Dieser Artikel von Sabine Hatzfeld erschien ursprünglich in der DP 04 : 2013.
Depeche Mode sind zurück und gehen auf große Tour. Wer nicht live dabei sein kann, genießt vielleicht später die TV-Ausstrahlung im heimischen Wohnzimmer oder greift auf eine Konzert-DVD zurück. Das Kölner Postproduktionshaus the editors cgn verantwortet die hochwertige Nachbearbeitung von großen Konzert-Events. Worauf es ankommt, um die Künstler hinsichtlich Schnitt und Farbkorrektur möglichst gut aussehen zu lassen, erklärt Head-Editor und Geschäftsführer Tobias Berbuer im Interview mit der DP.
Die Kölner Firma the editors cgn hat sich auf die Postproduktion von Konzerten spezialisiert. In Zusammenarbeit mit den Partnerfirmen 2Bild TV Events & Media sowie neoxfilm Filmproduktion können sie ein Projekt von der Auftragsannahme, über den Dreh bis zur Finalisierung aus einer Hand anbieten – und das weltweit. Kerngeschäft ist die Nachbearbeitung von Mehrkameraaufzeichnungen. Das umfasst Konzerte, Opern, Galas, TV-Shows, Blu-ray- oder DVD-Produktionen. Thematisch reicht das Spektrum von Rock/ Pop bis zu den Bayreuther Festspielen oder zu einer Kochsendung für den WDR.
Postproduktion für Musik-Sponsoring
Die Partnerfirma der Editors, 2Bild, ist auf Corporate Events spezialisiert – und so kam es auch zum Depeche-Mode-Auftrag, denn die Deutsche Telekom begleitet die EuropaTour und präsentiert exklusiv 16 Konzerte in neun Ländern und das Albumlaunch-Konzert der englischen Band in Wien. „Die Auswertungswege von Konzerten haben sich verändert. Immer weniger Menschen gehen noch in den Laden und kaufen eine DVD. Konzerte laufen jetzt vor allem über die klassische TVAuswertung oder werden live gestreamt“, so Berbuer. Allerdings gebe es nach wie vor Bedarf an hochwertig produziertem Content.
Das kleine, schlagkräftige Editors-Team um Berbuer arbeitet mit langjährigen freien Coloristen, Editoren und Toningenieuren zusammen. Die Teams werden nach Fähigkeiten aber auch nach Interessen zusammengestellt, denn „harte Gitarren-Riffs vertragen sich nicht unbedingt mit Wagner. Aber Affinität zur Musik und Enthusiasmus sind entscheidend für ein gutes Ergebnis“, weiß Berbuer.
Das Studio ist mit vier Schnittplätzen ausgestattet und verfügt über einen DaVinci-Grading-Raum mit der neuesten Software und einem Klasse-1-Monitoring, Tageslichtausleuchtung und entsprechenden Hintergründen. Des Weiteren lassen sich in einer Sprachkabine auf Pro-Tools-Basis Filme vertonen, sei es mit der R128- oder einer Stereo-Mischung. Die Ausstattung komplettiert ein Arbeitsplatz für Retusche- und Grafikarbeiten.
DP: Hallo Herr Berbuer, wie haben Sie sich auf das Depeche-Mode-Konzert vorbereitet?
Tobias Berbuer: So gut es ging – bei diesen großen Bands ist das schwierig. Die Set-List, also die Songs, die gespielt werden, haben wir zum Beispiel erst zwei Stunden vor dem Konzert bekommen. Aber von Depeche Mode gibt es ja viel Material, mit dem man sich sehr gut vorbereiten und in die richtige Stimmung bringen kann. So sind hier die bestimmenden Farben Blau und Rot. Die Lichtshow ist sehr reduziert, eher gesetzt, was aber gut zur Musik von Depeche Mode passt. Außerdem setzen sie oft eine riesige Projektionswand mit aufwendig produzierten Videos ein.
DP: Beim Licht-Setup ist die Vorbereitung wahrscheinlich kein Problem?
Tobias Berbuer: Durch den Production Rider wissen wir genau, mit welchem Licht und welchem Bühnen-Setup gearbeitet wird. Gerade in letzter Zeit haben sich die hellen und kosteneffektiven LEDs durchgesetzt – was beim Depeche-Mode-Konzert allerdings nicht der Fall war. Manchmal ist dieses Licht mit Kameras schwierig einzufangen. Es kann schon passieren, dass das aufgezeichnete Signal in der Kamera bei sehr hellen Lichtquellen nicht weiß „ausbrennt“, sondern ins Schwarz wegbricht. Zudem verfälschen LED-Lampen das Licht in ihrem Farbwert. Grundsätzlich muss man immer Zusatzlicht in die Halle hängen, sonst ist die Bühne hell, aber das Publikum pechschwarz. Aber auch auf der Bühne muss mehr Weißlicht herrschen, damit man die Hautfarben der Musiker aufzeichnen kann.
DP: Wie verlief der Dreh?
Tobias Berbuer: Regisseur Marc Schütrumpf hat im Vorfeld ein visuelles Konzept erarbeitet und die Kamerapositionen mit Band und Management abgesprochen. Auf Basis dessen haben wir mit unserem Partner, dem Ü-Wagen-Dienstleister TV-Skyline, diese Produktion komplett mit drei bemannten und drei unbemannten Remote-Kameras umgesetzt. Zum Einsatz kamen neben drei LDK 6000 als Systemkameras auch drei Sportscam 4 – eine von Skyline selbst entwickelte Kamera – die im Bühnengraben standen und über der Bühne mit Blick auf den Schlagzeuger der Band hingen. Da die Lieder von Depeche Mode groß und elegisch sind, lassen lange Einstellungen die Musik besonders intensiv wirken. Man braucht also gar nicht viel Bewegung in den Kameras. Manchmal erzeugen statische Bilder mehr Grö- ße als wilde Schwenks oder viele Close-ups.
DP: Bei welcher Band wäre dieser wildere Stil sinnvoll?
Tobias Berbuer: Ein Konzert von Tokio Hotel hätte etwa eine Schnittmenge um den Faktor drei bis vier. Kids können sich leichter in einem Schnittgewitter zurechtzufinden. Man zeigt Details wie den Ringfinger und die Gürtelschnalle von Bill Kaulitz, um eine höhere Dynamik hineinzubringen. In dem Fall würde man auch mit zehn oder zwölf Kameras arbeiten. Dann kann man jeden Einsatz an der Gitarre oder am Schlagzeug abholen.
DP: Mit welchen Kameras drehen Sie?
Tobias Berbuer: Wir haben mehr oder weniger alle Hersteller und Systeme durchgetestet und können mit diesen Erfahrungen jedes Budget ansprechen. Wir haben auch schon mit der Red gearbeitet. Als Kamera, die für das szenische Arbeiten gedacht ist, ist sie für den Konzerteinsatz nicht so flexibel. Bei kleineren Produktionen arbeiten wir gerne mit der C300, die auch mit einer mobilen Regie hochwertiges und flexibles Arbeiten erlaubt, oder mit der 5D Mark II. Für Letztere gibt es das Technicolor CineStyle Profile, das ein flaches Bild liefert, was wiederum einen hohen Gestaltungsspielraum im Color Grading erlaubt.
DP: Was war nun das Besondere bei der Farbgestaltung von Depeche Mode?
Tobias Berbuer: Gemeinsam mit unserem Coloristen Ingo Schulten haben wir uns für das Depeche-Mode-Konzert ein spezielles Farbkonzept überlegt. Den richtigen Tonwert von Sänger Dave Gahan zu treffen steht dabei im Mittelpunkt. Alle anderen Farbentscheidungen positionieren sich um diesen zentralen Punkt. Wir haben uns am Lichtkonzept der Show orientiert. Bei den Hauttönen haben wir uns daher für einen Bronzeton entschieden mit einem leichten „Gritty-Look“. Er arbeitet die Konturen des Gesichts und der Muskulatur heraus und passt so gut zur Musik. Das nächste Augenmerk legen wir auf ein sattes, reines Schwarz. Es gibt dem Bild Punch und Tiefe. Hier ist bei einem Konzertdreh immer die Besonderheit, die richtige Balance zu finden zwischen dem angestrebten reinen Schwarz und dem gewünschten Hautton. Der dritte Punkt ist die Herausarbeitung des Lichtes. Der Dunst, der in einer Halle künstlich erzeugt wird, ist für uns Segen und Fluch gleichermaßen. Einerseits verringert er den Kontrast der weiter entfernten Kameras enorm, was manchmal schwierig zu kompensieren ist. Andererseits bildet er eine Art Leinwand im Raum, auf der sich die Lichtkegel der Scheinwerfer abbilden. Unser Ziel war es, diesen Effekt noch weiter herauszuarbeiten und so das Lichtkonzept der Show plastischer zu gestalten.
DP: Werden eigentlich Nachbesserungen anstandslos bezahlt?
Tobias Berbuer: Wir versuchen natürlich im Rahmen der budgetären Voraussetzungen alles möglich zu machen. Wir sind keine Künstler, die ein ungreifbares Werk erstellen, sondern Handwerker, die auf einem hohen technischen Niveau Filme produzieren. Ich bin der Meinung, dass eine Handwerksstunde Geld kosten muss. Nehmen Sie folgendes Beispiel: Ein Kunde gibt bei einem Schreiner einen Tisch in Auftrag. Nach Fertigstellung möchte er ihn aber zwei Meter länger haben und Schubladen dazu. Dann kostet es einfach mehr. Da muss man frühzeitig auf mögliche Kosten hinweisen.
DP: Wie viel können Sie im Vorfeld abfangen?
Tobias Berbuer: Eine ganze Menge. Wir sind lange vor der Produktion und auch vor Ort beratend tätig, damit solche Überraschungen nicht passieren. Für ein wasserdichtes Angebot müssen die Positionen genau definiert sein, dann können Sie bei Änderungswünschen auch argumentieren. Unser Job besteht darin, den Künstler auf der Bühne so gut wie nur irgend möglich aussehen zu lassen, ohne dass es unnatürlich wirkt. Wir rücken die Dinge einfach nur ins richtige Licht. Dabei muss ich die Wünsche von Band, Management, Auftraggeber, Regisseur und natürlich die Sehgewohnheiten der Zielgruppe berücksichtigen.
DP: Wie gestalten Sie Ihren Workflow?
Tobias Berbuer: Der variiert von Produktion zu Produktion. Dennoch gibt es natürlich Schritte, die sich immer gleichen, etwa wie ein Ingest organisiert wird. Für einen optimalen Workflow wandeln wir vor Postproduktionsbeginn alle Daten in ProResFiles um, da wir immer wieder gemischte Kamerasysteme haben. Das macht im Vorfeld zwar mehr Arbeit, vermeidet aber mögliche Fehlerquellen im Nachgang.
DP: Haben Sie noch weitere Tipps?
Tobias Berbuer: Ein fester Mitarbeiter betreut bei uns ein Projekt von A bis Z, also von der Digitalisierung bis zur Ausspielung und weiß so genau über die Abläufe Bescheid. Zusätzlich haben wir bei jedem Arbeitsschritt eine Qualitätskontrolle eingebaut. Das vermeidet Fehler rund um Synchronität oder TimecodeBreaks. Essenziell für die Produktionssicherheit sind natürlich Basisregeln wie eine klar definierte Ordnerstruktur und Dateinamenbezeichnung.
DP: Warum arbeiten Sie mit Resolve?
Tobias Berbuer: Der Workflow ist sehr flexibel und es kann direkt auf Rohmaterial zugegriffen werden. Für ein zügiges Arbeiten ist zudem die Drei-Ebenen-Korrektur essenziell: Ich kann einen globalen Look festlegen und dazu auf jede Kamera oder lokal Schnitt für Schnitt die Bilder noch einmal bearbeiten. Mit DaVinci kann ich einen Grade, den ich etwa auf Kamera 6 lege, auf Knopfdruck auf alle Kamera-6-Schnitte in einem Konzert anwenden. Bei 120 Minuten haben wir zwischen 1.500 und 4.000 Schnitten. Da kann man sich ausmalen, was es bedeuten würde, bei jedem Schnitt von vorne anzufangen. Ich persönlich finde, dass Blackmagic ein mächtiges und kosteneffektives Tool bereitstellt, mit dem man hochwertig korrigieren und gestalten kann. Auch der Support reagiert bei Problemen schnell.
DP: Was sollte künftig noch ergänzt werden?
Tobias Berbuer: Gerade wurde auf der NAB die nächste Version von DaVinci Resolve vor gestellt. Viele unserer Wünsche sind in dieser schon eingearbeitet. Resolve entwickelt sich weiter hin zu einem Finishingtool. So ergibt sich nun durch neue Editingtools und eine verbesserte Audiobearbeitung die Möglichkeit, das fertige Master direkt aus dem Programm heraus zu exportieren. Eine elementare Verbesserung ist die Möglichkeit, OFX-Plug-ins zu verwenden. Es wird sicher nicht lange dauern, bis jemand ein Legalizer-Plug-in geschrieben hat. Eine solche Funktion fehlt bisher in Resolve, so dass immer noch ein finaler Schritt in einer Schnittapplikation nötig war, um gegebenenfalls Gamut-Probleme bei einer Qualitätskontrolle zu beseitigen. Zusätzlich vereinfachen und beschleunigen viele kleine Änderungen die Arbeit: neue Power-Windows zur Erstellung von Vignetten, Farbkorrekturmöglichkeiten direkt im Grid-View, die Übertragung von Tracking-Daten per Copy und Paste oder das Anzeigen von mehreren Varianten eines Grades nebeneinander. Wenn wir mit dieser Version für einen Arbeitsschritt vier oder sechs Mausklicks weniger benötigen, kommen wir schneller zum Ziel und können unsere Zeit effektiver nutzen.
DP: Mit welchem Programm schneiden Sie?
Tobias Berbuer: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Final Cut Pro, da es sich damals als das beste System für Mehrkameraaufnahmen herauskristallisiert hat.
DP: Was ist mit FCP X?
Tobias Berbuer: Ich habe einen funktionierenden Werkzeugkasten. Solange nichts Neues auf den Markt kommt, was unseren Workflow und die Ergebnisse maßgeblich verbessert, gibt es keinen Grund zu wechseln. Es herrscht eine große Unsicherheit in der Branche. Viele Kollegen fragen sich, ob man jetzt auf Avid oder Premiere umsteigen muss. Diesem Hype, jedes Neue ausprobieren zu müssen, entziehe ich mich.
DP: Sie sind als erstes deutsches Postproduktionsunternehmen auf Huawei-Storage umgestiegen, den Ocean Store S5000T. Wie kam es dazu?
Tobias Berbuer: Im Zuge der Gründung der Editors haben wir uns um zwei weitere Schnittplätze vergrößert. Damit sind wir von der Datenmenge und dem Datendurchsatz an unsere Grenzen gestoßen. Wichtig war mir, dass der administrative Aufwand so gering wie möglich bleibt. Ich will mich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren und nicht darauf, wie ich die Technik zum Laufen bekomme. Dementsprechend arbeiten wir auf einer Xsan-Infrastruktur als Metadaten-Server und handeln über Fibre Channel den Datenaustausch – jeder Rechner kann mit einer 8-GB-Fibre-Channel-Leitung auf das Rohmaterial zugreifen. Im Dezember hatten wir viele große Projekte parallel, mit insgesamt 160 Manntagen Arbeitsaufwand – die erfolgreiche Feuerprobe für das System.
DP: Was war noch ausschlaggebend für den Zuschlag?
Tobias Berbuer: Was im Notfall noch sehr angenehm zum Tragen kommt, ist die intelligente Bauweise des Systems. Man kann, falls notwendig, im laufenden Betrieb jedes Bauteil wechseln. Ich muss nur ein kleines Häkchen drehen und habe 10 Sekunden später ein Netzteil ausgetauscht. Das funktioniert super on the fly. Ein weiterer Punkt war noch der verhältnismäßig günstige Supportvertrag.
DP: Zum Abschluss: Was ist Ihre Lieblingsband?
Tobias Berbuer: Oh, das ist schwierig. Ich arbeite schon seit meiner Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton mit Musik, habe bei Musikvideoproduktionen mitgewirkt und schneide seit neun Jahren fast ausschließlich Konzerte. Sagen wir es vielleicht so: Live-Musik interessiert mich am meisten. Im Grunde stehe ich auf Bands, bei denen man merkt, dass sie ihr Handwerk beherrschen, die Musik aus Liebe zur Musik machen und dabei einen ganz eigenen, unverkennbaren Sound entwickeln.