Kyno als Schnittassistenz für Resolve

Rückblick: In der DP 04 : 2020 schaute sich unser Autor Uli Plank die Management-App Kyno an – und deren Unterstützung für Blackmagic Design.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der DP 04 : 2020.

Über das Programm der Firma Lesspain haben wir erstmals 2016 berichtet, als es noch ganz jung war. Damals vermissten wir insbesondere die Unterstützung von RAW-Dateien und die Übergabe von Metadaten an DaVinci Resolve. Beides hat sich geändert, doch auch sonst ist viel dazugekommen. Aktuell hat uns vor allem die Unterstützung der Produkte von Blackmagic Design interessiert, aber Kyno kooperiert selbstverständlich auch mit anderen Profi-Schnittprogrammen.

Die Unterstützung von Rohdaten aus den Kameras von RED wird schon seit einiger Zeit geboten. In der Version 1.8 (die wir noch als Beta testeten) kommt nun auch BRAW aus den Kameras von Blackmagic Design hinzu. Nur DNG-Sequenzen aus den früheren Modellen von Blackmagic werden leider nicht als Filme erkannt. In der professionellen Videoproduktion braucht man zudem häufig die Unterstützung älterer Codecs, die auf dem 32 Bit Quicktime Framework beruhen. Die werden aber von Apple ab Catalina (Mac OS 10.15) nicht mehr unterstützt. Hier füllt Kyno die Lücke mit einem Final-Cut-Legacy-MediaFilter und unterstützt die Wandlung in aktuelle Formate (selbstverständlich nicht nur für Final Cut Pro) und schon seit Version 1.7 die Hardwarebeschleunigung bei der Wiedergabe von H.265 auf geeigneten Computern.

Eine Funktion bei der Ausgabe seit Version 1.7 dürfte bei Nutzern von Resolve auf viel Interesse stoßen: ProRes auf Windows. Dies erfolgt nicht etwa auf Basis von Software aus der Grauzone, sondern von Apple zertifiziert, sodass kein Kunde meckern kann. Obwohl bei anderen schon länger verfügbar, bietet Resolve auf Windows immer noch keine Ausgabe dieses wichtigen Profi-Codecs.

Den Codec gibt es schon in der preisgünstigeren Standardversion. Für Profis wird in der Premiumversion bei allen geeigneten Codecs neben MOV nun auch der MXF-Container unterstützt, und das nicht nur bei Neucodierung, sondern auch als sehr schnelles Umverpacken (Re-Wrap). Die optionalen Filter wurden für Premium erweitert, u.a. kann man den temporalen Rauschfilter getrennt für Luma und Chroma einstellen.

Nicht nur die langen Listen an DNxHD- und DNxHR-Codecs werden angeboten (Premium), auch XDCAM und Cineform (schon in Standard). Letzterer ist ja schon fast ein Geheimtipp, denn dieser wenig beachtete Codec bietet sich wegen seiner guten Qualität und geringen Rechnerlast als Zwischenformat für den Schnitt von H.264/265 auf etwas schwächerer Hardware an. In verringerter Auflösung eignet er sich auch gut als kompakter Proxy-Codec. In 720p bei 422 und 10 Bit benötigt er nur rund ein Dreißigstel an Platz gegenüber einer Datei in BRAW aus der Blackmagic Pocket 6K bei 3:1 und liegt damit in der Größenordnung von ProRes LT. Unter Mac OS läuft ProRes etwas besser, aber unter Windows hat Cineform die Nase vorn. Visuell ist er oft etwas schöner, da er als Wavelet-Codec bei zu viel Detail nicht zur Klötzchenbildung neigt wie die DCT-Codecs.

Selbstverständlich werden auch Distributionsformate angeboten, neben H.264 und H.265 (aka HEVC) sogar noch WMV HQ oder Flash Video. Beim Encodieren von HEVC ist Kyno sehr effizient, sämtliche Kerne unseres Rechners liefen am Anschlag, und trotz doppelter Bitrate gegenüber der Standardausgabe in Resolve war Kyno sogar ca. 5% schneller. Dabei ist das Tempo gar nicht mal so entscheidend: Anders als in Resolve läuft die gesamte Batch-Bearbeitung bei Kyno im Hintergrund, während man recht geschmeidig weiter sichten kann. Selbst der in der Kompression sehr rechenintensive VP9 für WebM wird unterstützt, wenn auch je nach Hardware arg langsam. Den bekommt Resolve ohne Hilfe durch native Hardware gar nicht in den Griff.

Kyno kann auch mit reinen Audiodaten umgehen, aber noch ohne Waveformanzeige. Es wandelt MP2 und MP3 zu PCM (auch umgekehrt, aber das ist für die Weiterbearbeitung wenig sinnvoll) oder verpackt Audiodateien ohne Video in MOV. Bei Wiedergabe oder Transcodierung von Video kann man zudem einen LUT einsetzen, sodass aus einer Log-Aufnahme unmittelbar eine Sichtungskopie entsteht. Die Funktion „Marker als Bilddatei exportieren“ kann auf die Schnelle etwas, was in Resolve wesentlich umständlicher ist, nämlich Standbilder von markierten Positionen als JPEG oder PNG ausgeben.

Neu in der Version 1.8 ist die Übergabe mit Metadaten an Resolve.
In der Premiumversion lassen sich die Filter differenziert justieren.
Marker kann man schnell als Standbilder exportieren und dabei flexibel benennen.
Sämtliche LUTs aus den Ordnern für Resolve sind in Kyno verfügbar.

Medien und Datensicherung

Genau so wichtig wie ein umfassendes Angebot an Codecs ist die Unterstützung des Workflows. Das fängt beim Lokalisieren der Dateien an. Hier hilft Kyno mit seinem Drill-Down-Konzept, das mit einem Klick Ordner oder Speichermedien in beliebiger Tiefe durchsucht und alles zutage fördert, was Video, Audio oder Fotos enthält. Es ist also kein Ingest nötig wie bei einer typischen Medienverwaltung, dafür erinnert sich Kyno aber auch nicht an alles, was es je gesehen hat. Im Workspace dagegen kann sich Kyno Medien oder Ordner merken und deren Anzeige automatisch reaktivieren, wenn sie wieder verbunden sind. Wünschenswert wä- re es hier noch, einen Ordner dauerhaft für Drill-Down markieren zu können.‘

Wenn Medien aus einer Kamera frisch verbunden wurden, ist die Datensicherung selbstverständlich der erste Schritt. Hier ist Kyno professionell ausgestattet, denn es kann Kopien mit Prüfsummen erstellen (in Premium auf bis zu vier Medien gleichzeitig). Das inkrementelle Backup spart Zeit, während eine Überprüfung auf beschädigte Dateien und deren automatischer Ersatz zwar lange dauert, aber im Ernstfall ein Projekt retten kann. Die Sicherung auf einen zusätzlichen Bandspeicher mit Archiware P5 kann direkt aus dem Programm erfolgen, sodass insgesamt alle Anforderungen von Filmversicherungen erfüllt werden.

Marker und Subclips lassen sich übertragen.
Sie landen inklusive Beschreibung in DaVinci Resolve.

Bemusterung

Erst wenn die Daten gesichert sind, sollte die Sichtung und Bewertung erfolgen, auch wenn Kyno nichts in die Originaldateien schreibt. Es speichert seine Metadaten in einem unsichtbaren Ordner .LP_Store im Format XML, sodass sie prinzipiell auch im Klartext lesbar sind. Dieser Ordner liegt immer im gleichen Verzeichnis wie das Bildund Tonmaterial.

Diese kleinen Dateien können für einen Remote-Workflow in einem Cloud Service sehr schnell ausgetauscht oder aktualisiert werden, während die entsprechenden Filmdateien nur einmal hochgeladen werden müssen.

Das ist in Zeiten wie diesen ein essenzielles Feature, wenn man keine sehr schnelle Upload-Verbindung hat. Auf diese Weise bereitet die gemeinsame Bemusterung oder eine Übergabe von Metadaten wenig Aufwand. Mit Dropbox ist Lesspain sogar eine Partnerschaft eingegangen. Marker und Subclips lassen sich übertragen. Sie landen inklusive Beschreibung in DaVinci Resolve.

Die Sichtung wird durch einen vielseitigen Player unterstützt, in dem man das Material auch mit einem LUT belegen kann. LUTs, die man als CUBE-Datei mit dem gleichen Namen wie die Filmdatei abgelegt hat, werden vom Player automatisch benutzt. Selbstverständlich kann man die Wiedergabe über JKL oder einen Slider steuern, zusätzlich ist hier Zeitlupe oder Zeitraffer von einem Zehntel bis zum Vierfachen der Geschwindigkeit möglich. Drehung oder Spiegelung des Bildes werden ebenfalls geboten. Subclips können gesetzt und beschriftet werden, genauso wie Marker (ggf. mit definierter Dauer). Die Wiedergabe mit reduzierter Auflösung macht das Abspielen von hochauflösendem ProRes, BRAW oder R3D auf langsamer Hardware möglich.
Die Bewertung und Beschriftung in mehreren Feldern für Metadaten muss differenziert benutzt werden: während beim Senden an Premiere oder Final Cut Pro dank XMP bzw. XML alles rüberkommt, ist das bei Resolve nicht der Fall. Tags werden zu Keywords, aber Sterne versteht Resolve nicht. Beschreibung, Szene und Einstellung kommen an, aber Aufnahme (Take) nicht, auch keine Daten zur Kamera oder dem Blickwinkel. Das sehr wichtige Feld „Band“ dagegen wird als „Reel“ übergeben. Kyno ermöglicht so, ggf. auch mit der Erzeugung eines Timecodes beim Transcodieren, das Roundtripping mit Material aus Amateurkameras oder Handys, bei denen diese Daten oft fehlen. Marker und Subclips werden inklusive Titel und Beschreibung korrekt übergeben. Zu erwähnen wäre noch die integrierte Funktion zur differenzierten Umbenennung von Dateien und zum Bewegen in einen anderen Folder.

Bei der Transcodierung kann sogar die Bildfrequenz geändert werden.
Für Clips ohne brauchbaren Timecode generiert Kyno Ersatz.

Transcodierung

Neben dem reinen Umverpacken ist die Transcodierung eine der Stärken des Programms, denn hier geht weit mehr als die Umrechnung von hoch komprimiertem Material in schnittgerechte Zwischencodecs oder das Erstellen von Proxies für Teamarbeit und Offline-Schnitt. Kyno kann dabei ggf. fehlenden Timecode aus dem Erstellungszeitpunkt ergänzen und diesen wie auch weitere Angaben ins Bild einrechnen. Die Bildfrequenz lässt sich umstellen oder sogar umrechnen, allerdings nur mit der einfachen Überblendung oder Nearest, hier „Weglassen/Duplizieren“ genannt. Metadaten können für ganze Ordnerstrukturen per Copyund-paste übertragen werden und lassen sich sogar rekonstruieren, wenn mal der Bezug verloren gegangen ist. Wünschenswert bliebe hier noch ein Drop-Folder, dessen Inhalte automatisch umgerechnet werden.

Alle diese Arbeiten sind auch für Subclips möglich, sodass man bei hohem Drehverhältnis gleich eine Auswahl treffen kann. Anders als beim Media Management von Resolve bleiben dabei die Metadaten erhalten, ebenso die Ordnerstruktur beim Transcodieren. Außerdem werden vorhandene Clips übersprungen – ideal für die täglichen Sichtungskopien (Dailies). Wenn (z.B. durch einen Stromausfall oder ein abgezogenes Kabel) unvollständige Clips zu vermuten sind, kann Kyno die vorhandenen überprü- fen und ggf. automatisch ersetzen. Der Befehl „Kombinieren“ stellt mehrere Clips oder Subclips zu einem Rohschnitt zusammen. Da sich Clips aber nicht per Drag-and-drop arrangieren lassen, muss man durch geeignete Metadaten, Filter und die Sortierreihenfolge die gewünschte Schnittfolge bestimmen.

Bedienung und Versionen

Kyno ist auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch verfügbar. Kontexthilfe und mehrere Videotutorials machen ein Handbuch im herkömmlichen Sinn weitgehend überflüssig, denn die Bedienung ist recht intuitiv. Es gibt eine Standardversion für 159 Euro und eine Premium für 349 Euro. Darin enthalten sind Updates für ein Jahr. Danach hört das Programm aber nicht auf, zu arbeiten: Es wird nur nicht mehr mit neuen Funktionen versorgt. Die Versionen unterscheiden sich in erster Linie beim Umfang der unterstützten Formate, Feineinstellung der Filter und bei den Hilfen für größere Produktionen.

Kommentar

Auch wenn sich ein paar Funktionen überschneiden, ist Kyno doch eine ideale Ergänzung zu DaVinci Resolve. Das betrifft nicht allein den besseren Umgang mit Metadaten bei der Konsolidierung, sondern vor allem auch die Ansprüche an Hard- und Software. Resolve kann auf unzureichender Hardware mächtig rumzicken, Kyno dagegen läuft auch auf deutlich schwächeren Rechnern und mit älteren Betriebssystemen. Außerdem kann es sämtliche Umcodierungen im Hintergrund erledigen, während Resolve dabei außer Gefecht gesetzt ist. Es eignet sich auch gut zur finalen Wandlung in alle gängigen Distributionsformate für Teamwork und das Internet, wenn man stattdessen in Resolve einfach eine Masterdatei in einem hochwertigen Zwischenformat ausgegeben hat.

Kommentar schreiben

Please enter your comment!
Please enter your name here

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.