinen physikalischen Eigenschaften sich veränderndes Display ebenfalls eine Abweichung erzeugen kann, die ebenfalls ermessen werden soll. In hochwertigen Messprogrammen sind solche Gegenkalibrierungsfunktionen als Profile speicherbar und damit wiederverwendbar. Meine Erfahrung zeigt aber, dass ich bessere Ergebnisse erzeuge, wenn ich die Profilierung bei jeder Messung überprüfe und gegebenenfalls neu erzeuge.
Und in der Realität?
Was hat nun Datacolor beim SpyderX Pro und seiner Messsoftware mitgeliefert, um dem letzteren Problem ein wenig beizukommen? In einem ersten Schritt eine Auswahl, welche Anzeigetechnologie verfügbar ist.
Datacolor hat der Sonde Kalibrierungsprofile für einige der am meisten verbreiteten unterschiedlichen Display-Technologien spendiert, was eine wesentliche Voraussetzung für verbesserte oder auch nur brauchbare Messergebnisse ist. Damit stellen sich dann auch bessere Kalibrierungserfolge ein, was wir mit unserer Messausrüstung im Wert von über 25.000 Euro überprüft haben.
Nun mal im direkten Vergleich …
In den Voreinstellungen finden wir aber keine Auskunft über den Colorspace, den es zu kalibrieren gilt, also den Target Colorspace, der als Ergebnis erzielt werden soll. Das wird ein Problem darstellen, wie wir noch feststellen werden. Auch in den Settings waren dazu keine weiteren Einstellungsmöglichkeiten vorhanden. Thema Roomlight sowie Raumlichtquellen: Liest man in Datacolors Hilfe nach, sind die Erklärungen recht dürftig, außer dass es unterschiedliche geben kann und gemessen werden sollten. Dabei fällt in den Texten der Hilfe schon auf, dass die Messsoftware bevorzugt für den Einsatz „Print“ gedacht ist, denn hier wird eine Farbtemperatur von 5.700 Kelvin beschrieben, was aber nicht dem Einsatz bei Film oder TV entspricht, hier werden 6.500 Kelvin benötigt. Zudem gibt es klare Normen für die Umgebungslichtbedingungen, auch was die Raumlichthelligkeit angeht – die sollten ca. 10% der Maximalhelligkeit des Displays betragen.
Bevor wir nun die Kalibrierung mittels SpyderX durchgeführt haben, haben wir erst eine Messung mittels unserer Messausrüstung durchgeführt. In der Präkalibrierungsmessung sieht man, dass der für die Überprüfungsmessung eingestellte Colorspace Rec. 709 (entspricht dem sRGB) vom Mac-Display weit überschritten wird, bevor das Gerät von der Software-Kalibrierung des SpyderX optimiert wurde. Also haben wir eine zweite Präkalibrierungsmessung mit dem DCI-P3-Colorspace als Ziel durchgeführt, und siehe da, das passt schon besser zusammen. Aber besonders Rot- und Hauttöne liegen immer noch daneben.
Nach der Spyder-Kalibrierung sind die Ergebnisse aber sehr gut, wenn man denn mit dem Colorspace was anfangen könnte. Nun sind das Internet und die meisten Computer-Displays und TVs auf der Welt derzeit noch Rec. 709 bzw. sRGB. Ein P3-kalibriertes Display zeigt damit falsche Farben – also meist zu bunt/übersättigt an. Der Kinofarbraum benötigt als DCI-P3 ein Display mit einem DCI-Whitepoint, der wesentlich grüner ist als D65 (6.500 Kelvin). Allenfalls HDR wäre P3/D65-kompatibel, dafür ist das Macbook-Pro-Display mit 100 Nits aber viel zu dunkel. Ergo: toll kalibriert auf P3, aber am Ende nicht zu gebrauchen, zumindest aus der Sicht der VFX-, Film- oder Videoproduktion. Wenn einem P3 als Wide Gamut reicht, um Fotos zu betrachten, die aber beim Kunden nur in sRGB funktionieren sollen, wenn das Colormanagement im Fotobetrachter funktioniert, dann kann das funktionieren.
Gegencheck
Wir haben uns erlaubt mit unserer Messsoftware von Calman das Macbook-Pro-Display auf Rec. 709 zu kalibrieren, und das funktioniert dann und sieht so aus – siehe dritter Screenshot links.
Fazit
In Ansätzen wurden von Datacolor einige Verbesserungen durchgeführt, aber leider einige andere Punkte völlig vernachlässigt. Besonders die letzte Messung des LG OLEDs verdeutlicht, wie weit man danebenliegen kann, wenn man den Display-Typ verkennt.
Mein generelles Fazit bleibt leider gleich: Nur wer ein billiges oder oft driftendes älteres Display hat, dass keine brauchbaren Einstellungen liefert, wie z.B. bei Laptops generell oder Billig-Monitoren, die auf 9.000 Kelvin daherkommen (asiatischer Standard), dem wird die Kalibrierung ein wenig Linderung verschaffen – vorausgesetzt dass das Display noch im sRGB/Rec. 709 Gamut liegt.
SpyderX ist seinem Vorgänger um Längen überlegen, aber nicht für den farbverbindlichen High-End-Bereich geeignet. Wer bessere Farben als die von Hand eingestellten Sachen am Rädchen hinten am Screen will, ist gut bedient, und auch wer die schlimmsten hinterlegten Farbprofile diverser Softwarepakete ersetzen will. Wer regelmäßig farbtreu arbeitet, wird um die Anschaffung eines entsprechenden Monitors nicht herumkommen. Auch ein SpyderX kann nur mit den Farben arbeiten, die der Monitor konsistent ausgibt, und bei ca 2.000 Euro ist auch die Investition einer professionellen Farbkalibrierung (die üblicherweise im niederen dreistelligen Bereich liegt) kein Dealbreaker.