Challenge Yourself: Eine Projektanalyse

Nach etlichen Jahren der Filmschneiderei und der stetigen Auseinandersetzungen mit Filmdramaturgie und Bildsprache, was man braucht, was nicht, noch intensiver, doch anders, viel klarer, fasste ich den Entschluss, dieses Wissen nun in meine erste Regiearbeit zu investieren.

Der Fantasie ihren Lauf zu lassen, war mein Anspruch – eine mutige, aber nicht die vernünftigste Entscheidung, da es sich hier um einen Konzeptspot im Rahmen einer Specfilm-Produktion handelte. Wir waren von Anfang an mit nicht übermäßigem Budget gesegnet. Daher ist also jeder Nachwuchs- oder Low-Budget-Produktion zu empfehlen, auch kreative Kompromisse für ein gutes Ergebnis einzugehen. Die Story beinhaltete eben ein fantasiegeladenes Workout einer Fitness-Sportlerin auf einem verlassenen Flugplatz mit selbst agierenden Traktorreifen und einer fallenden Mega-Hantel, um damit dem Claim des Spots „Challenge Yourself“ eine ganz eigene Bedeutung zu geben. Da dies viele aufwendige visuelle Effekte erforderte, wurde klar, dies besser auch zu einem großen Teil als In-Camera Effects zu lösen und sich auf ein paar wenige visuelle Effekte zu konzentrieren, da es hinterher in der Post sonst nur zu einer Neverending Story werden würde. Nach ausreichender Vorbereitung ging es dann an den Dreh.

Bei diesem Projekt kam ich als Editor mit vielen anderen Departments in Berührung, mit denen ich üblicherweise nicht direkt zusammenarbeite. Dabei kam ein sowohl lehrreicher als auch interessanter Austausch zustande. So konnte ich meine Schnitterfahrung mit ans Set nehmen und wichtiges Feedback an den Mann bringen: Welche Längen, Timing und Reaktionen für den Schnitt unbedingt gebraucht werden, um diesen fließend und spannend zu gestalten. Aber auch für mich war es lehrreich zu erfahren, was dabei leichter und was eher schwer umsetzbar ist im Rahmen der vorhandenen Drehzeit sowie gerade dem Arbeiten mit Sonnenlicht bei Außendrehs. Und so fanden wir gemeinsam einen Weg, das Beste für das Projekt herauszuholen.

Endlich mal richtig hinbekommen: Die Dreharbeiten

Ich konnte für die Location des Spots den schönen Flugplatz bei Schleißheim nutzen. Dieser besitzt einen sogenannten Sonderlandeplatz mit einem davor befindlichen spektakulären Hangar. An diesem Platz verbrachte das Drehteam zwei fordernde Drehtage im August 2017. Wir hatten einen engen Drehplan, um die szenische Auflösung durchgeboxt zu bekommen.

Gedreht wurde mit einer sehr schönen Kombination: Arri Alexa Mini mit Vantage-Hawk-V-Lite-Optiken bei viel vorhandenem Licht. Um dies zu optimieren, war eine Licht-Crew unter Anweisung des erfahrenen Oberbeleuchters Kai Giegerich in Zusammenarbeit mit unserem DoP Holger Jungnickel am Start. Mit den VFX-Shots gingen wir sehr gewissenhaft um und versuchten im bestmöglichsten Sinne mit einer Menge Imagination im Hinterkopf gute Plates dafür abzuliefern. Auch wurde dafür viel zusätzliches Footage angesammelt. Ganz nach dem Motto: Lieber zu viel als zu wenig, denn was man hat, hat man! Einige Sonnenbrände später hieß es mit freudiger Erleichterung: Drehschluss.

Pro-Tipp: Wer eine sehr hohe Stirn hat, sollte Hut oder Sonnenschutz beim Außendreh nicht vergessen.

We’ll fix it in Post

Nachdem der Dreh erfolgreich abgeschlossen wurde, blieben nur ein paar Festplatten mit 5 Stunden Footage für einen knappen 1-Minüter davon übrig – damit ging es erst mal ans Datenmanagement. Es gab zwar genügend Backups, aber zusätzlich kamen die Drehdaten auch noch mal auf einen NAS-Server, der in Raid-6 betrieben wurde. Zusätzlich ist es empfehlenswert, die Backup-Festplatten einerseits in Reichweite in den Schrank, aber auch an einem zweiten Ort des Vertrauens aufzubewahren – Murphys Law überrumpeln, weil jedes Gerät ausfallen kann. So war vorerst für ausreichend Sicherheit gesorgt.

Der Schnitt fand in Avid Media Composer statt. Dabei wurden mehrere Avid-Projekte erstellt: drei Projekte für das jeweilige Footage, getrennt nach den verschiedenen Auflösungen und einem Hauptprojekt für den Schnitt. Hinzu kam noch ein weiteres Projekt für das finale Mastering.

Weil mir das Hauptschnittprojekt etwas zu träge / langsam wurde, habe ich ein frisches Projekt für das Finishing aufgesetzt, worin ich alle finalen Imports gehandhabt habe. Ganz einfach um die Projekte nicht zu sehr zu überladen und damit beweglich zu bleiben. Geschnitten wurde an einem Schnittplatz, der mit einem Thunderbolt-Raid ausgestattet war, um auch mit ultrahochauflösendem Footage effektiv arbeiten zu können. Dort wurde aber auch trotz einer entsprechenden Verlinkung des Footage mit transkodierten UHD Avid Media­ Files gearbeitet und am Ende durch die Funktion Relink wieder zu Online gelotst. Als sehr hilfreich erwies sich ein generierter Look-up Table, der auf alle Bilder angewendet werden konnte. Einfach, bequem und praktisch, um nicht farblos schneiden zu müssen oder im Schnitt aufwendige Color Corrections anwenden zu müssen. So konnte man sich ganz auf das Schneiden konzentrieren. Damit war die Pipeline für die Postproduktion geschaffen, und das Editing konnte beginnen.

Erst mal schneiden

Ich möchte hier erst mal jedem den Zahn ziehen, der denkt, was genau nach Drehbuch gedreht wäre, lässt sich schlichtweg einfach runter schneiden. Dem ist nicht so, denn auf Schnitt ist erst mal gar nichts gedreht! Man hat nun, gerade weil sich da Menschen sehr viel Mühe gemacht und auch nach einem klaren Konzept gut gearbeitet haben, eine sehr gute Chance, einen guten Film daraus zu machen. Eine Menge gutes Material wartete also auf mich und erschlug einen erst mal in seiner Wucht. So entschied ich mich, den Film, trotz guter Klappennummerierungen, grob in vier Parts zu unterteilen: Hangar, Reifen-Kontaktaufnahme, Reifen-Action, Achse. Denn je einfacher der Workflow ist, umso effektiver ist er.

Ich verzichtete auf ein klassisches Sichten mit Timecodes. Dementsprechend kompilierte ich mir jeweils die Einstellungen der Parts mit den dazugehörigen Takes in Sequenzen zurecht. Falls mir einzelne Takes unter die Finger kamen, die ich besonders interessant fand, aber noch nicht einordnen konnte, legte ich diese mit entsprechender Benennung einfach zur Seite. Dabei bezog ich bei meiner Kompilierung immer großzügig Fleisch vorne und hinten an den Clips mit ein. So schuf dies gut organisierte Zuspieler für den Schnitt. Trotzdem wurde sicherheitshalber auch noch mal das komplette Material in separaten, dementsprechend benannten Sequenzen abgelegt, denn nichts kann ermüdender sein, als sich doch wieder durch eine Menge Clips zu klicken. Nun hatte ich mir bereits eine gute Übersicht über das Material verschafft sowie eine relativ effektive Selektion getroffen, was mir die gestalterische Hauptarbeit sehr erleichterte.

Roughcut

Jetzt war die Zielsetzung, einen ersten Rough­cut zu bekommen, um zu sehen, ob alle Erlebniselemente zum Tragen kommen, ob der Film überhaupt emotional funktioniert. Die erste Version war tatsächlich noch zu lang, aber sie lief schon sehr gut durch. Ich führte bereits hier diesen Roughcut vor ausgewählten Personen vor, um so eine aufschlussreiche Außenwahrnehmung zu erhalten. Zusammen mit diesem Feedback hieß es wieder zurück an den Schnitt. Dabei wurde die Idee geboren, eine Film- wie auch eine Spotfassung zu machen. Ein längerer Film, der sich mehr Zeit lässt und eine intensivere Erlebnisebene erreicht, und ein kürzerer Spot, der eine dynamischere, werblichere Wirkung erzielt. Nach weiterem Austausch wurde so immer feiner geschnitten.

Es fasziniert doch immer wieder aufs Neue, was man aus dem Schnitt alles für seinen Film herausholen kann, wenn man längst keine Optimierungen mehr zu erkennen glaubt und doch nach weiteren Abständen diese Dinge begreift, neu interpretiert und umsetzt. Ein großartiges kreatives Erlebnis, das durchlebt zu haben. Im Schnitt geht es eben auch darum, sich immer wieder aufs Neue aufs Äußerste anzutreiben so wie unsere Fitness-Heldin im Film.

3D: Denken!

Dieser Herausforderung hat sich der 3D-Artist Patrick Wagner gestellt. Patrick übernahm sowohl die Gestaltung und Umsetzung der Mega-Achse als auch deren Animation und die Erstellung des Typoshots „Challenge Yourself“ im Spot. Dies waren sicherlich die größten Baustellen des Projekts. Im Schnitt wurde bereits ein genaues Timing festgelegt und bestimmt, mit welchem Rohmaterial gearbeitet wird sowie was damit als Plates dem 3D-Unwesen diente.

Allerdings stellte sich in der Zusammenarbeit mit Patrick schnell heraus, dass wir doch noch ein paar kleine Umstellungen im Schnitt vornehmen mussten. So entschied ich mich tatsächlich sogar dafür, nun zwei Full CGI-Shots (Landung des Objekts, Ausrollen des Objekts) zu machen und es bei nur zwei Plates (Objekt wirbelt in der Luft auf die Protagonistin zu, die Protagonistin platziert Objekt auf ihrer Schulter) zu belassen, um mehr Freiheit bei der Gestaltung zu haben und auch dichter am Gerät zu sein und spannendere Kamerawinkel zu bekommen. Winkel, die uns beim Dreh einfach nicht möglich waren. Danach konzentrierte ich mich mit Patrick auf den Look des Achsen-Hantelhybrides, und wir tauschten uns über ein mögliches Aussehen des Gerätes aus. Das Erscheinungsbild einer gewöhnlichen Langhantel kam da eher nicht in Betracht, da es zu unspektakulär wäre und der Szenerie im Film nicht gerecht werden würde. So half mir dabei vor allem die Studie technischer Zeichnungen zu diversen Fahrzeugachsen als auch Fotografien von Zugachsen. Letzteres motivierte mich zu einer Konzeptzeichnung. Mit dieser und einer Menge Feedback ließ Patrick nicht lange auf sich warten. Als 3D-Generalist bot Patrick zugleich auch eine vollständige Animation sämtlicher Shots an. Ein erstes schönes Ergebnis, das einem bereits einen guten Eindruck vermittelte.

Am Referenzschirm aufmerksam begutachtet, verfeinerten wir das Ergebnis zusehends:

  • Details in der Bewegung: Wir ließen das Objekt im ersten 3D-Shot ins Bild fallen.
  • Details an der Textur: Mit viel Muße bekam die Achse einige Rostspuren und Patina verpasst.
  • Details im Licht: Anhand der Informationen vom Drehbericht, wo sich der Sonnenstand befand, positionierten wir das Licht, vor allem bei den Full-CGI-Shots, entsprechend der umliegend befindlichen Einstellungen im Schnitt.

Die Versionshistorie kam simpel und einfach zu handhaben per E-Mail mit Download-Link. Besonders hervorzuheben ist auch die letzte Einstellung im Film und damit auch der fünfte und letzte 3D-Shot (die Protagonistin platziert das Objekt auf ihrer Schulter), der bereits eine vollständige Stange beim Dreh beinhaltete. Diese wurde dann 1:1 durch eine animierte Maske und dann durch dir neue 3D-Stange samt ihrer Charakteristik ersetzt.

Ein ganz besonderes Schmankerl stellte der Claim-Shot „Challenge Yourself“ dar. Es handelte sich dabei um den Shot, der das Statement vermittelt. Auch hierfür wurde ursprünglich eine Plate gedreht: eine Flugaufnahme, die sich vom Boden nach oben bewegt. Es zeigte sich schnell, dass diese sich als zu unflexibel für uns erwies. Daher kam die Entscheidung, wiederum mit diversen Hintergründen (Betonböden, Himmel etc.) einen weiteren Full-CGI-Shot zu gestalten. Das Resultat entsprach einer dynamischen Animation über den Betonplatz hinweg, an entstandenen Rissen im Boden vorbei bis hoch in die Luft, um dann in der Supertotalen auf der auf den Boden aufgetragenen Typografie „Challenge Yourself“ innezuhalten. Ein insgesamt echt dreidimensionaler Denkweg, der dieser großen Baustelle ein Ende bereitete.

Wie sich in der Post herausstellte, hätte man sich die mit einem Copter gedrehte Plate für unseren Typoshot getrost sparen können. Oft ist da ein Full-CG-Shot für mehr Flexibilität und gestalterischer Freiheit die bessere Variante. Wir griffen dann tatsächlich nur auf Standbilder vom Betonboden zurück, bearbeiteten alles digital und benutzen daher keinen einzigen Take der Copter-Einstellung. Das hätte uns mehr Drehzeit für andere wichtige Einstellungen ermöglicht.

Ein bisserl Magic

Doch was wäre die Mühe im 3D wert, wenn es da nicht das Compositing gäbe. Die Shots sähen nur halb so gut aus. Das Compositing bringt eben die Magie ins Spiel. Hierfür konnte ich das VFX-Studio BigHugFX gewinnen, die sich speziell der Comp annahmen. Man würde meinen, dass es sich doch nur um ein paar wenige Shots mit geringem Arbeitsaufwand handelte, dennoch erstaunt, was es doch für ein umfangreiches Unterfangen ist.

Allein schon dem Thema zu begegnen, geht weit über „machen wir es doch ein wenig echter“ hinaus. So verfasste ich vorab fast zwei Seiten, um klar zu beschreiben, was dem CG-Shots noch fehlt, um realistischer zu wirken. Es sind oft Charakteristiken wie Licht oder Schatten, die noch nicht ideal sind, aber auch Texturen und Hintergründe können dafür sorgen, dass die Shots zu künstlich, also noch zu generiert wirken. Dieses Feedback ist also für die Artists sehr hilfreich und erspart viel Mühe und Zeit. Hier gilt: je genauer und detaillierter, umso besser. Die Kommunikation lief sehr einfach und effektiv via Sammelmail über die hausinterne VFX-Koordination ab. So wussten alle wichtigen Beteiligten immer über den aktuellen Stand Bescheid.

Was also noch zusätzlich benötigt wurde, konnte so zeitnah nachgeliefert werden, wie z.B. Stills zu Böden und Backgrounds oder schlichtweg weitere Informationen wie z.B. Kamera-Brennweiten und -Blenden. Die Versions-Uploads beinhalteten immer die gesamte Schlusssequenz nebst den dazugehörigen VFX-Shots. Sie kamen per E-Mail als MP4-Dateien in akzeptabler Qualität und konnten sogar auch bequem unterwegs am Mobiltelefon gecheckt werden. Wobei es sich empfahl, diese wieder in den Schnitt zu laden und mit dem aktuellen Soundtrack genauestens zu überprüfen. Auf diesem Wege erarbeiteten wir uns nach nur wenigen Versionen ein schönes Ergebnis.

Geliefert wurden die Renderings in Passes und zurück kamen sie als DPX- und TIFF-Einzelbildsequenzen wie auch im Filmformat MOV. Hinzu kamen noch Masken im Einzelbildformat, um im Grading noch bessere Möglichkeiten für ein sekundäres Farbkorrigieren zu haben. Damit fiel auch ein ganz großer Stein vom Herzen, da man mit der Langzeitbaustelle Visual Effects nun abschließen konnte. Es hat sich auch gezeigt, dass vage Ideen erst mal nur zu blanken Plates führen und solange auch nur Fragezeichen hinterlassen können. Dafür sind im Vorfeld viel Planung und eine klare Vision zentral erforderlich. Alles in allem auch eine sehr schöne Zusammenarbeit mit der Crew der BigHugFX.

Ab in den Farbtopf

Nachdem der lange Prozess der visuellen Effekte endlich erfolgreich abgeschlossen werden konnten, ging es über zum letzten und auch finalen Schritt am Bild, dem Color Grading. Dies übernahm der momentan in Mumbai (Indien) ansässige Colorist Andreas Brückl an Baselight. Aufgrund der weiten Entfernung, da ja die Postproduktion in Deutschland stattfand, bekam er anstatt einer Festplatte mit dem benötigten Footage einen AAF-Upload.

Kommunikation fand der Einfachheit halber via Remote Grading mit Baselight for Avid statt. Es handelt sich hier um ein sogenanntes Non-live-Remote, in dem man das Baselight-Projekt lediglich durch via Upload geschickte BLG-Files updaten muss, um Arbeitsfortschritte vom Gegenüber zu bekommen. Ein äußerst erleichternder Workflow, da wir uns so auch über die weite Entfernung (Deutschland – Indien) effektiv und zeitnah austauschen konnten. Man vermeidet damit auf weiten Produktionswegen freilich viele lange Render- und Upload-/Downloadzeiten, um erst hinterher festzustellen, dass man noch auf dem Holzweg ist – was sich gerade im Color Grading als sehr mühsam bewahrheiten kann.

Baselight for Avid funktioniert mit den NLE- und Finishing-Systemen Media Composer und Symphony. Innerhalb des Plug-ins stehen umfangreiche Tools für die Farbkorrektur und Look-Gestaltung zur Verfügung. Neben den eigentlichen Farbkorrektur-Werkzeugen sind auch einige Effekte und Filter mit an Bord. Man zieht einfach in Media Composer das Effekt-Icon von Baselight aus der Effect-Palette in die Timeline auf die gewünschten Clips und öffnet die Applikation via Effect Editor. Wir entschieden uns aber der Einfachheit halber, den Coloristen am großen Baselight arbeiten zu lassen, während Baselight for Avid in Media Composer lediglich zur Ansicht von Arbeitsfortschritten und zum Rendern benutzt wurde.

Man öffnet einfach die BLG-Files über die Applikation Baselight for Avid und aktualisiert so seine Avid-Timeline, schon ist man auf dem neuesten Stand des Gradings aus dem großen Baselight. Nun ist man startklar, um seine Sequenz in Media Composer zu exportieren. Dies kann ohne vorheriges Rendern der Baselight-Effekte etwas länger dauern als üblich, ist aber auch sehr abhängig von Auflösung und Codec der Exportformate.

Ein Abstrich war eindeutig die Kommunikation aus der Ferne, da man sich ja nicht direkt vor Ort mit dem Grader befand. Das erschwerte und entschleunigte den Workflow insgesamt. Dies war aber für uns aufgrund der weiten Entfernung die einzig akzeptable Lösung. Erwähnenswert ist auch, dass dabei alles Technische wie z.B. Farbräume im Vorfeld gecheckt werden musste, damit beide Seiten dasselbe sehen. So lief aber hier mit dem Non-live-Remote-Grading alles glatt. Andreas schickte am Ende die finalen Baselight Gradings, und gerendert wurde am heimischen Schnitt bei mir. Der optimalste Weg ist nach meinen Erfahrungen dennoch, sofern es möglich ist, wenn man immer noch wirklich live im Grading in den Genuss kommt, mit dem Coloristen zusammen vor Ort zu arbeiten. Idealerweise auch Director mit DoP, denn zu dritt sieht man einfach mehr und kann sich besser austauschen. Der zwischenmenschliche Austausch bei einem so komplexen Thema wie Farben ist eben nicht zu unterschätzen. Die Wahrnehmung von Farbe fällt bei uns Menschen auch überraschend unterschiedlich aus.

Beim Look selbst entschieden wir uns für ein eher schlichtes Aussehen, um dem doch eher fantastischen Geschehen eine gewisse Authentizität anzueignen. Wir bewegten uns bei den Farben generell eher im kühlen Bereich. Erhöhte Kontraste, abgeänderte Sättigung und Helligkeitswerte, damit die Szenerie nicht zu lieblich daherkommt. Darüber hinaus konnten wir auch im Grading teilweise einige Hautretuschen gut anwenden (Sonnenbrand der Schauspielerin). Alles in allem ein dezenter Look, der uns gerade aber mit seiner Schlichtheit sehr überzeugen konnte.

Tonlos ist nur halb so gut

Die Tonatmosphäre am Set war ein einziges Rauschen. Man hätte an diesem Flugplatz einfach nichts herausbekommen. Daher entschieden wir uns, völlig ohne Ton zu drehen: ein sogenannter MOS-Dreh (gängigste Deutung: Motion Only Shot). Selbst auf Nur-Töne verzichteten wir. So wurde alles Tonliche erst in der Ton-Postproduktion über Sound Designs und Filmmusik gelöst. Doch wie nähert man sich so einem Vorhaben an?

Allein schon völlig ohne Ton zu schneiden, gleicht dem Gefühl, im Stockdunkeln ein Puzzle zu spielen. Darum entschied ich mich bereits im Schnitt einen vollständigen Soundtrack bestehend aus Library-Sounds und Temp-Musik zum Schnitt immer mitzugestalten. Ein sehr mühsames Unterfangen, das aber der Findung des finalen Schnitts sehr zugute kam. Aber auch während der weiteren Bildbearbeitung war das für alle Beteiligten sehr hilfreich, da man sich den Film in seinen jeweiligen Schnittfassungen und den vielen Baustellen mit diesem Soundtrack viel besser vorstellen konnte.

Nichtsdestotrotz gab ich mich damit nicht zufrieden. Denn wie geplant wurde der Temp-Track verworfen und der Tonmeister Alexander Rubin übernahm sowohl das finale Sound Design als auch die Tonmischung. Für die Filmmusik zeichnete der Komponist Julian M. Michel verantwortlich. Dieser Entschluss wertete das Produkt nochmals enorm auf. Allein schon die Arbeit mit einem Komponisten, der individuell auf die Bedürfnisse des Projektes eingeht, ist Gold wert. Wir tauschten uns prinzipiell über die Stimmung und die Atmosphäre des Films durch Beschreibungen, aber auch Musikbeispiele aus. Dies ist elementar wichtig, um beim Briefing bereits zu erkennen, wie Regie und Komponist musikalisch zum Thema stehen und ob man sich auf derselben Wellenlänge befindet. Erkenntnisse, die jedem Jungregisseur sehr ans Herz zu legen sind, insbesondere wenn Musik im Ton sehr federführend ist. Dafür benötigt es nun mal DEN geeigneten Komponisten für ein sehr schönes Ergebnis. Inhaltlich kombinierten wir klassische Musikelemente mit elektronischen Sounds, um dem filmischen Ereignis die nötige Dramatik zu verleihen, aber auch um der Coolness unserer Fitness-Heldin gerecht zu werden. Vom Workflow her gingen wir sehr simpel vor, indem ich das jeweilige Update der Musik via Server als MP3 in meinen Schnitt legen konnte. Das erste Layout nahm schon eine sehr gute Richtung ein, was eben unserer guten Kommunikation zu verdanken war und Ergebnis eines effektiven Briefings ist. Wir hangelten uns von Version zu Version.

Im Laufe der Musikarbeit entstand zeitgleich das Sound Design, damit man bereits da schon feststellen konnte, wo man sich noch beißt, wo es von was noch mehr benötigt, was an welcher Stelle dominieren sollte. Hilfreich war dafür eine vorläufige Layout-Mischung, die uns Alexander Rubin in der Sound-Design-Phase bereits erstellt hatte. Eine kinotaugliche Endmischung in 5.1 sowie ein Stereo-Downmix rundeten dann das Ergebnis großartig ab. Erstellt wurde unser Mix in Pro Tools. Insgesamt ein kreativer Austausch, den ich nicht missen möchte.

Um in der Postproduktion gerade bei Visual Effects nicht zu lange vor zu viel Fragezeichen zu stehen, empfiehlt es sich, bereits vor dem Dreh diese sehr gut einzuplanen. Storyboards sind da sicherlich sehr zu empfehlen, aber auch ein umfangreiches Location Scouting lohnt. Hier sollte man sich besonders viel Zeit nehmen und dabei auch aussagekräftige Standbilder machen. Wenn das Budget da ist, dann sind Previs das i-Tüpfelchen. Nur so hat man die optimalen Voraussetzungen geschaffen, um atemberaubende Visual Effects zu produzieren. Ein weiterer Punkt wäre das frühzeitige Verwenden von Layoutmusik bereits in der Rohschnittphase direkt vom Komponisten. Somit verzettelt man sich erst gar nicht mit Temp-Musik und verwendet von Anfang an die Musik des Komponisten. Dieser hat damit nicht allzu viel Arbeit investiert, und man hat schon mal ausreichend Material, mit dem man im Schnitt in die richtige Richtung arbeiten kann. Währenddessen und gerade nach dem Picture Lock kann dann die eigentliche Arbeit an der Filmmusik weiterlaufen.

Finished

Der Kreis schließt sich. Alle Gestaltungselemente sind nun beisammen und formen jetzt ein neues Ganzes. Ein erleichterndes Gefühl, wenn man bedenkt, dass man sehr lange an einzelnen Parts arbeiten musste. So kann man schnell den Überblick über das Gesamtprodukt verlieren. Aber die Geduld hat sich für uns ausgezahlt. Das Ergebnis spricht für sich. Alle Bausteine fügten sich sowohl im Ton als auch im Bild sehr gut zusammen. Zum Ende hin führte ich noch einige finale Screenings vor einem ausgewählten Testpublikum durch (an Fachpublikum wie auch Zielpublikum). Daraus resultierten nur noch leichte kosmetische Änderungen, und es machte Mut, das Projekt nun endgültig abzuschließen. Zusammengefahren wurden die einzelnen Parts dann letztendlich wieder in Avid Media Composer. Also angelegt in Sequenzen mit Link-Clips in Avid als jeweils eine MOV-Datei für das Bild-Master und die einzelnen WAV-Dateien für das Ton-Master. Daraus konnten dann alle gewünschten Exports erstellt werden. Es kam auch noch zu einem DCP-Mastering vom Film.

Eingesetzt wurde dafür die Software DCP-o-matic. Dabei entstand auch ein weiterer wichtiger Erfahrungswert: sich unbedingt vor der Erstellung eines DCPs genaueste Informationen zu den Lieferdateien vom Lichtspielhaus selbst einholen und mit diesem DCP-Master auf einer geeigneten Festplatte dann auch noch mal im Kino vorab den gesamten Film auf Herz und Nieren prüfen. Somit waren alle unangenehmen Überraschungen beseitigt, und unserer Team-Premiere im Cinemaxx am Isartor in München stand nichts mehr im Weg.

Und jetzt?

Die Zielsetzung war für mich anfangs nur, ein schönes eigenes Projekt zu einem Thema zu machen, das mich persönlich reizt, einen coolen Sportclip vollgepackt mit interessanten Ideen zu produzieren. Was Hausgemachtes eben! Aber aus diesem Sportclip wurde im Laufe der Zeit ein Großprojekt mit einem hohen Produktionswert. Dieser Produktionswert kam ganz allein durch ein ausgezeichnetes und talentiertes Team zustande. Eine spannende Entwicklung, wie man selbst langsam miterleben konnte, wie aus einer anfänglichen Idee ein beeindruckendes Filmprojekt wurde. Des Weiteren war es purer Luxus, diesmal keine Deadline im Nacken zu haben, mit einer Chance auf ausreichend Produktionszeit inbegriffen. Eine Tatsache, von der alle zehren konnten. Das Ergebnis machte so viel Spaß, dass es geradezu nach einer Fortsetzung unserer Arbeit schrie. Ein weiterer Sportfilm ist bereits in Planung, der mehr Story und noch mehr Erlebnisebenen auf ganz besondere Weise bieten wird: Der Elements Walker. Wer sich über diese junge Arbeit informieren will, kann sich hier gerne einen Einblick verschaffen. Es bleibt spannend!

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