Interview zu Cloud Atlas | Retro-Artikel

Rückblick: In der DP 02 : 2013 sprachen wir mit Florian Gellinger, Gründer des VFX-Studios Rise, über die David-Mitchell-Verfilmung Cloud Atlas. Realisiert wurde das Sci-Fi-Epos von: den Wachowski-Geschwistern.

Dieser Artikel von Mirja Fürst erschien ursprünglich in der DP 02 : 2013.

Wir sprachen mit Florian Gellinger, einer der VFX-Supervisor und Gründer von Rise | Visual Effects Studios, über das aufwendige Machwerk „Cloud Atlas“ und seinen Workflow.

DP: Wie war die Arbeit für euch an „Cloud Atlas“?

Florian Gellinger: Insgesamt muss man sagen, dass die Arbeit trotz der Komplexität und der Menge der Shots sehr entspannt war. Wir waren als erste VFX-Firma mit an Bord und konnten deshalb unsere Personal- und Technikbedürfnisse lange und genau im Voraus planen.

Entsprechend sind wir sehr glücklich, den Beweis angetreten zu haben, dass gute Vorbereitung sich nicht nur qualitativ im sichtbaren Ergebnis auszahlt. Es war für alle eine wirklich großartige Zeit.

DP: Wie seid ihr zu dem Projekt „Cloud Atlas“ gekommen?

Florian Gellinger: 2008 haben wir schon mal mit Dan Glass, dem Senior VFX Supervisor von „Cloud Atlas“, zusammengearbeitet. Damals für den Film „Ninja Assassin“. Seitdem habe ich mich mit ihm in Los Angeles und auf der FMX in Stuttgart getroffen. Als er sich dann in Berlin für „Cloud Atlas“ niedergelassen hatte, rief er uns an. Wir stellten ihm einige unserer 3D-Artists und Workstations für die Previz-Phase zur Verfügung, scannten verschiedene Locations und Sets mit unserem LIDAR-Scanner und als der Dreh losging, unterstützte ich Stephane Ceretti, den zweiten VFX-Supervisor, am Set der Tom Tykwer Unit bei der Set Supervision.

DP: Habt ihr nur Shots für Sequenzen von Tom Tykwer bearbeitet – oder auch für die Wachowski-Geschwister?

Florian Gellinger: Wir haben hauptsächlich an den Sequenzen von Tom Tykwer gearbeitet. Zum Beispiel waren wir als Main Vendor für die Luisa-Rey-Episode im 1973er San Francisco verantwortlich. Wir erstellten ein Atomkraftwerk auf einer Insel sowohl für Tagshots als auch für Dämmerungs- und Nachtshots inklusive der Brücke, die die Insel mit dem Festland verband. Wir haben ein Flugzeug explodieren lassen und einen CG-VW-Käfer von der Brücke geschubst. Dazu haben wir ein CG-Environment für Dry-for-wet-Unterwasser-Shots erstellt. Und schließlich haben wir noch Tag- und Nacht-shots von Glasgow und Düsseldorf in das San Francisco der 70er Jahre verwandelt. Außerdem haben wir ein paar Cleanups, Sky Comps und Set Extensions für einige Shots der 1936er-Episode in Cambridge angefertigt. Für die Wachowski-Geschwister haben wir sowohl einige Gewittershots für die Südpazifik-Sequenz 1849 als auch ein bionisches CG-Augenpatch für einen Arzt im Neo Seoul 2144 erstellt und ein SatComCenter auf einen Berg im postapokalyptischen Hawaii 2346 gesetzt.

DP: Wie viele Shots waren es insgesamt?

Florian Gellinger: Insgesamt haben wir an 106 Shots gearbeitet, verteilt über fünf der sechs Episoden in „Cloud Atlas“.

DP: Habt ihr Previews oder ein Storyboard erhalten?

Florian Gellinger: Wir haben die Schnittreferenzen der jeweiligen Shots erhalten. Das waren einerseits Layouts von den InhouseArtists der Produktionsfirma, die Previz, die unsere Artists mit den Regisseuren erarbeitet haben oder Bilder vom Art Department zum Beispiel für das SatComCenter. Andererseits waren es manchmal auch einfach nur die vorgegradeten Source Plates.

DP: Wie lange hat die Arbeit gedauert, wie viele Leute bei Rise | Visual Effects Studios waren beteiligt?

Florian Gellinger: Begonnen haben wir schon vor dem Dreh mit der Previz im Juli 2011. Dann waren wir während des Drehs immer mal wieder am Set zum Scannen der Locations oder zur Supervision. Parallel zum Dreh erstellten einige unserer Artists schon die Postviz. Mit der eigentlichen Bearbeitung der Shots ging es dann Anfang 2012 los, bis in den Sommer hinein. Insgesamt waren zeitweise über 40 Leute an dem Projekt beteiligt.

DP: Wie habt ihr die Arbeit im Team aufgeteilt?

Florian Gellinger: Für jede Sequenz (Atomkraftwerk bei Tag/Nacht, Autocrash, „Glasgow zu San Francisco“-Umgestaltung) gab es einen Lead Compositor, der sein eigenes kleines Team hatte. In der 3D gab es einen Lead Artist, der sich hauptsächlich um die Explosion und die Luftblasen in Houdini kümmerte. Zusammen mit unserem Lead Pipeline TD integrierte er Houdini in unsere Pipeline. Außerdem gab es noch einige selbständig arbeitende Artists für die anderen 3D-Aufgaben.

DP: Welche Tools habt ihr eingesetzt?

Florian Gellinger: Für das Compositing setzten wir Nuke 6.3 ein. Mit unseren Inhouse Tools haben wir es etwas customized, so dass einige Arbeiten leichter vonstatten gehen. Für die 3D-Arbeiten verwenden wir Maya und Houdini, die ebenfalls mit einigen Custom Tools erweitert wurden. Zur Verarbeitung unserer LIDARScans verwenden wir die Software Faro Scene und zum Meshen und Aufbereiten der Pointclouds schließlich Geomagic Wrap.

DP: Musstet ihr eure Inhouse-Datenbank risebase in irgendeiner Form erweitern oder neue Skripte schreiben für das Projekt?

Florian Gellinger: „Cloud Atlas“ war unser erstes Projekt, bei dem Houdini zum Einsatz kam. Dementsprechend musste das erst einmal in unsere Pipeline integriert werden. In unsere Inhouse-Datenbank risebase wurden einige spezielle Delivery-Funktionen hinzugefügt, die den Datenaustausch mit dem Kunden vereinfachten.

DP: Wie habt ihr die Daten zur Ansicht an die Regisseure geschickt?

Florian Gellinger: Wir haben in regelmäßigen Abständen HD-Quicktimes auf einen Server hochgeladen, von dem sich sowohl die Regisseure als auch der Schneideraum die Daten herunterladen konnten.

DP: Wie war die Zusammenarbeit mit den anderen VFX-Studios? Oder gab es da keine Überschneidungen in der Arbeit?

Florian Gellinger: Wir haben ein Modell unseres VW-Käfers an Industrial Light & Magic (ILM) geliefert, der bei der Verfolgungsjagd mit dem Skiff-Bike in Neo Seoul im Hintergrund auftaucht. Darüber hinaus haben wir das SatComCenter für Method gerendert, die es dann ganz klein von Weitem auf den Berg gesetzt haben.

Ebenfalls haben wir für alle am Film beteiligten Firmen die LIDAR-Scans zur Verfü- gung gestellt. Das heißt jedes Set und jedes Fahrzeug wurde als 3D-Modell an die Firmen geliefert, die die zugehörigen Shots bearbeitet haben.

DP: Wie hat euch der fertige Film gefallen? Seid ihr der Meinung, dass trotz der zahlreich beteiligten VFX-Studios ein homogener Look der Effekte erzielt werden konnte?

Florian Gellinger: Wir haben unsere eigene kleine Firmenpremiere veranstaltet, als Dankeschön an das ganze Team für die tolle Arbeit und um Freunden und Kunden unsere Arbeit vorzuführen. Ich denke schon, dass der Look sehr homogen ist.

Das wurde auch dadurch bewerkstelligt, dass die Effekte weitestgehend sequenzweise an die unterschiedlichen VFX-Häuser aufgeteilt wurden, so dass es für jede Sequenz einen Main Vendor gab, der dafür verantwortlich war, seine Shots in sich einheitlich zu gestalten.

DP: Mit welchem Shot seid ihr im Film besonders zufrieden?

Florian Gellinger: Eigentlich sind wir mit allen Shots sehr zufrieden, weil sie alle ihre Besonderheiten haben. Sei es jetzt das besonders unauffällige Integrieren der San-FranciscoSet-Extensions oder spektakulärere Shots wie die Flugzeugexplosion oder der Autocrash mit den realistischen Luftblasen und Rissen unter Wasser. Und auch das SatComCenter auf dem Berg gefällt uns.

DP: Was würdet ihr anders machen im Workflow – mit dem jetzigen Wissen hinterher?

Florian Gellinger: Aus der Erfahrung der sehr zahlreichen LIDAR-Scans und Texturfotos haben wir einen neuen Workflow erarbeitet, wie man wesentlich schneller und effizienter seine 3D-Szene einleuchten kann und auch viel flexibler auf unterschiedliche Lichtsituationen im gleichen Set reagieren kann. In der nächsten Ausgabe wird es dazu auch einen Artikel geben.

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