Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 02 : 2015.
Welcher 3D-Artist träumt nicht auch davon, eine Materialprobe in einen Zauberwürfel zu legen, der auf Knopfdruck ein halbes Dutzend hochwertiger Texturen ausspuckt, die sich in jedem gängigen 3D-Programm verwenden lassen? Das Scan-System der Firma Vizoo kommt diesem Traum schon recht nahe. Wir haben die Erfinder in Erlangen besucht und das neuartige Produkt mit der dazugehörigen Software namens xTex getestet.
Reinhard Meier und Martin Semsch lernten sich vor einigen Jahren bei Adidas kennen und waren schon hier ein eingespieltes Team im Bereich Visualisierung.
Im Oktober 2013 gründeten die beiden Experten die Vizoo GmbH in Erlangen mit dem Ziel, den Texturierungs-Workflow zu vereinfachen und zu verbessern. Was in Nachtarbeit mit Lötkolben, Säge und Laptop auf dem Küchentisch begann, wird seitdem in einem professionellen Umfeld weitergeführt. Für die beiden Pioniere war es besonders wichtig, das Scan-Verfahren so einfach wie möglich zu gestalten. Deshalb sollte die xTex Software so beschaffen sein, dass jeder Anwender, intuitiv, in kurzer Zeit sehr gute Ergebnisse erhält. Die Entwicklung der Hardund Software bis hin zur CE-Kennzeichnung dauerte gut ein Jahr. Reinhard Meier gestaltete die physischen Bauteile und Martin Semsch entwickelte die Software und die Anbindung zu den 3D-Anwendungen und Photoshop.


Solide Hardware
Ganz nach dem Motto „Form follows Function“ ist der xTex-Scanner schlicht und funktional in seiner Anmutung. Eine Schublade bietet Platz für ein Material-Sample, das in etwa A4-Größe haben kann. Um Faltenbildung zu vermeiden, lassen sich Textilien auch mit Magneten fixieren. Auf der Oberseite der Box ist eine Spiegelreflexkamera mit Zoomobjektiv angebracht, die Bestandteil des Hardware-Bundles ist. Die Probe wird von unten hinterleuchtet, um auch die Transparenz des Materials als separates Map aufzuzeichnen.
Den xTex-Scanner gibt es bislang in zwei Versionen, die sich in erster Linie durch die verwendeten Kameras unterscheiden. So gibt es ein Modell mit der Nikon D800, welches satte 36 Megapixel und USB 3.0 bietet. Die zweite Version schließt eine Nikon D5200 ein, die mit ihren 24 Megapixeln auch eine passable Auflösung aufweist. Durch die enthaltenen Zoomobjektive lassen sich selbst feinste Strukturen festhalten. Bei dickeren Materialproben muss die Kamera neu fokussiert werden. Dafür benötigt man nur wenige Sekunden. Das Objektiv wird hierfür zwischenzeitig auf Autofokus gestellt und bei eingeschaltetem Licht auf die neue Materialprobe fokussiert. Dann wechselt man zurück auf manuell und es kann fleißig gescannt werden.

Die Materialien für den Test
Auf der Suche nach passenden Materialien für den Scan-Test kontaktierten wir die Münchner Designagentur designaffairs. In der Materialbibliothek finden Besucher Material-, Oberflächen-, Farb- und Technologiemuster, die regelmäßig um neueste und außergewöhnliche Materialien und Fertigungstechnologien erweitert werden. Zwei zukunftsweisende Felder sind hierbei den Themen Nachhaltigkeit & Smart Materials gewidmet.
Das Studio in München war so freundlich, uns eine Sammlung an Materialproben zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich erhielten wir von der Gö Ledermanufaktur interessante Ledermuster. Mit einem Karton voller Materialien kann das Scannen beginnen.


Benutzerfreundliche Software
Die Software ist einfach zu bedienen. Alle Funktionen sind anhand der Arbeitsschritte übersichtlich vertikal angeordnet. Man beginnt oben mit der Preview und führt danach das Capturing durch. Hier hat man die Möglichkeit, das Capturing auf einen Bereich zu begrenzen, damit das Berechnen der Maps schneller abläuft. Nach ein bis zwei Minuten stehen die Texturen zur Weiterverarbeitung bereit. Im Tiling Editor werden dann aus den Texturen kachelbare Maps erstellt. Hier bestimmt man als Erstes manuell einen Auswahlrahmen, um Verzerrungen auszugleichen. Danach bietet der Texture-Tiling-Slider die Möglichkeit, automatisch die Nähte der Kachelung zu eliminieren.
Mit der Option „Contrast Balancing“ lassen sich einfarbige Texturen noch besser kacheln. Sollte das Normal-Map noch Knitter aufweisen, kann mit dem Smoothing-Slider nachgeregelt werden. Für das manuelle Finetuning der Texturen in Photoshop bietet die xTex-Software auch eine intelligente Schnittstelle an. Mit dem Button „edit all“ öffnet Photoshop alle Maps als Kanäle in einem File. Dadurch werden Änderungen mit dem Clone-Brush auf alle Maps übertragen. Die PhotoshopDatei wird dann gespeichert und kann bei Bedarf mit xTex weiter bearbeitet werden. Die meisten getesteten Oberflächen lassen sich mit dem Scanner sehr gut erfassen, aber es gibt auch Härtefälle. Bei stark spiegelnden Materialien und winkelabhängigen Farbeffekten stößt der Scanner an sein Limit. Doch bei den Textilien, Lederstrukturen und rauen Kunststoffen ist die Qualität überzeugend. Die Daten bestehen aus Color-, Normal-, Specular-, Bump und Displacementmaps und werden als JPEGs oder 16-bit-TIFs gespeichert.
Anbindungen zu anderen 3D-Anwendungen
xTex verzichtet auf einen integrierten 3DViewer, um eine Vorschau der Materialien auf geometrischen Objekten sichtbar zu machen. Dafür werden gängige 3D-Applikationen wie zum Beispiel Blender, Maya, VRED Design, VRED Pro und 3ds Max mit V-Ray-Materialien unterstützt. Aktuell arbeiten die Entwickler auch an einer Anbindung zu Modo. Per Knopfdruck werden die Texturen über ein Web-Interface in der 3D-Anwendung sichtbar. VRED Design zeigt sich hierbei als eine besonders gelungene Anwendung, um die Materialien in Echtzeit anzusehen und zu verfeinern.
Vertrieb und Dienstleistung
Die xTex- Software gibt es bislang nur in Verbindung mit dem Scanner. Die Lieferzeit des xTex-Scanners beträgt gute 4 Wochen, aber das Scannen von Materialien wird auch als Service ab 19 Euro pro Material angeboten. Das System kann auch für eine Mindestdauer von 3 Monaten gemietet werden. Bisher kamen Vizoo-Kunden aus den Bereichen Automobildesign, Luxusgüter, Mode und Sportswear, aber auch die Spieleindustrie ist bereits aufmerksam geworden.
Fazit
Schnell, einfach und hochauflösend – drei Worte, mit denen sich die Arbeit mit dem Material-Scanner beschreiben lässt. Mit dem xTex-System erhält der Anwender ein hochwertiges Produkt mit einfach zu bedienender Technik. Durch die Optionen für das Mieten und den Scan-Service ist die Technologie nicht nur größeren Studios vorbehalten. Insbesondere die Möglichkeit zur automatischen Kachelung ist ein geniales Feature der Software, welches die Zeit zur Texturbearbeitung enorm verkürzt und das Produkt von anderen Scan-Lösungen abhebt.